Inflation in Euro-Zone erreicht Rekordhoch – Erhöht die EZB den Leitzins?

Angesichts der stark steigenden Geldentwertung in der Euro-Zone nimmt die Nervosität in der Europäischen Zentralbank zu. Seit Wochen kündigen die Zentralbanker eine Erhöhung der Zinsen für den Euro-Raum an. Gleichzeitig verschlechtern sich die Konjunkturaussichten.

Im Juni 2022 erreichte die Inflation in der Euro-Zone ein Rekordhoch. Um gegenzusteuern, will die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer Zinserhöhung reagieren.

Wie das Portal CNBC berichtet, lag die Inflation im gesamten Euroraum im vergangenen Monat bei 8,6 Prozent. Dies gehe aus den am Freitag veröffentlichten vorläufigen Zahlen des europäischen Statistikamtes "Eurostat" hervor. Damit wurde die Vorhersage einer Reuters-Umfrage unter Wirtschaftsexperten von 8,4 Prozent noch übertroffen. Im Mai hatte die Inflationsrate noch 8,1 Prozent betragen. Die Geldentwertung in der Euro-Zone nähert sich der 9-Prozent-Marke weiter an.

In Deutschland sei jedoch entgegen der Erwartungen die Inflationsrate um 0,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vormonat zurückgegangen. Nach Meinung von Experten sei dies auf die jüngsten staatlichen Subventionen zurückzuführen, die die Auswirkungen der steigenden Energiepreise abmildern sollen. Allerdings sei ein Ende der Inflation nicht abzusehen.

In anderen Ländern der Euro-Zone seien, im Unterschied zu Deutschland, gegenläufige Tendenzen zu beobachten. Sowohl Frankreich als auch Spanien hatte im Juni neue Inflationsrekorde zu verzeichnen. Madrid erwarte laut Reuters zum ersten Mal seit 1985 eine Überschreitung der Zehn-Prozent-Marke.

Reaktionen der Europäischen Zentralbank

Die EZB, darauf eingeschworen, den Preisanstieg zu bekämpfen, wird vermutlich Ende Juli zusammentreten, um eine Zinserhöhung anzukündigen. Darauf wird die Öffentlichkeit seit Wochen in der Wirtschaftsberichterstattung vorbereitet. Die Euro-Zentralbank hat verlauten lassen, dass sie die Zinsen im September abermals anheben wird. Wenn die EZB diese Politik tatsächlich umsetzen sollte, dürfte der Leitzins in diesem Jahr in den positiven Bereich zurückkehren – durchaus eine Sensation. Seit 2014 hatte die EZB eine Negativ-Zinspolitik verfolgt.

Anfang dieser Woche griff EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu vergleichsweise düsteren Tönen: "Wenn sich die Inflationsaussichten nicht verbessern, haben wir genügend Informationen, um schneller zu handeln", meinte Lagarde vor einem Publikum im portugiesischen Sintra über die Zeit nach der übernächsten Zinserhöhung im September.

Allerdings dürften die trüben Konjunkturprognosen für die kommenden Monate weitere Fragen für die Geldpolitik in der Euro-Zone aufwerfen. Denn falls die Zentralbank die Zinssätze zu schnell anheben sollte, könnte dies das Wirtschaftswachstum in einer Periode, die bereits von einer Abschwächung gekennzeichnet ist, noch weiter behindern.

Konjunkturaussichten düster

Die neuesten Konjunkturdaten zeigen deutlich, dass in der Euro-Zone bereits ein Rückgang der Wirtschaftsleistung eingetreten ist. Die Frage ist allein, ob bereits in diesem Jahr oder erst 2023 eine massive Rezession eintreten wird.

Mindestens für das Jahr 2023 rechnen Ökonomen mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,8 Prozent. Dabei wird auf EU- und EZB-Ebene gerne vermieden, von einer Rezession zu sprechen. Auch die EZB-Chefin übte sich in Optimismus:

"Wir erwarten immer noch positive Wachstumsraten aufgrund der inländischen Puffer gegen den Verlust der Wachstumsdynamik",

sagte Lagarde noch Anfang dieser Woche. Die EZB prognostizierte im Juni eine BIP-Rate von 2,8 Prozent für die Region in diesem Jahr. Neue Zahlen sollen im September veröffentlicht werden.

Der Chefvolkswirt der EZB, Philip Lane, meinte gegenüber CNBC wenig überraschend, man müsse in den kommenden Monaten wachsam bleiben – und mit "zwei Risiken umgehen": der Inflation einerseits und der Rezession andererseits.

Wie die FAZ bereits Mitte Juni schrieb, dürften nach einer eher geringen EZB-Zinserhöhung um einen Viertelprozentpunkt Ende Juli ein größerer Zinsschritt im September erfolgen – und dann "noch mehrere Trippelschritte in diesem Jahr". So könnte der sogenannte Einlagensatz bis zum Jahresende auf 0,75 Prozent steigen. Damit wäre die Negativzinspolitik dann beendet.

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