Seit Monaten gehen Nachrichten so: Der beinahe überall zugeschaltete ukrainische Präsident oder der ukrainische Botschafter stellen Forderungen ‒ der Westen liefert. Die ukrainische Führung unter Selenskij wie auch westliche Rüstungslobbyisten haben auf diese Weise unter anderem die Lieferung von Kampfpanzern an das Land gefordert ‒ und erhalten sie nun.
Gewinner des Krieges in Europa sind bereits die Rüstungskonzerne und deren Anteilseigner, da entsprechende Aktien zunehmend durch die Decke gehen. So am Mittwoch nach der Verkündung, dass Deutschland den Weg frei macht, um der Ukraine zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Kampfpanzern zukommen zu lassen.
"In einem ersten Schritt" soll eine Kompanie mit 14 Leopard-2A6-Panzern aus Beständen der Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden. Weitere europäische Partner sollen ihrerseits Panzer vom Typ Leopard 2 übergeben. Zum "Paket" gehören neben der Ausbildung auch Logistik, Munition und die Wartung der Systeme. Die Ausbildung der ukrainischen Besatzungen soll in Deutschland zügig beginnen.
Ein deutsches Kampfpanzerbataillon besteht üblicherweise aus 44 Leopard-2-Panzern. Bei der Lieferung in die Ukraine wird derzeit also über knapp 90 Panzer gesprochen. Einige europäische Länder, die teilweise selbst massiven Druck auf Berlin ausgeübt haben, würden dafür ihrerseits Panzer zur Verfügung stellen.
Die seit Wochen stark von NATO-Partnern kritisierte Bundesregierung wird die dafür notwendigen Genehmigungen zum Re-Export erteilen. Von den 14 europäischen Staaten, die Leopard-Panzer besitzen, haben neben Polen auch Finnland und die Niederlande ihre Bereitschaft zur Lieferung von Kampfpanzern erklärt. Tschechien kündigte dagegen am Dienstag an, nicht zugunsten der Ukraine auf die Leopard-2-Kampfpanzer verzichten zu wollen, die Deutschland im Zuge eines Ringtausches zugesagt hatte.
Die Bundeswehr hatte im Kalten Krieg mehr als 2.100 Leopard 2 im Bestand, die im Laufe der Abrüstung verkauft, weggegeben oder zerstört wurden. Im vergangenen Jahr verfügte die Bundeswehr noch über 312 Leopard-2-Panzer, darunter aber kein Modell der älteren Version Leopard 2A4, wie sie von Polen übergeben werden sollen. Nach einem Bericht des Spiegels wird zunächst eine ukrainische Kompanie mit Leopard 2A6 aus Beständen der Bundeswehr ausgestattet. Später können weitere Panzer aus den Lagern der Industrie, die aber erst noch einer Instandsetzung bedürfen, geliefert werden.
Ein Gewinner des Krieges steht jedenfalls fest: Die Aktien von Rheinmetall erklommen am Morgen ein Rekordhoch von über 226 Euro. Die Zustimmung der Bundesregierung zur Lieferung von Leopard-Panzern habe zwar nur begrenzte unmittelbare finanzielle Auswirkungen auf den Industrie- und Rüstungskonzern, für die Investorenstimmung zur Aktie wäre der Schritt aber ausgesprochen hilfreich, sagte ein Händler. Denn die von Deutschland und anderen Staaten gelieferten Panzer müssten ersetzt werden, was für steigende Aufträge an Rheinmetall spreche.
Laut Handelsblatt habe sich die Aktie des deutschen Rüstungskonzerns 2022 besser entwickelt als alle anderen Aktien im europäischen Index STOXX Europe 600. Die Titel des Rüstungskonzerns seien demnach in den letzten elf Monaten um 170 Prozent angestiegen.
Profitiert hat unter anderem die Ehefrau des Rheinmetall-Aufsichtsratschefs Ulrich Grillo, Jutta Roosen-Grillo. Nach Angaben des Handelsblatts unter Berufung auf die BaFin hat sie schon Mitte Januar vergangenen Jahres für gut 35.000 Euro gekauft und machte damit bis Ende des Jahres einen Gewinn von über 40.500 Euro. In weniger als einem Jahr konnte sie eine Rendite von gut 115 Prozent einfahren.
Hersteller des Leopard 2 ist Krauss-Maffei Wegmann (KMW), von Rheinmetall wurde die zentrale Glattrohrwaffenanlage entwickelt. Der Konzern liefert für den Leopard 2 Munition sowie die Feuerleitanlage und das Führungssystem. Im Rahmen des sogenannten Ringtausches liefert Rheinmetall unter anderem an die slowakischen und tschechischen Streitkräfte Leopard-2A4-Kampfpanzer sowie Munition, Ausbildungs- und Logistikleistungen.
"Diese Panzer gehören der Bundesregierung. Damit kann sie tun, was sie will", sagte Konzernchef Armin Papperger dem Stern. Bis Ende März werde Rheinmetall rund 29 Kampfpanzer Leopard 2A4 einsatzbereit haben, die für den Ringtausch vorgesehen gewesen seien. Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagte ein Rheinmetall-Sprecher dagegen, die 29 Ringtausch-Panzer werde man "im April/Mai 2023 fertig haben". Auf der Internetseite kündigte das Unternehmen im November an, das "erste Fahrzeug soll im Dezember 2022 ausgeliefert werden, die Auslieferung soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein".
Entsprechend kursierte auch die Aussage des Rheinmetall-Chefs, dass die Reparatur von Leopard-Panzern aus seinen Beständen "ein knappes Jahr" dauere, was Papperger jedoch als Missverständnis widerrief und erklärte, er habe sich auf beim Unternehmen quasi seit Jahren rottende Panzer bezogen: "Ich habe von den 22 Leopard-Panzern gesprochen, die bei Rheinmetall stehen und Rheinmetall gehören. Da bleibe ich dabei, die werden nicht vor Ende dieses Jahres fertig." Zum Zustand der Fahrzeuge erläuterte er: "Diese Panzer standen zum Teil zehn Jahre mit offener Luke da, die sind innen verschimmelt."
Zumindest veraltet scheint auch die Forderung nach Kampfpanzern ‒ denn schon vor der Zusage für die umstrittene Kampfpanzerlieferung hat Kiew vorausschauend Forderungen nach Kampfjets, Langstreckenraketen und weiterem harten Geschütz an die NATO gestellt, deren Mitglied es nicht einmal ist. Die Forderung fand in einigen Medien bereits Widerhall.
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(rt/dpa)