An der US-Technologiebörse Nasdaq lässt sich derzeit ein spektakulärer Vorgang beobachten: Kleinanleger verbünden sich in Online-Foren gegen mächtige Hedgefonds – und gewinnen. Börsenexperte Dirk Müller sieht in der aktuellen Situation ein sehr großes Gefahrenpotenzial und prophezeit enorme Kollateralschäden.
Es sei nicht ungefährlich, was hier geschehe. Bei dem aktuellen Fall handele es sich nicht um ein Robin Hood-Phänomen, so Müller. Denn der habe laut Legende von den Reichen genommen, um es den Armen zu geben, wovon in diesem Fall nicht die Rede sein könne.
Der Finanzexperte verweist auf frühere Fälle, die beinahe eine weltweite Finanzkrise ausgelöst hätten, und warnt vor Leerverkäufen von Aktien, die man nicht einmal selbst besitzt:
"Das kann Schäden auslösen, die kann man noch gar nicht abschätzen."
Auch das Wall Street Journal schrieb jüngst von einem "Krieg" zwischen Hedgefonds und Amateurhändlern. Dabei ist GameStop nur ein Extrembeispiel, wie durch niedrige Handelsgebühren, Absprachen in Online-Foren und Youtube-Tutorials in der Pandemie einen Börsenboom ausgelöst wurde.
Kleinanleger-Flashmobs
Aus Sorge vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren die Aktien des Unternehmens noch 2020 bei einem Rekordtief von 2,57 US-Dollar zu haben gewesen. Doch seit Mitte Januar kannten die Papiere trotz teils starker Schwankungen bis zuletzt eigentlich nur noch eine Richtung – steil nach oben. Als maßgeblicher Faktor hinter der Kursrallye gilt ein relativ neues Phänomen am US-Aktienmarkt, bei dem sich massenhaft Kleinanleger in Foren etwa auf den Chat-Plattformen Reddit oder Discord im Stil von Flashmobs zusammentun, um gezielt bestimmte Aktien zu kaufen.
Dank eines nicht zuletzt von der Wertpapierhandels-App Robinhood ausgelösten Preiskriegs zwischen Online-Brokern, der die Gebühren massiv hat sinken lassen, hat sich der Aktienhandel in den USA gerade bei vielen Jüngeren während der Corona-Krise zu einer Art Volkssport entwickelt. Hinzu kommt, dass auch riskantere Transaktionen etwa mit Optionen, bei denen beispielsweise nur Bruchteile des Werts eines Anteilsscheins gehandelt werden, inzwischen viel stärker der breiten Bevölkerung und nicht mehr nur Finanzprofis zugänglich sind.
So gehört etwa GameStop zu den Aktien, die jüngst stark auf der Online-Plattform Reddit diskutiert wurden. Ein Hobby der Community ist es zudem, durch konzertierte Aktionen professionelle Investoren aus dem Markt zu drängen, die auf fallende Kurse spekuliert haben. Bei GameStop kam es zuletzt zu einem regelrechten Kräftemessen mit Hedgefonds, bei dem sich die Kleinanleger zumindest vorerst durchsetzen konnten. Ganz neu ist das Phänomen indes nicht. Bereits seit Jahren gibt es Social-Trading-Plattformen, auf denen sich Nutzer austauschen, um gemeinsam Kaufideen zu entwickeln.
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