Die Linke im Bundestag hat den Bundeshaushalt 2023 als sozial unausgewogen kritisiert. "Krisen sind die Zeiten der schnellen Umverteilung von unten nach oben. Und dagegen tut die Bundesregierung eben viel zu wenig", sagte die haushaltspolitische Sprecherin der Partei, Gesine Lötzsch, am Freitag in Berlin. Das zeige sich auch an diesem Haushalt. Alle aktuellen Krisen wie die Klima-, die Energie- und die Corona-Krise sowie die Kriege träfen arme Menschen besonders.
Lötzsch verlangte erneut eine "gerechte Steuerreform, die vor allem die großen Vermögen besteuert". Sie könne überhaupt nicht nachvollziehen, dass zum Beispiel im Rahmen des Nachtragshaushalts die "unsinnige Aktienrente" im Eilverfahren beschlossen worden sei.
"Und die Kindergrundsicherung allerdings soll erst 2025 kommen."
Anfang November hatte das FDP-geführte Bundesfinanzministerium die milliardenschwere Aktienrente "zur Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung" auf den Weg gebracht, die teilweise kreditfinanziert ist, also durch die Aufnahme neuer Schulden. Dazu sollen im Jahr 2023 Haushaltsmittel in Form von Darlehen in Höhe von zehn Milliarden Euro zugeführt werden.
Als völlig verfehlt sah die Linken-Politikerin auch den geplanten Neubau für das Kanzleramt mit veranschlagten Kosten von rund 770 Millionen Euro an. "Ich glaube, da wäre mehr Bescheidenheit angesagt."
Der bereits im Jahr 2019 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geplante Erweiterungsbau des Kanzleramts wird nach einer Schätzung von September etwa 177 Millionen Euro mehr kosten als ursprünglich geplant. Nach Angaben aus Regierungskreisen würden für den Sandsteinbau mit etwa 400 Büros inzwischen 777 Millionen Euro inklusive einer "Risikovorsorge" für weitere Kostensteigerungen veranschlagt. Bei der Entscheidung für den Neubau 2019 sei noch mit Kosten von 600 Millionen Euro gerechnet worden. Die Bauarbeiten sollen im kommenden Jahr beginnen.
Sogar der notorisch wirtschaftsliberale Sachverständigenrat hatte der Bundesregierung jüngst nahegelegt, dass angesichts der aktuellen Krise höhere Steuern oder ein Energiesoli angebracht wären. Man müsse bei den Besserverdienenden zugreifen, um "die Zielgenauigkeit des Gesamtpakets der Entlastungen zu erhöhen", also die Verteilung von unten nach oben umkehren oder ihr zumindest Einhalt gebieten. Dies rief erwartungsgemäß umgehend Empörung unter den wirtschafts- und neoliberalen Kommentatoren hervor. So überschlugen sich die FAZ und das Handelsblatt mit Behauptungen, denen zufolge die Forderung der Wirtschaftsexperten nach einer gerechteren Steuerverteilung "falsch" sei.
Deutschland würde auf dem Weg der angeratenen Steuergerechtigkeit "abgewrackt", behauptete etwa der Ressortleiter Politik des wirtschaftsliberalen Handelsblattes Thomas Sigmund und lamentierte, der ökonomische Sachverstand sei hier dem Zeitgeist hintangestellt worden, der von einer "Debatte" über soziale Spaltung geprägt sei.
Allerdings zeugen Stimmen wie diese genau davon, dass es hier um weitaus mehr geht und damit vermutlich ein wunder Punkt bei denjenigen getroffen wurde, die sich wohl vorgestellt haben, dass es nun immer so weitergeht, unabhängig davon, wie es dem Großteil der Bevölkerung ergeht und was dieser sich wünscht.
Überzeugender als die Stimmen einiger Privilegierter sind jedoch die Daten, die bereits vor der aktuellen Energie- und sogar vor der Corona-Krise sehr deutlich gezeigt haben, dass die Vermögen jener, die es sich erarbeiten müssen, und derer, die schon viel haben, stark auseinanderdriften. Unter den OECD-Ländern ist Deutschland Spitzenreiter bei der Konzentration von Reichtum.
Folglich befürworteten bereits im vergangenen Jahr, also noch vor dem derzeitigen Inflationsrekord, rund zwei Drittel der Bundesbürger höhere Steuern auf hohe Einkommen, wie eine repräsentative Umfrage von infratest dimap im Auftrag des ARD-Politikmagazins Kontraste zeigte. Demnach fanden 67 Prozent der Befragten angemessen, die Steuerlast entsprechend zu ändern.
Auch Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes konnten dieses Bedürfnis der Bürger im November letzten Jahres bestätigen. Demnach fand gerade einmal eine Minderheit von acht Prozent die Verteilung privater Vermögen in Deutschland gerecht. Dass die fehlenden Maßnahmen zugunsten von mehr Gerechtigkeit langfristige gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Auswirkungen haben, bestätigen verschiedene Politik- und Wirtschaftsexperten immer wieder.
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