Das "Autoland" Deutschland soll "Weltspitze beim autonomen Fahren" werden. Ein neues Gesetz, das die Möglichkeiten erweitert, dem selbstfahrenden Fahrzeug mehr Entscheidungen zu überlassen, soll die Entwicklung vorantreiben.
"Damit würde Deutschland der erste Staat weltweit, der Fahrzeuge ohne Fahrer aus der Forschung in den Alltag holt", verkündete das Bundesverkehrsministerium. Diese sollen – wenn es so weit ist – laut dem Gesetzentwurf unter anderem die Verteilung von Briefen oder Dokumenten oder Betriebsshuttles, die den Mitarbeiterverkehr übernehmen. Auch der öffentliche Personennahverkehr gehört zu den Einsatzszenarien.
"Wir wollen jetzt autonome Autos und Busse, die Fahrgäste bedarfsgenau an ihr Ziel bringen – und sich danach selbstständig im Parkhaus abstellen", frohlockte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit Verweis auf die mutmaßlichen Vorteile wie erhöhte Sicherheit auf den Straßen. Der Verband der Automobilindustrie, der die eigene Bedeutung für das Gemeinwesen gern mit dem Stichwort Arbeitsplätze untermauert, auch wenn dabei mitunter volkswirtschaftlich nicht haltbare Kalkulationen genutzt werden, begrüßt den Schritt und meint, er sei gut für den Standort Deutschland.
Volkswagen setzt auf IT und weitet Kooperation mit Microsoft aus
Der Autokonzern Volkswagen, zu dem auch Porsche, Audi und der Lkw- und Bushersteller MAN gehören – wo kürzlich trotz staatlicher Unterstützung für Volkswagen rund 9.500 Stellen gestrichen wurden – konnte zusammen mit der IG Metall Ende Januar für seine neue Software-Sparte einen eigenen Haustarifvertrag verkünden. In der markenübergreifenden Software-Tochter arbeiten mehrere Tausend konzerneigene IT-Fachkräfte zusammen. Hinzukommen soll in den nächsten Jahren weiteres Personal aus Neueinstellungen oder Firmenübernahmen, die beschlossenen Arbeitsbedingungen könnten weitere Talente aus der IT-Branche anziehen.
Am Donnerstag wurde bekannt, dass Volkswagen sich für die Entwicklung von Software für selbstfahrende Autos Microsoft an Bord holt. Microsofts Cloud-Dienste sollen beim Aufbau einer Plattform für Entwickler zum Einsatz kommen, wie die Unternehmen mitteilten. Ziel sei es, durch die Kenntnisse des US-Konzerns im Bereich Cloud Computing und Software Engineering die Bereitstellung von Anwendungen zu beschleunigen, so Volkswagens Softwarechef Dirk Hilgenberg. Dabei geht es um Fahrerassistenzsysteme, automatisierte Fahrfunktionen und letztlich auch um Software-Updates, die übers Internet aufgespielt werden.
Volkswagen und Microsoft kooperieren bereits seit 2018 beim Aufbau einer Cloud-Plattform für den Datenaustausch zwischen vernetzten Fahrzeugen. Der Deal vom Donnerstag bedeutet, dass die Software-Updates in der gleichen Cloud entwickelt werden, die diese Updates dann an die Autos weiterleitet.
In der Praxis sollen damit Autos, die heute zunächst mit ein paar Fahrerassistenzfunktionen auf die Straße kommen, im Laufe der Zeit neue Funktionen hinzufügen könnten, die sie näher an das autonome Fahren heranführen, erklärt Scott Guthrie, Executive Vice President of Cloud and Artificial Intelligence bei Microsoft.
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"Als wir vor 15 oder 20 Jahren unsere Telefone gekauft haben, haben sie sich so gut wie nie verändert. Jetzt erwarten wir jede Woche oder alle paar Tage, dass es lautlos neue Funktionen gibt", sagte Guthrie in einem Interview mit Reuters. "Diese Fähigkeit, das Fahrzeug auf immer reichhaltigere Weise zu programmieren, und das auf eine sichere Art und Weise, verändert die Art und Weise, wie das Erlebnis funktioniert."
