US-Notenbank trotzt möglicher Inflation mit weiteren Anleiheaufkäufen

8,4 Millionen Jobs fehlen in den USA im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie. Trotzdem will die US-Notenbank (Fed) eine Inflationsrate von über zwei Prozent weiter zuzulassen. Fed-Chef Jerome Powell setzt auf positive Impulse durch Joe Bidens Zwei-Billionen-Dollar-Infrastrukturprogramm.

Jerome Powell, Chef der Federal Reserve (Fed), hat es mit einer Kursänderung weg vom Niedrigzins nicht eilig. Er sagte auf einer Pressekonferenz nach einer Notenbanksitzung:

"Die Zeit ist noch nicht gekommen, um darüber nachzudenken, die Anleihekäufe zu reduzieren. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Ich werde weit im Voraus signalisieren, wenn sich eine Änderung in der lockeren Geldpolitik abzeichnet."

Der Leitzins werde weiterhin zwischen null bis 0,25 Prozent verbleiben. Powell versicherte, dass er signalisieren werde, wenn sich daran etwas ändern sollte. Er will sich nicht zu früh von der Strategie verabschieden, mit der die USA durch die Pandemie gebracht wurden.

Auf die jüngsten Entwicklungen in der US-Wirtschaft reagiert er nicht. Noch fehlen gegenüber der Vor-Corona-Zeit rund 8,4 Millionen Arbeitsplätze. In den Vereinigten Staaten war jüngst die Zahl der Anträge auf Arbeitslosenhilfe überraschend gestiegen, während Analysten im Schnitt mit einem Rückgang gerechnet hatten. Der unerwartete Anstieg der Anträge zeigt, dass der Arbeitsmarkt noch einen langen Weg vor sich hat. In der größten Volkswirtschaft der Welt sind während der Pandemie Millionen Arbeitsplätze weggefallen.

Die rasch fortschreitenden Impfungen und die Lockerungen von Corona-Beschränkungen dürften sich jedoch in den nächsten Wochen tendenziell positiv auf den Jobmarkt auswirken.

Der Häusermarkt boomt. Der Einzelhandel profitiert von den Schecks der Corona-Wirtschaftshilfen. Gleichzeitig könnte das von US-Präsident Joe Biden geforderte Infrastrukturpaket noch einmal Billionen in die Wirtschaft pumpen, wenn die Besteuerung von Firmen nicht gegenteilige Folgen hat. Immerhin ist ein Gros der Ausgaben mit Einnahmen der Besteuerung der Großkonzerne gedeckelt, die noch nicht genau fixiert, sondern lediglich angekündigt ist. Experten sehen darin eine Gefahr, denn immer wieder war es etwa Google und Amazon gelungen, aus geplanten Steuernetzen zu schlüpfen.

Eine Reihe von Ökonomen geht davon aus, dass die Notenbank noch in diesem Jahr die Anleihekäufe zurückfahren könnte. Genaueres gab der Fed-Chef nicht bekannt. Er wolle "substanzielle weitere Fortschritte" auf dem Weg zu Vollbeschäftigung und Preisstabilität sehen.

Die Fed hat bei ihrer Strategie vor allem die Amerikaner am unteren Ende der Einkommensspanne im Blick, die von der Pandemie besonders stark getroffen wurden. Für die Gastronomie-Mitarbeiter habe sich die Lage dank der erfolgreich angelaufenen Impfkampagne etwas gebessert, so Powell. Der Fed-Chef geht zudem davon aus, dass nicht alle der 8,4 Millionen verlorenen Arbeitsplätze zurückkommen werden. Das habe unter anderem damit zu tun, dass Unternehmen Arbeitsplätze seit Beginn der Pandemie zunehmend durch Digitalisierung und Automatisierung ersetzt hätten.

Die Preissteigerungen, die sich derzeit abzeichnen, hält Powell für vorübergehend. Die Engpässe bei den Lieferketten würden sich auflösen. Wann sagt er nicht. Die Währungshüter seien jedoch bereit, eine hohe Inflation zu bekämpfen. Was er genau mit "substanziellen weiteren Fortschritten" meint, lässt er offen. Die Fed sei bereit, eine Inflationsrate von über zwei Prozent für eine gewisse Zeit zuzulassen. Doch für wie lange die Preissteigerungen anhalten und wie hoch sie sein dürfen, ist nicht vorgegeben. Inflationsängste beherrschen den Markt.

Ökonomen von Goldman Sachs gehen davon aus, dass die Fed in der zweiten Jahreshälfte einen Strategieschwenk angeht und dann Anfang 2022 damit beginnt, die Anleihekäufe zurückzufahren. Sie erwarten, dass die Notenbank dann in jeder der jährlich acht Sitzungen ihre Anleihekäufe um 15 Milliarden Dollar zurückfährt. Es würde genau ein Jahr dauern, bis die Stützung der Finanzmärkte dann beendet wäre. Somit wäre eine Anhebung der Zinsen Mitte 2023 wahrscheinlich. 

Aus einer Publikation mit dem Titel "Langfristige Inflationsrisiken: Expansive Geld- und Fiskalpolitik" der Deutschen Zentralgenossenschaftsbank, zu der auch die Volks- und Raiffeisenbanken gehören, geht hervor, dass Experten eine höhere Inflation fürchten. Den Grund sehen sie im extrem expansiven Kurs der Notenbanken in den westlichen Industrieländern. Zusätzliches Geld würde im Bankensektor stecken bleiben und hätte dadurch keinen Effekt auf die Verbraucherpreise. Erst wenn es durch mehr Kreditnachfrage in der Realwirtschaft landet, werde es langfristig zu einer höheren Inflation kommen – dafür wäre jedoch ein langanhaltender Konjunkturaufschwung nötig.

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