Vor drei Wochen durchsuchten Zürcher Ermittler die Redaktion und Privaträume eines Journalisten. Der Vorwurf: mutmaßliche Verletzung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit der Affäre Pierin Vincenz. Die Staatsanwaltschaft ließ Laptop, Mobiltelefon, Notizbücher und weitere Unterlagen beschlagnahmen. Der betroffene Journalist ließ alles versiegeln.
Nun liegt das Urteil des zuständigen Zwangsmaßnahmengerichts vor – und es fällt unmissverständlich aus. Die Richterin wies sämtliche Anträge auf Entsiegelung zurück. Eine Auswertung der Unterlagen sei unzulässig, weil es an einem hinreichenden Tatverdacht fehle. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen derart tiefen Eingriff in die Pressefreiheit seien nicht gegeben.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hatte sich auf ein Gutachten der Bank Julius Bär gestützt, das unter dem Projektnamen "Van Gogh" erstellt wurde. Darin spekulierten beauftragte Anwälte, dass interne Dokumente der Bank Grundlage für frühere Recherchen des Journalisten gewesen sein könnten. Doch das Gericht hielt fest: Weder dieses Gutachten noch die restlichen Untersuchungsakten reichten aus, um den Vorwurf einer Bankgeheimnisverletzung zu stützen.
Die Richterin stellte klar, es bestehe "kein auch nur ansatzweise hinreichender Tatverdacht". Damit war für sie die zentrale Schwelle verfehlt, die eine Durchbrechung des Quellenschutzes rechtfertigen würde.
Besonders ausführlich äußert sich das Gericht zur Frage der Verhältnismäßigkeit. Der Quellenschutz sei durch die Bundesverfassung sowie durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert. Beide Rechtsgrundlagen stellten sicher, dass Medienschaffende Missstände ohne staatliche Einschüchterung aufdecken könnten.
Zwar gelte dieser Schutz nicht absolut – etwa dann, wenn Journalisten selbst beschuldigt werden. Doch auch in solchen Fällen sei eine sorgfältige Interessenabwägung erforderlich. Und genau diese spreche hier eindeutig gegen eine Entsiegelung.
In ihrer Begründung würdigt die Richterin ausdrücklich die Arbeit des betroffenen Journalisten. Dieser habe mit seiner Berichterstattung über die Rolle zweier Großbanken im Fall Vincenz erstmals Hinweise auf mögliches Fehlverhalten geliefert. Die nachfolgenden Strafverfahren hätten breite öffentliche Relevanz gehabt – insbesondere angesichts des Vertrauens in den Finanzplatz Schweiz.
Die Publikation habe dem Gemeinwohl gedient. Es wäre daher nicht vertretbar, die journalistische Berufsausübung strafrechtlich höher zu gewichten als eine bislang unbelegte Bankgeheimnisverletzung.
Die fraglichen Datenträger und Unterlagen bleiben versiegelt und sind dem betroffenen Journalisten zur Rückgabe zu prüfen. Zudem erhält dieser eine Entschädigung von 2.200 Franken aus der Gerichtskasse.
Ob die Zürcher Staatsanwaltschaft den Entscheid ans Bundesgericht weiterzieht, ist offen. Sicher ist hingegen: Das Urteil setzt einen klaren Kontrapunkt zu einem zunehmend repressiven Umgang mit Journalisten.
Die Justiz hat eine Grenze markiert – nicht zugunsten Einzelner, sondern im Interesse der Öffentlichkeit.
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