Volkswagen erhoffe sich davon unter anderem schnellere Entwicklungszyklen, sagte Hilgenberg. "Es ist eine sehr tiefgreifende Partnerschaft", betonte Microsoft-Manager Scott Guthrie.
"Wir brauchen Partner, die uns beschleunigen können", so Hilgenberg. Er hoffe auch, gemeinsam mit Microsoft Ansätze zu entwickeln, die branchenweit als Standard etabliert und anderen Unternehmen angeboten werden könnten.
VW solle zum Beispiel eigene Software-Werkzeuge auf Basis von Microsofts Diensten aufbauen können. Neben der Datenübertragung bringe der Software-Konzern auch seine Fähigkeiten bei künstlicher Intelligenz mit. Zugriff auf die VW-Daten bekomme Microsoft nicht, betonte Guthrie.
Der Tech-Riese Microsoft hat bisher kein eigenes Autoprojekt. Die Google-Schwesterfirma Waymo und Apple arbeiten an eigener Software zum autonomen Fahren, während Amazon die Roboterwagen-Firma Zoox kaufte. Microsoft wolle nicht mit seinen Kunden konkurrieren, betonte Guthrie. Außerdem habe der Konzern bereits in den 90er-Jahren erkannt, dass Unternehmen, die alles machen wollten, nicht erfolgreich seien.
Volkswagen legte in der von Hilgenberg geführten Firma Car.Software Organisation die Entwicklung künftiger Software für alle Konzernmarken zusammen. Es geht um die ganze Palette von Fahrzeugfunktionen, eine Plattform für Infotainment-Systeme, Fahrwerkstechnologie sowie neue Geschäftsmodelle.
Während die Branche sich auf eine Zukunft einstellt, in der Software die Hauptrolle spielt und ein Auto mit Hintergrund-Updates permanent weiter entwickelt wird, bleiben innerhalb der Regierung bei dem nun vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf Bedenken zum Datenschutz der Autos, die über Position und Route per Satellit Auskunft geben, umstritten.
Bereits im Januar hatte das Bundesjustizministerium die Zustimmung zu Scheuers Entwurf vor allem deswegen verweigert, weil mit dem Gesetz, wie es der Verkehrsminister vorsah, Daten wie Routen auf Anfrage über das Kraftfahrt-Bundesamt an den Verfassungsschutz oder das Bundeskriminalamt übermittelt werden können sollen. Eine entsprechende "Datenübermittlungsregelung" habe das Justizministerium in den Gesetzesplänen von Scheuer identifiziert. Die entsprechenden Vorschriften seien "zu streichen", forderten Beamte des Ministeriums. Eine Sprecherin von Ministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte weiter, dass neben hohen Datenschutzstandards bei Mobilitätsdaten auch klare Haftungsregelungen aus Sicht des Ministeriums zentrale Voraussetzungen seien, um bei Verbrauchern die Akzeptanz für neue Technologien und digitale Dienste im Verkehrsbereich zu schaffen. In der Tat steht Microsoft, wie auch andere Tech-Riesen, immer wieder in der Kritik, seine Marktmacht zuungunsten von Verbraucherschutzregulierung einzusetzen. Im vergangenen Jahr haben Bürgerrechtler die Kooperation im Bereich Schulen seitens Baden-Württemberg mit dem US-Konzern Microsoft kritisiert, weil Daten so auch an die US-Geheimdienste geliefert würden. 20 baden-württembergische und überregionale Organisationen, Verbände und Gewerkschaften, darunter die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW BaWü), schlossen sich zu einem Bündnis gegen Microsoft 365 zusammen und brachten ein Positionspapier auf den Weg.
Die trotz der früh vom Justizministerium geäußerten Bedenken weiterhin offenen Fragen etwa zum Datenschutz sollen nun im parlamentarischen Verfahren geklärt werden. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Der Bundesrat muss noch zustimmen. Scheuer drücke vor der Bundestagswahl noch mal aufs Gas, kommentierte der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic: "Wir brauchen Rechtssicherheit und wettbewerbliche Rahmenbedingungen, um das enorme Potenzial zu heben."
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