Jahrzehntelang waren die Steuersätze auf der ganzen Welt gefallen. Das ändert sich im Zeitalter eines deutschen Finanzministers Olaf Scholz (SPD), der vor der Wahl als SPD-Kanzlerkandidat in einer Rekordverschuldung von 130,5 Milliarden gelandet ist und mit dem unpopulären Wort Steuererhöhung hantiert. Seit mehr als 40 Jahren sanken gerade für Unternehmer die Steuern, während die mehr und mehr steuerfinanzierten Nebenkosten und steigende Steuern den Angestellten die Luft nahmen. Lag der Unternehmenssteuersatz 1980 im Schnitt bei 44 Prozent, waren die Sätze 40 Jahre später mit 23,3 Prozent fast nur halb so hoch. Europaweit reduzierte sich der durchschnittliche Unternehmenssteuersatz zwischen 2000 und 2018 von 31,39 auf 19,48 Prozent – das entspricht einem Rückgang um 37,9 Prozent. In der Europäischen Union (EU) sank der durchschnittliche Unternehmenssteuersatz zwischen 1996 und 2018 von 38 auf 21,29 Prozent. Doch damit soll dank der amerikanischen Offerte jetzt Schluss sein.
Der Vorschlag für die weltweite Mindeststeuer von 21 Prozent kam aus Amerika, ausgerechnet jenem Land mit den größten im Ausland wenig bis kaum steuerzahlenden Großunternehmen wie Starbucks, Amazon und Google. Die Arbeit und die Verantwortung, einheitliche Steuerbarrieren zu schaffen, tragen die anderen. Der EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni sagte der französischen Wirtschaftszeitung Les Echos:
"Wir wollen für mehr Transparenz sorgen. Das wird uns helfen, aggressive Steuerplanung zu bekämpfen."
Auch gegen Briefkastenfirmen will Brüssel vorgehen. Wie erfolgreich die Europäer bisher darin waren, sieht man besonders eindrucksvoll an den europäischen Steueroasen Luxemburg, an den Kanalinseln, an den irischen Steuerparadiesen in Dublin und am Stadtstaat Monaco, wo nach wie vor für Steuersparer vergleichsweise paradiesische Zustände herrschen.
Der nächste Termin einer Einigung unter den G20-Staaten zu erzielen, wäre im Juli in Venedig. Die Amerikaner wollen einen Unternehmenssteuersatz von 21 Prozent weltweit. Die EU strebt ein ähnliches Niveau an. Gentiloni ist zuversichtlich:
"Ich denke, dass wir nicht weit entfernt vom Vorschlag der Amerikaner liegen werden."
Luxemburg und Irland müssten erst einmal von der Dringlichkeit einer Steuerreform überzeugt werden. Bisher haben sie seit Jahrzehnten nicht reagiert. Europäische Firmensitze wickeln gerne über Amsterdam, Irland und Luxemburg ihre Steuergeschäfte gewinnmaximierend und steuerminimierend ab.
Die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden treibt die globale Reform zur Besteuerung von Großkonzernen nun energisch voran. Denn als wesentliche Finanzierungsquelle für sein Zwei-Billionen-Infrastrukturprogramm rechnet Biden auch mit Rückflüssen der Großunternehmen. Im Sommer soll die Einigung auf die Großreform gelingen, die seit Jahren im Kreis der Industrieländerorganisation OECD geplant ist.
Möglich ist, dass Scholz bei dem amerikanischen Vorschlag einen Rückzieher macht, denn durch die neue Steuer würde de facto in Deutschland die Körperschaftssteuer von 15 Prozent und die Gewerbesteuer, die zwischen 10,5 und 17,5 Prozent je nach Gemeinde liegt, müsste von unten nach oben komplett neu berechnet, was – man sah es an den wenig einheitlichen Corona-Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern – sehr unwahrscheinlich ist. Wahrscheinlicher ist es bei allem Wahlkampfgetöse, dass auf die Unternehmer weitere Erhöhungen zukommen, wenn der amerikanische Vorschlag durchkommt.
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