Von Alexander Männer
Der vom kollektiven Westen und unter Führung der USA gegen Russland geführte Sanktionskrieg sollte dieses Land vor allem im Handelsbereich von seinen traditionellen Partnern isolieren und damit lukrative Exportgeschäfte verhindern. In dieses Vorgehen sollten erwartungsgemäß alle Länder hineingezogen werden, die von dem Handel mit Moskau bisher profitierten, nun aber wegen der Sanktionen plötzlich gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen die der USA vorzuziehen hätten.
Als gehorsam zu nennen ist vor allem Deutschland, das auf preiswertes russisches Erdöl und Gas seit dem vergangenen Jahr größtenteils verzichtet, obwohl sein erfolgreiches Wirtschaftsmodell in erster Linie dank der billigen Energieimporte aus Russland funktioniert hatte. Nun kämpft man hierzulande mit grassierender Inflation, Preisanstieg, Stellenabbau und anderen Problemen, die ein Ende der Wirtschaftskrise zunehmend erschweren.
In Russland hat man dies immer wieder als "Selbstzerstörung" der Bundesrepublik angemahnt und das Bedauern geäußert, dass Staaten, die keine souveränen Entscheidungen treffen könnten, im Grunde nichts anderes als "Kolonien" seien.
Dass es angesichts der in Washington, D.C. initiierten Handels- und Wirtschaftsbeschränkungen gegen Moskau auch anders geht, zeigt dagegen Indien. In der Ukraine-Problematik hat diese aufstrebende Wirtschaftsmacht nämlich von Anfang an eine eigenständige und pragmatische Politik verfolgt und konnte so bislang unter anderem sogar einen immensen finanziellen Nutzen aus den antirussischen Sanktionen des Westens ziehen. Denn durch die massive Steigerung seiner Rohöleinfuhren aus Russland um 384 Prozent hat Indien, das eigentlich als einer der weltgrößten Erdölimporteuren gilt, neuerdings sogar als Exporteur von Ölprodukten auf dem Weltmarkt beträchtlich zugelegt.
Es ist bekanntlich so, dass die Inder beim Kauf von russischem Rohöl sogar Preisnachlässe erhalten, dieses Öl danach hauptsächlich zu Kraftstoffen verarbeiten und die Endprodukte anschließend zu weitaus höheren Preisen als für die eigenen Importe auf dem europäischen oder US-amerikanischen Markt veräußern.
Massive Ausweitung der indischen Exporte
Wie die Nachrichtenagenturen Reuters, Bloomberg sowie zahlreiche andere Medien diesbezüglich berichten, sollen die indischen Mineralöl-Unternehmen seit der Ausweitung der Russland-Sanktionen im vergangenen Jahr auf diese Weise mit dem Verkauf von Diesel, Kerosin und anderen Kraftstoffen zusätzliche Milliarden-Einnahmen verbucht haben. So ist allein der Export von Erdölprodukten nach Frankreich, Großbritannien, in die Niederlande und die USA aus Indien seit April 2022 bis Januar 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im Wert von etwa sieben Milliarden US-Dollar angewachsen. Der Export von Kerosin wuchs um 36 Prozent auf 5,6 Millionen Tonnen und der Dieselexport um 18 Prozent auf 4,5 Millionen Tonnen.
Darüber hinaus bezogen die USA einen Anteil zwischen 65 und 81 Prozent aller indischen Ausfuhren von Vakuumgasöl (VGO) – einem Zwischenprodukt des Raffinationsprozesses von Erdöl, das zu Benzin, Diesel und Heizöl weiterverarbeitet werden kann.
Beobachter weisen in Anbetracht dieser Entwicklung darauf hin, dass die indischen Importe nach Übersee insbesondere seit Januar deutlich gesteigert wurden, nachdem wenige Wochen zuvor ein Importverbot für russische Ölprodukte nach Europa in Kraft getreten war und Indien seine Ölimporte aus Russland bis zu diesem Zeitpunkt noch weiter hatte steigern können.
Was Indiens Lieferungen in die Europäische Union betrifft, so wuchsen sie laut dem Portal The Indian Express von April 2022 bis Januar 2023 im Jahresvergleich um rund 20 Prozent auf 11,6 Millionen Tonnen, wobei auf die EU etwa 50 Prozent aller indischen Kerosinausfuhren entfielen. Der größte Abnehmer für indische Erdölprodukte in der EU sind die Niederlande, die als ein Umschlagplatz für den globalen Handel mit Öl und Ölprodukten fungieren und selbst – wie die meisten EU-Mitglieder – keine russischen Öllieferungen mehr beziehen. Allein im Februar haben die Niederlande dagegen insgesamt 7,1 Millionen Barrel Diesel und 4,7 Millionen Barrel Kerosin im Wert von 1,4 Milliarden Dollar aus Indien importiert. Bereits zuvor hatten sich die indischen Exporte in die Niederlande von April bis November des vergangenen Jahres im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2021 von 2,7 Milliarden US-Dollar auf 6,4 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt.
All dies hat Indien in hohem Maße den Russland-Sanktionen zu verdanken, die ihre zweifellos höchst lukrativen Importgeschäfte mit den russischen Ölunternehmen erst möglich gemacht haben. Und auch wenn viele westliche Politiker und Experten den russisch-indischen Ölhandel politisieren, so lässt sich dennoch konstatieren, dass die indische Führung strikt gemäß den Wirtschaftsinteressen ihres eigenen Landes handelt und dabei – ungeachtet aller Kritik – eine äußerst erfolgreiche Strategie verfolgt.
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