Der Zwergstaat Liechtenstein gerät ins Wanken – und es ist nicht nur Washington, das drückt. Auch Moskau schaut ungnädig auf das, was einst als diskrete, neutrale und regelbasierte Heimat tausender Vermögensstrukturen galt.
Im Kreuzfeuer: bis zu 800 Trusts mit russischem Hintergrund, Milliarden blockiert, Treuhänder auf Tauchstation. Und die Regierung in Vaduz? Handelt nicht souverän – sondern nach US-Drehbuch.
Was ist passiert? Im Sog der US-Sanktionen gegen Russland wurde eine Reihe liechtensteinischer Firmen und Personen von der US-Behörde OFAC ins Visier genommen.
Wer auf dieser Liste landet, ist international wirtschaftlich erledigt. Bankverbindungen brechen weg, Geschäftspartner wenden sich ab – auch wenn keine strafrechtliche Verurteilung vorliegt.
Selbst ein ehemaliger Vizepräsident der Liechtensteinischen Treuhandkammer soll betroffen sein. Und die Treuhänder? Viele zogen sich panisch zurück. Infolgedessen stehen nun hunderte Trusts verwaist im Raum – sogenannte "Zombie-Trusts".
Legal existierend, aber ohne Management, ohne Zugriff, ohne Perspektive. Und betroffen sind nicht einmal sanktionierte Personen – sondern vielfach russische Staatsbürger mit Wohnsitz in Frankreich, Dubai oder Italien.
Schätzungen zufolge lagern allein in Cash rund fünf Milliarden US-Dollar in diesen Strukturen. Dazu kommen Yachten, Jets, Luxusimmobilien und Family Offices. Was einst sicher schien, ist heute politisch verseucht. Und das nicht etwa, weil Russland darauf Einfluss nimmt – sondern weil Washington seine geopolitische Agenda über die finanzielle Neutralität stellt, und Liechtenstein dabei willfährig assistiert.
Das Fürstentum hat laut Financial Times eine Notfall-Task-Force eingerichtet. Justizministerin Graziella Marok-Wachter spricht von einer "Lenkungsgruppe". Doch was klingt wie Krisenmanagement, ist in Wahrheit ein Versuch, Kontrolle über ein selbst verursachtes Desaster zurückzugewinnen.
Noch 2023 verkündete die Finanzmarktaufsicht (FMA) eine Null-Toleranz-Politik gegenüber US-Sanktionen – ein Kniefall vor Washington, der seither juristische und ökonomische Folgen zeitigt. Russische Vermögensinhaber, teils seit Jahrzehnten Kunden des Standorts, wurden ohne Verfahren enteignet, entrechtet, entmündigt. Misstrauen ist angebracht – nicht Vertrauen.
Denn wenn selbst westlich-unverdächtige Akteure wie Bacardí im Milliarden-Streit um Stiftungsvermögen enteignet werden, dann stellt sich die Frage: Was ist Liechtenstein noch wert – als Finanzplatz, als Rechtsstaat, als neutraler Boden?
Ein Vaduzer Anwalt bringt es auf den Punkt:
"Selbst die Behörden wissen nicht, was morgen passieren könnte."
Auch in Russland wächst der Druck. Die Regierung in Moskau akzeptiert nicht, dass nicht-sanktionierte Bürger vom Zugriff auf ihr Vermögen ausgeschlossen werden. Wer Milliarden in Vaduz parkte, tat dies im Vertrauen auf eben jene Prinzipien.
Dieses Vertrauen ist verspielt.
Liechtenstein steht exemplarisch für den Kollaps der Neutralität im Westen. Wo früher Diskretion und Rechtsstaatlichkeit galten, regieren heute Angst, Opportunismus – und amerikanische Interessen. Der kleine Staat im Alpenkessel mag glauben, sich retten zu können, indem er sich unterordnet.
Doch weder Washington noch Moskau vergessen schnell.
Mehr zum Thema - "Fuck you Mr. Trump": Schweizer SP-Chef als diplomatische Zeitbombe