Chinesische Autos erobern russischen Markt

Die Einfuhren chinesischer Autos haben sich in den vergangenen fünf Monaten im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht, meldet der russische Zoll. Laut Experten wird sich der Trend fortsetzen. Grund ist der Rückzug westlicher Autobauer und damit ein Mangel an Konkurrenz.

Ruslan Dawydow, Vize-Leiter des russischen Zolldienstes, sagte der Agentur RIA Nowosti, dass die Einfuhren Pkw aus China vom Januar bis Mai dieses Jahres im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr praktisch um das Dreifache gestiegen sind. Er führte den Anstieg auf die Abwanderung westlicher Unternehmen zurück. "Die Einfuhren chinesischer Personenkraftwagen haben sich fast verdreifacht, auch bei Spezialfahrzeugen und Lastkraftwagen ist ein sehr starker Anstieg zu verzeichnen", sagte er am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg.

Die Einfuhren von Baumaschinen stiegen nach seinen Angaben im gleichen Zeitraum um das Achtfache. "Ich denke, die Europäer schießen sich selbst ins Bein, sie haben sich von einem Markt mit 200 Millionen Menschen abgeschnitten", erklärte Dawydow.

Große amerikanische, europäische, japanische und südkoreanische Automobilhersteller hatten den russischen Markt im vergangenen Jahr aufgrund von Sanktionen verlassen. Nach Angaben der Association of European Businesses brach der Absatz neuer Pkw in Russland um fast 60 Prozent ein. Nur die russische Marke Lada und die chinesischen Automarken legten zu. Trotz des Nachfrageeinbruchs stiegen die Autopreise um durchschnittlich 20 Prozent. Die Hauptfaktoren waren die gestiegenen Logistikkosten sowie ein Mangel an Autos aufgrund des Rückzugs ausländischer Hersteller.

Die aggressive Expansion der chinesischen Hersteller war der auffälligste Trend in der russischen Autobranche. Wladimir Tschernow, Analyst bei Freedom Finance Global, erklärte gegenüber RIA Nowosti Anfang dieses Jahres: "Die Chinesen werden die Situation ausnutzen. Ihre Autos verkaufen sich auf dem russischen Markt inzwischen erfolgreicher als in China selbst."

Im April dieses Jahres betrug der Anteil der in China gebauten Autos auf dem russischen Markt bereits 44 Prozent, meldete der Pressedienst des russischen Autohändlers Awtodom. Demnach könnten es bis Ende des Jahres mehr als die Hälfte werden. "Die chinesischen Autobauer sind nach wie vor sehr am russischen Markt interessiert und haben vor, ihren Absatz um ein Vielfaches zu steigern. Zu diesem Zweck bauen sie ihre Vertretungen aus, eröffnen Ersatzteillager und moderne Servicezentren. Zu erwarten ist, dass der Anteil chinesischer Autos bis Ende des Jahres 60 Prozent erreichen wird." Grund dafür sei, dass chinesische Automobilhersteller flexibel und kundenorientiert seien und ihre Modellpalette an die Bedürfnisse der russischen Käufer anpassten.

Artjom Kljukin, ein Vertreter der russischen Investmentgruppe IVA Partners, sagte im Mai zur Zeitung Moskowskaja Gaseta, der Hauptgrund für die hohe Nachfrage sei ein anderer: "Das Geheimnis für die Beliebtheit chinesischer Autos ist, dass es praktisch keine Konkurrenz gibt. Westliche Unternehmen haben sich aus dem russischen Markt zurückgezogen. Die Fähigkeit der einheimischen Hersteller, die Logistik für die Lieferung von Ersatzteilen neu zu organisieren, ist erheblich geschrumpft, und Parallelimporte verteuern die gelieferten Autos erheblich." Ihm zufolge werde Chinas Marktanteil weiterhin ansteigen, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wenn russische Autohersteller den Staat um Unterstützung bitten. "Aber bis jetzt hat sich der Markt noch nicht einmal auf das Vorkrisenniveau erholt", resümierte er.

Wie das Portal motor.ru schreibt, finden einige Experten zwar, dass chinesische Hersteller dazu beitragen, den Autoverkauf wieder anzukurbeln. Sie befürchten jedoch, dass ihre Tätigkeit die Entwicklung russischer Autobauer behindere. Auch das Ziel der russischen Behörden, technologische Unabhängigkeit zu erreichen, könnte dadurch in Gefahr sein.

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