Von Thomas J. Penn
Die USA stehen erneut vor der Wahl, entweder die Schuldenobergrenze anzuheben oder 32 Billionen US-Dollar an Staatsschulden zu begleichen. Alle Jahre wieder steht Washington vor der gleichen Krise und es spielt sich das gleiche Drama ab: Die Demokraten behaupten, die Staatsausgaben ausweiten zu wollen, und die Republikaner behaupten, sie kürzen zu wollen. Tatsache ist jedoch, dass beide Parteien lediglich zwei Seiten derselben Münze darstellen, denn am Ende jeder inszenierten Schuldenkrise wird die US-Schuldenobergrenze angehoben und die US-Bundesausgaben steigen, anstatt zurückzugehen. Beide Parteien behaupten, dass die Vereinigten Staaten ihre Rechnungen immer bezahlen und dass die Schuldenobergrenze daher angehoben werden muss.
Doch in Wirklichkeit ist dies überhaupt nicht der Fall. Die Vereinigten Staaten begleichen ihre Schulden nicht. Im Grunde genommen schöpfen sie ihre Kreditkarte aus und beschließen dann, das Kreditlimit für diese Kreditkarte zu erhöhen. Washington konnte bisher mit dieser Vorgehensweise immer durchkommen, weil der US-Dollar die Weltreservewährung ist. Einfach ausgedrückt heißt das, dass die US-Regierung als Emittent des US-Dollars die Kapazität hat, ihre Inflation weltweit zu exportieren. Der US-Dollar ist in der ganzen Welt gefragt, weil Rohstoffe in US-Dollar bepreist werden. Auch der internationale Handel wird in US-Dollar abgewickelt. Länder, die internationalen Handel treiben wollen, müssen beträchtliche US-Dollar-Reserven halten, um diesen Handel zu ermöglichen, und auf diese Weise einen Großteil der monetären Expansion der USA absorbieren. Nationen, die mit dem US-Dollar nichts zu tun haben wollen, werden von Washington mit militärischen Mitteln oder Farbrevolutionen drangsaliert, um ihnen dadurch den US-Dollar aufzuzwingen. Dieser Punkt ist entscheidend, um zu verstehen, warum Washington die Schuldenobergrenze hochschrauben wird.
Dieses Jahr ist die Schuldenkrise jedoch etwas anders als in den vergangenen Jahren, und es gibt mehrere Faktoren, die dies bewirken und uns einen Einblick verschaffen, warum Washington die Schuldenobergrenze trotz aller Rhetorik anheben wird. Der erste und aufschlussreichste Grund, warum sie dies tun werden, lässt sich aus der Beobachtung der US-Bemühungen in der Ukraine gewinnen. Die bisherigen Bemühungen des Westens in der Ukraine, natürlich unter der Führung Washingtons, sind beispiellos in der Geschichte. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben die Vereinigten Staaten rund 113 Milliarden US-Dollar in der Ukraine eingesetzt. Janet Yellen, die frühere US-Notenbankchefin und jetzige US-Finanzministerin, hat nun auch behauptet, dass der Staatskasse bereits am 1. Juni das Geld ausgehen könnte. Solche Zahlen sind für den zufälligen Beobachter einfach unfassbar. Warum, fragt man sich? Warum diese beispiellosen Ausgaben, Sanktionen und die Dämonisierung Russlands um der Ukraine willen, wenn die Staatskasse fast erschöpft ist. Wie kann das sein?
Ganz einfach, die Antwort lautet folgendermaßen: Russland ist trotz der endlosen westlichen Propaganda eine Nation, die unter der Führung von Wladimir Putin intern sowie extern erstarkt ist. Russland hat sich entschieden, den US-Dollar völlig abzuschaffen. Außerdem ist das Land in der Lage, andere Nationen, die nichts mit dem US-Dollar zu tun haben wollen, zu schützen und sich mit ihnen zu verbünden und Syrien und Iran sind zwei der besten Beispiele. Russlands Wachstum ist organisch, während das Wachstum der Vereinigten Staaten unter dem derzeitigen System eher dem eines Heroinsüchtigen gleicht, der immer größere Dosen Heroin benötigt, um den Rausch aufrechtzuerhalten. So funktioniert das derzeitige, auf dem Fiat-Dollar basierende System. Können die Vereinigten Staaten ihre Inflation nicht in immer größeren Mengen exportieren, können sie auch keine ständig wachsenden Defizite erzeugen. Wenn sie keine immer größeren Defizite erzeugen können, trocknen sie aus und schrumpfen gewaltig. Auf diesem künstlichen Mechanismus beruht die gesamte Macht Washingtons.
