Nach Ansicht des ehemaligen US-Unterhändlers für Handelsfragen und Weltbankbeamten mit China- und Russland-Erfahrung, Harry Broadman, wird eine breitere Palette von Anti-Russland-Sanktionen voraussichtlich die nicht in US-Dollar abgewickelten Handelsbeziehungen zwischen Moskau und Peking nur noch vertiefen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters erklärte er:
"Das Problem bei Sanktionen – vor allem wenn sie einen Ölproduzenten wie Russland treffen – ist, dass das System undicht wird."
"China könnte sagen: 'Wir werden Öl auf dem offenen [dem nicht sanktionierten] Markt kaufen, und wenn das russisches Öl ist, dann ist das eben so.'"
Seitdem im Jahre 2014 nach der Wiedervereinigung der Halbinsel Krim mit Russland bereits geringere Strafmaßnahmen eingeführt worden waren, ist Berichten zufolge China zum wichtigsten Exportziel Russlands geworden.
In Washington, D.C. und weiteren westlichen Staaten ist man nun bereit und entschlossen, erneut ein noch breiteres Spektrum an Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen, wenn Moskau den aktuellen Konflikt in den Donbass-Republiken Donezk und Lugansk eskaliert. Der Kreml hatte Anfang dieser Woche die Unabhängigkeit der beiden Republiken anerkannt.
Mit einem Folgedekret wies Putin das russische Militär an, den Frieden in den neu anerkannten Republiken zu sichern, die zuvor noch acht Jahre lang auch von Russland als untrennbarer Teil der Ukraine betrachtet wurden.
Die Anerkennung veranlasste nun das Weiße Haus in Washington, die vorbereitete "erste Tranche" neuer Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Am Dienstag unterzeichnete US-Präsident Joe Biden einen Erlass, der sich gegen "Russlands Elite und Familienmitglieder" richten soll. Er erklärte außerdem, dass das Pipelineprojekt "Nord Stream 2 nicht vorankommen wird" und dass die Sanktionen dazu beitragen werden, "Russlands Regierung von westlichen Finanzierungen abzuschneiden", indem der Handel mit russischen Staatsschuldbriefen verboten wird.
Gemäß dem Erlass sei jegliche Institution im russischen Finanzdienstleistungssektor Ziel weiterer Sanktionen, erklärten US-Beamte, da über 80 Prozent der täglichen Devisentransaktionen Russlands und die Hälfte seines Handels in US-Dollar abgewickelt werden. Biden versprach, "robuste Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass der Schmerz durch unsere Sanktionen auf die russische Wirtschaft und nicht auf unsere gerichtet ist".
Einige Experten sind jedoch der Meinung, dass es keine leichte Aufgabe sei, diese 1,5-Billionen-US-Dollar-Wirtschaft vom Welthandel auszuschließen, da Russland zu den weltweit führenden Exporteuren von Erdöl, Erdgas, Kupfer, Aluminium, Palladium und anderen wichtigen Rohstoffen gehört.
Bidens Ankündigungen führten dazu, dass die Ölpreise neue Höchststände erreichten, die seit 2014 nicht mehr überschritten wurden.
Nach Angaben der Weltbank machte Russland im Jahr 2020 fast zwei Prozent des Welthandels aus, gegenüber 2,8 Prozent im Jahr 2013. Das BIP des Landes lag 2020 weltweit auf Platz elf, zwischen Brasilien und Südkorea.
Laut den Weltbank-Daten in der World International Trade Solution-Datenbasis hat die wirtschaftliche Abhängigkeit Russlands vom Welthandel in den letzten 20 Jahren abgenommen. Gleichzeitig haben sich auch die Exportziele verändert. Die Niederlande waren vor zehn Jahren aufgrund des Ölhandels das wichtigste Exportziel Russlands, wurden aber inzwischen von China abgelöst. Die Importe Deutschlands und Großbritanniens aus Russland sind weitgehend konstant geblieben, während die Einfuhren Weißrusslands zugenommen haben.
China ist nach wie vor Russlands wichtigster Lieferant, wobei Mobiltelefone, Computer, Telekommunikationsgeräte, Spielzeug, Textilien, Kleidung und Elektronikteile zu den wichtigsten Import-Kategorien gehören. Chinas Anteil an den russischen Einfuhren ist seit 2014 gestiegen, während die russischen Importe aus Deutschland deutlich zurückgegangen sind.
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