Seit Neuestem hat es sich als Sprachregelung für Handelsbeziehungen mit nicht-westlichen Ländern eingebürgert, und in seiner neuesten Mitteilung über die Entwicklung deutsch-chinesischer Wirtschaftsbeziehungen gebraucht auch das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) dieses Wort, um ganz gewöhnliche Wirtschaftsbeziehungen zu bezeichnen: "Abhängigkeit".
Dabei ist klar, dass es die US-Politik ist, die dazu führt, die Kontakte zum seit sieben Jahren wichtigsten Handelspartner auf diese Weise zu betrachten; die Handelsbeziehungen zu den USA werden mittlerweile kaum mehr durch diese Brille gesehen. Das war phasenweise in den vergangenen Jahrzehnten anders, wie man unter anderem an Unternehmen wie Airbus sehen kann, das gezielt als Konkurrent zu Boeing aufgebaut wurde.
Eine Rolle bei dieser Betrachtungsweise dürfte aber auch die Tatsache spielen, dass China eines der wenigen Länder ist, denen gegenüber Deutschland schon seit einigen Jahren keinen Handelsbilanzüberschuss erzielt. Im letzten Jahr lag das Handelsbilanzdefizit bereits bei 84 Milliarden Euro und hatte sich damit im Verlauf der letzten vier Jahre versechsfacht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch chinesische Niederlassungen deutscher Unternehmen zu diesem Handelsbilanzdefizit beitragen.
Wie zentral Importe aus China sind, zeigte sich erst vorletztes Jahr, als durch die coronabedingten Unterbrechungen der Lieferketten viele Teile aus der Volksrepublik fehlten und manche Produktionen dadurch völlig stillstanden. Es war diese Unsicherheit, die zuerst Überlegungen auslöste, welche Teile der Lieferketten besser aus heimischer Produktion bedient werden sollten; allerdings wurde daraus bisher keine wirklich schlüssige Strategie. Die jetzigen Sorgen sind auch eher der US-Politik geschuldet, wenn der Außenhandelsexperte des IW sagt "sollte es zeitnah zu einem Krieg kommen, steht die deutsche Wirtschaft vor einer Krise enormen Ausmaßes," und anfügt, es sei höchste Zeit, kritische Abhängigkeiten zu reduzieren.
Tatsächlich haben deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr 11,5 Milliarden Euro in China investiert; ein weiterer Zuwachs nach zuletzt 10 Milliarden im Jahr 2022. Dabei geht es vor allem um Produktionsanlagen, die den chinesischen Markt bedienen, und die Warnungen des IW-Experten dürften auf diese Investitionen wenig Auswirkungen haben, denn dafür ist kaum Geld von Deutschland nach China geflossen: insgesamt wurde sogar mehr investiert, 12,4 Milliarden, aus in China angefallenen Gewinnen, und 0,9 Milliarden flossen ab.
Im Falle von Joint Ventures ist es sogar nicht ungewöhnlich, dass eine Reinvestition im Zielland zu den Vertragsbedingungen gehört, das heißt, dass es gar keine legale Möglichkeit gibt, diese Gewinne abzuziehen. Daran würden auch von den USA und/oder der EU verhängte Sanktionen nichts ändern.
Es ist allerdings auffällig, dass das Arbeitgeber-Institut so bereitwillig die Floskel von der "Abhängigkeit" übernimmt, ohne auch nur ansatzweise die Rechnung aufzumachen, ob der geringere Schaden nicht darin bestünde, die Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten zu beschränken statt jener mit China, sofern zwischen beiden gewählt werden müsse. Von einem Wirtschaftsinstitut von Unternehmerlobbyisten sollte man eigentlich erwarten, die erforderlichen Konsequenzen aus den Erfahrungen mit den Sanktionspaketen gegen Russland zu ziehen und sich für die einträglichere Beziehung zu entscheiden.
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