DGB macht Bundesregierung auf Folgen der Krise für Arbeitnehmer aufmerksam

Dass die derzeitige Krise nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Arbeitnehmer eine besondere Belastung darstellt, merken tagtäglich Millionen Deutsche. Auch der DGB legt dies nun der Bundesregierung nahe. Zum schiefen Verteilungsprozess melden sich weitere Stimmen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) stemmt sich gegen zu viel Rücksicht auf Unternehmen im Zuge der Corona-Krise auf Kosten der Belange von Arbeitnehmern. "Es ist doch völlig klar, dass die Corona-Krise eine riesige Belastung für die Wirtschaft ist – aber sie ist eine ebenso große Belastung für die Beschäftigten", sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten (Montagausgaben).

Deswegen kann ich nur davor warnen, unter dem Deckmantel der Krise wichtige Pfeiler des Arbeitsschutzes einzureißen und längst überfällige Versprechen über Bord zu werfen.

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Das sogenannte Lieferkettengesetz nannte Hoffmann "längst überfällig". Weiter sagte er: "Die Pandemie hat uns doch vor Augen geführt, wie fragil globale Wertschöpfungsketten sind und wie wenig in der Vergangenheit auf den sozialen Schutz der Arbeitnehmer in diesen Lieferketten geachtet wurde." Gesundheit, existenzsichernde Einkommen und faire Arbeitsbedingungen seien Menschenrechte. "75 Prozent der Menschen in Deutschland sehen das genauso", betonte Hoffmann. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warf er eine "Blockadehaltung" vor.

Um Missstände wie Kinderarbeit und Hungerlöhne zu bekämpfen, sollen mit dem Gesetz deutsche Unternehmen verpflichtet werden, bei ausländischen Lieferanten die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zu garantieren. Dagegen gibt es massive Kritik aus der Wirtschaft. Altmaier fürchtet eine zu große Belastung.

Eine von Teilen der Wirtschaft verlangte Anhebung der Minijob-Grenze von 450 auf 550 Euro im Monat lehnt Hoffmann ab: "Eine Erhöhung der Grenze auf 550 Euro würde Hunderttausende heute noch regulär Beschäftigter in Minijobs drücken. Dabei haben wir in der Corona-Krise doch gesehen, dass Minijobber auf dem Arbeitsmarkt nicht geschützt sind."

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Prekarisierung und Gesundheit – Von der DDR lernen

Die soziale Schieflage bei der Verteilung der Lasten aus der Corona-Krise war auch Thema auf dem Parteitag der sächsischen Linken am Samstag. Durch Folgen drohe die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung.

Die Pandemie habe die "Prekarisierung weiter Teile der Bevölkerung", die soziale Spaltung der Gesellschaft sowie die Untauglichkeit neoliberaler Politik offengelegt, so Parteichefin Susanne Schaper.

Der Markt regelt eben kein gutes Gesundheitssystem. Der Markt regelt nicht, dass Breitband als Voraussetzung für digitales Arbeiten zum Beispiel im Homeoffice überall verfügbar ist. Der Markt regelt nicht, dass alle gut durch die Krise kommen. Und der Markt sorgt auch nicht dafür, dass ein Impfstoff am Ende für alle Menschen überall auf der Welt verfügbar ist.

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Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) kritisierte als Gastredner ebenfalls den Verteilungsprozess und betonte, dieser müsse wieder mehr in den Fokus rücken. Wenn man das Wort Umverteilung in den Mund nehme, werde man schnell als Kommunist bezeichnet, dabei könne man das auch christlich nennen.

Er kritisierte weiterhin, dass viele soziale Themen nie gesamtdeutsch diskutiert worden sind. So wären beispielsweise Polikliniken und das System der Gemeindeschwestern auf dem Lande, die sich auch um soziale Belange gekümmert hätten, im Gegensatz zu einer an Börsenkursen und Börsenerträgen orientierten Gesundheitsvorsorge – möglicherweise gute Antworten für ganz Deutschland gewesen.

Grundsicherung könnte schließlich noch schlechter sein

Der Vorstandschef der Bundesagentur (BA), Detlef Scheele, hingegen sieht jegliche Forderungen nach einer der Situation angepassten Grundsicherung als nicht notwendig, da viele Länder noch schlechtere Regelungen hätten, gestand aber selbst ein, dass die zum kommenden Jahr geplante Erhöhung sehr dünn ist.

"Im europäischen Vergleich ist das – wenn man von Skandinavien absieht – eine großzügige Regelung", sagte Scheele den Zeitungen der Funke Mediengruppe in den Sonntagsausgaben. Er verwies zugleich darauf, dass der Regelsatz zum 1. Januar 2021 um 14 Euro auf 446 Euro steigen soll. Das sei zwar mager, aber man müsse auch immer sehen, dass es eine Gruppe geben müsse, die das bezahle.

Auch sei die Systematik darauf ausgerichtet, die Grundsicherung wieder zu verlassen. "Ich kann mir keine Grundsicherung vorstellen, die ein auskömmliches Leben ermöglicht, wie es jemand hat, der arbeiten geht. Das würde man auch als ungerecht empfinden", sagte Scheele. Die Lösung für Familien in Hartz IV sei nicht, dass mehr Geld vom Staat draufgelegt werde. "Sondern vor allem, dass es gelingt, dass die Eltern wieder arbeiten gehen."

Mit dem Gesetzentwurf zur Anhebung der Hartz IV Sätze hatte sich der Bundestag am vergangenen Mittwoch in erster Lesung befasst. Linke-Parteichefin Katja Kipping warf der Regierung in der Debatte vor, die Bedarfe kleinzurechnen.

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