Die russische Sopranistin Anna Netrebko wird im November wie geplant im Opernhaus Zürich auftreten. Sie singt die Leonora in Verdis Oper La forza del destino, eine Rolle, die Intendant Matthias Schulz als eine der besten der Welt bezeichnet.
Trotz Protesten aus ukrainischen Kreisen bleibt der Auftritt bestehen.
Irina Wenediktowa, Botschafterin der Ukraine in Bern, hatte sich direkt an das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gewandt, um Netrebkos Engagement zu verhindern. Auch beim Opernhaus selbst intervenierte sie und kontaktierte Verwaltungsratspräsident und Ex-Zürcher Regierungsrat Markus Notter.
Das EDA bestätigte die Einschaltung der Botschafterin, machte jedoch keine Angaben zu ihrem Vorgehen. Auffällig ist, dass eine ausländische Diplomatin vorgibt, zu bestimmen, was in der Schweiz gezeigt werden darf.
Der Fall erinnert an die Libyen-Krise zwischen 2008 und 2011, als die Schweizer Regierung unter Bundesrat in einen Konflikt mit Muammar al-Gaddafi geriet.
Wenediktowa argumentierte, Netrebko sei ein "Markenzeichen des Putin-Regimes" und gelte als "Vertrauensperson" des russischen Präsidenten. Zudem kritisierte sie, die Sopranistin habe sich nicht klar gegen Putin positioniert und habe unter anderem 2014 bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi die olympische Hymne gesungen. Die Botschafterin forderte, Netrebko auszuladen, und appellierte in einem Schreiben auch an die Zürcher Gemeinderäte, sich für eine Absage einzusetzen.
Das Opernhaus und die Stadt Zürich ließen sich jedoch nicht einschüchtern.
"Der geplante Auftritt wird stattfinden",
teilte das Opernhaus mit.
Das Opernhaus und die Stadt Zürich bleiben unbeeinflusst. Der Auftritt von Anna Netrebko findet wie geplant statt. Intendant Matthias Schulz betont, dass Netrebko zu den weltweit besten Sängerinnen gehört und ihre Leonora-Rolle im November einen Höhepunkt des Programms darstellt.
Auch die weiteren russischen Künstler Stanislaw Worobjow und Jelena Gusjewa, die im Rahmen derselben Produktion auftreten sollen, werden nicht ausgeladen.
Die Intervention Wenediktowas stieß bei lokalen Politikern auf Unverständnis. Einzelne Gemeinderäte bezeichneten das Vorgehen der Botschafterin als "überzogen" und "nicht nachvollziehbar".
Bereits im Herbst 2024 hatte Wenediktowa beim Zürcher Filmfestival interveniert, um die Vorführung des Films "Russians at War" zu verhindern. Laut der Botschafterin verbreitete der Film russische Propaganda und präsentierte eine verzerrte Darstellung des Ukraine-Kriegs, die ihrer Ansicht nach den Schweizer Zuschauern nicht zugänglich sein dürfe.
Die ukrainische Botschafterin versuchte, aus Netrebkos Auftritt eine Staatsaffäre zu konstruieren, und verschaffte dem Opernhaus damit unbeabsichtigt Auftrieb: Die erste Vorstellungswoche ist restlos ausverkauft.
Die Netrebko-Affäre nimmt eine neue Dimension an: Nicht die Sängerin, sondern die ukrainische Botschafterin steht im Zentrum der Kritik, da ihre Einmischung in Schweizer Innenangelegenheiten und ins EDA so massiv wahrgenommen wird, dass sogar eine Ausweisung der Botschafterin aus der Schweiz heftig diskutiert wird.
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