So langsam kann man sich das vorstellen: Ein starkes Russland, das organisch wächst und frei vom Einfluss des US-Dollars ist, stellt eine Bedrohung für die Fähigkeit Washingtons dar, seine Geldmenge auszuweiten, denn es kann und hat sich dafür entschieden, den US-Dollar abzuschaffen, und kann auch anderen Nationen, die dies wünschen, dabei unterstützen, dies ebenfalls zu tun. Dadurch gibt es weniger Länder, in die Washington seine Inflation exportieren kann, was den Inflationsdruck in den Vereinigten Staaten erhöht. Um den Status des US-Dollars als Weltreservewährung aufrechtzuerhalten, was für die Finanzierung seiner ständig wachsenden Defizite vonnöten ist, hat Washington keine andere Wahl als zu versuchen, Russland einzudämmen. Die US-Regierung hat sich für diesen Stellvertreterkrieg die Ukraine als Ziel ausgesucht, denn auf diesem Mechanismus beruht seine gesamte Macht. Wenn man diese Tatsache begreift, wird man auch nachvollziehen können, warum die Vereinigten Staaten niemals einen Zahlungsausfall bei den Staatsschulden riskieren und die Schuldenobergrenze anheben werden.
Ein Zahlungsausfall bei den US-Staatsschulden würde alle beispiellosen Bemühungen Washingtons in der Ukraine, Russland einzudämmen, sofort zunichtemachen. Eine US-Zahlungsunfähigkeit würde den US-Dollar zerstören, dessen Akzeptanz in den letzten zehn Jahren, und insbesondere seitdem die USA begonnen haben, ihn als Waffe gegen Russland und andere Nationen einzusetzen, bereits stark zurückgegangen ist. Der US-Dollar würde von heute auf morgen abstürzen und die Finanzmärkte ins Bodenlose hinabsinken lassen. Ein solches Ereignis würde nicht nur den Mechanismus zerstören, mit dem Washington das künstliche, anorganische Wachstum erreicht hat, welches die Vereinigten Staaten seit ihrer Abkehr vom Goldstandard im Jahr 1971 erzielen konnten, sondern es würde auch der künstlichen Gesellschaft, die auf der Grundlage dieses Mechanismus aufgebaut wurde, den Boden unter den Füßen wegziehen. Die Folgen wären für Washington katastrophal und seine Macht wäre nahezu von heute auf morgen gebrochen. Die Welt, wie wir sie kennen, würde sich drastisch verändern.
Die Politiker in Washington sind verrückt nach der künstlichen Macht, die der Dollar-Mechanismus mit sich bringt. Das Richtige wäre es, die US-Bundesausgaben ab heute massiv zu kürzen und einen Plan aufzustellen, um die US-Staatsverschuldung im Laufe der nächsten Generation schrittweise erheblich zu reduzieren. Dies ist allerdings nicht mehr möglich, weil die Gesellschaft, die unter dem derzeitigen Mechanismus herangewachsen ist, zu unfähig ist, eine solch langfristige Lösung umzusetzen. Seitdem dieser Mechanismus der Gesellschaft ihre Verantwortung abgenommen hat, ist die totale Inkompetenz das einzig logische Ergebnis.
Washingtons Lösung besteht also darin, einfach das eigene Kreditkartenlimit zu erhöhen und Geld zu drucken, um die Zahlungen zu ermöglichen. Dies ist der Ausweg der Drogensüchtigen, der letztlich sowieso zur völligen Zerstörung des US-Dollars führen wird. Die USA sind auf dem besten Weg dorthin, und das schon seit Jahrzehnten. Sie nähern sich nun rasch dem Ende ihrer Fähigkeit, auf der Grundlage der Hegemonie des US-Dollars zu expandieren. Wenn die Büchse der Pandora, also die Finanzierung von Staatsdefiziten durch Gelddrucken auf Grundlage des Status als Weltreservewährung, erst einmal geöffnet ist, gibt es praktisch keinen Rückwärtsgang mehr. Im Grunde verwest die Gesellschaft von innen heraus.
Letztendlich sind die Politiker in Washington von der künstlich erzeugten Macht, die der Status des US-Dollars mit sich bringt, abhängig. Sie schätzen ihn mehr als die Gesellschaft, die sie zerstören, mehr als das Leben von US-Bürgern und Ukrainern. Deshalb werden sie alles daransetzen, ihn zu bewahren. All das Theater und die populistischen Äußerungen aus Washington können also ignoriert werden. Die US-Schuldenobergrenze wird angehoben werden, komme was wolle, es wird geschehen. Wenn nicht, dann sind die Vereinigten Staaten und Westeuropa, wie wir sie kennen, erledigt.
Thomas J. Penn ist US-Amerikaner und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Er war Unteroffizier der Infanterie bei der US Army. Penn studierte Finanzwirtschaft sowie Management und verfügt über umfangreiche Erfahrungen auf den Finanzmärkten. Sie können ihn auf Twitter unter @ThomasJPenn erreichen.
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