Großbritannien befindet sich in einer wirtschaftlichen Rezession. Schon früher im August gab die Bank of England bekannt, dass sie die Zinssätze auf 1,75 Prozent erhöht hat, den höchsten Stand seit 2008. Gleichzeitig ist die Wirtschaft im zweiten Quartal leicht geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verringerte sich im Vergleich zum ersten Quartal um 0,1 Prozent, wie das Statistikamt Office for National Statistics (ONS) am Freitag in London mitteilte. Im Juni nahm die Wirtschaftsleistung des Landes im Vergleich zum Vormonat um 0,6 Prozent ab.
Belastet wurde die Konjunktur im zweiten Quartal laut dem ONS besonders vom Dienstleistungssektor, der um 0,4 Prozent schrumpfte. Hier schlugen geringere Aktivitäten im Bereich Gesundheit und Sozialarbeit zu Buche, was wiederum nachlassende Aktivitäten im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Coronavirus widerspiegele.
Finanzminister Nadhim Zahawi wertete die Konjunkturdaten dennoch als Zeichen dafür, wie widerstandsfähig die britische Wirtschaft sei, da Ökonomen für das zweite Quartal ein stärkeres Minus von 0,3 Prozent prognostiziert hatten.
Die Bank of England hingegen sieht eine Rezession ab Ende des Jahres bevorstehen, die das gesamte Jahr 2023 anhalten könnte. Sie hatte die Zinsen jüngst auf 1,75 Prozent angehoben, den höchsten Satz seit 1995. Die Teuerungsrate im alten Empire liegt aktuell mit 9,4 Prozent bereits auf einem 40-Jahres-Hoch.
Experten gehen davon aus, dass dies aber noch längst nicht das Ende der Fahnenstange bedeutet, sondern weitaus Schlimmeres bevorsteht. So könnten die Energiekosten infolge der absehbaren Preisanpassungen britischer Energieversorger zum Ende des Jahres auf über 13 Prozent ansteigen, wie die Tagesschau den Ökonomen Dirk Chlench von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zitiert. Laut nach den Marktforschern von Cornwall Insight könnte sich die Energierechnung eines britischen Durchschnittshaushalts zum Anfang nächsten Jahres verdoppeln und auf mehr als 7.000 Euro steigen. Über 40 Prozent der Briten befürchten soziale Unruhen im weiteren Verlauf des Jahres, nicht wenige sehen einen Zahlungsboykott der Energieversorger als Option.
Die Preissteigerungen zeigen sich bereits beim Kaufverhalten und schlagen sich in geschwächten Umsätzen im Einzelhandel nieder. Lediglich auf Bekämpfung der extremen Hitzewelle spezialisierte Angebote verzeichneten stärkere Umsätze. Sparen müssen die Briten aber auch beim Wasser. Wegen anhaltender Trockenheit ist in großen Teilen Großbritanniens am Freitag zudem der Dürre-Notstand ausgerufen worden. Vor allem Gebiete im Südwesten, im Süden, im Zentrum und im Osten Englands sind betroffen. Privathaushalte und Unternehmen wurden aufgerufen, ihren Wasserverbrauch zu überprüfen. Derweil lässt sich der Anwärter auf das Amt des Premierministers Rishi Sunak Berichten zufolge ein Privatschwimmbad errichten.
Mehr zum Thema - Medienbericht: Großbritannien erwartet "astronomische" Inflation im nächsten Jahr