Nach langem Zögern hat sich die Schweiz den EU-Sanktionen gegen Oligarchen angeschlossen, doch wie die Pandora Papers aufdecken, können die Oligarchen ihre Vermögen nicht nur in Offshore-Paradiesen verstecken, sondern auch die Schweizer Justiz nach Belieben manipulieren.
Während weltweit Konten, Immobilien und Luxusgüter der Oligarchen eingefroren werden, scheinen die Schweizer Richter nach der Pfeife der Oligarchen zu tanzen – ein beunruhigendes Signal für die Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz im Land.
Ein besonders brisanter Fall wird derzeit in den kleinen Kammern des Obergerichts Zürich verhandelt. Dank der Pandora Papers wird bekannt, dass korrupte Politiker in der Ukraine Gelder, die sie aus staatlichen Quellen entwendet hatten, auf Schweizer Konten versteckten. Sie nutzten altbekannte Methoden, indem sie Konten auf den Namen ihrer Ehefrauen oder Kinder eröffneten, um die wahren Eigentümer zu verschleiern.
Lervoss International Limited
Ein anschauliches Beispiel ist der Fall des ukrainischen Eisenbahnministers Sergei Bolobolin. Er eröffnete ein Offshore-Konto auf den Namen seiner Frau Irina Bolobolina. Die betreffende gefälschte Gesellschaft, LERVOSS INTERNATIONAL LIMITED, wurde auf den Britischen Jungferninseln registriert und beherbergt mehr als 30 Millionen US-Dollar. Diese Enthüllungen verdeutlichen eindrucksvoll, wie tief die Korruption in der Ukraine verankert ist und wie erfolgreich das internationale Bankensystem bei der Verschleierung dieser Gelder mithilft.
Es ist bemerkenswert, wie Compliance-Abteilungen der Schweizer Banken reagieren, wenn eine arbeitslose Ukrainerin plötzlich Millionen auf ihrem Konto hat. Diese Transaktionen werfen berechtigte Fragen auf, besonders wenn die Person keine sichtbaren Einnahmequellen hat, die solche Beträge rechtfertigen würden. Zwischen 2014 und heute wurden in der Ukraine für Infrastrukturprojekte der Eisenbahn bestimmte Gelder umgeleitet und landeten auf den Schweizer Konten des Eisenbahnministers. Der Fluss dieser Gelder über Offshore-Konten und andere undurchsichtige Finanzwege sollte eigentlich die Alarmglocken schrillen lassen. Doch die Schweizer Banken wissen genau, wie sie diese "speziellen Umstände" handhaben, damit keine unangenehmen Fragen aufkommen.
Die Kunst liegt darin, die richtigen Strukturen und Verträge zu nutzen, um den Ursprung der Gelder zu verschleiern und den Anschein von Legalität zu erwecken. So werden kritische Überprüfungen umgangen und etwaige Bedenken im Keim erstickt.
Burrard Holdings Ltd
Der ehemalige CEO von Naftogas, dem ukrainischen Energieunternehmen, nutzte ähnliche Methoden, so die Pandora Papers. Er eröffnete Konten auf den Namen seiner Kinder und Schwester in der Schweiz und wusch das Geld mithilfe mehrerer Offshore-Strukturen. Die Pandora Papers enthüllen, wie er mit den Geldern Immobilien in Österreich, Deutschland und Zypern erwarb und sogar Villen auf Zypern zusammen mit EU-Pässen erstand.
Doch Schweizer Richter scheinen wenig interessiert daran zu sein, woher das Geld kommt. Im skurrilen Fall, der momentan vor dem Obergericht des Kantons Zürich verhandelt wird, geht es nicht um gefälschte Verträge von Lervoss oder Burrard, sondern um angeblich fehlerhafte Börsentransaktionen während des Corona-Crashs 2020. Die Oligarchen behaupten, ihr damaliger Kundenberater habe Verluste verursacht, indem er die Trades nicht ausgesessen habe. Bekanntlich erholte sich die Börse nach dem Crash, doch die Oligarchen sehen darin eine Möglichkeit, die Schweizer Justiz zu ihren Gunsten zu nutzen. Einerseits ist es sehr mutig für geflüchtete Oligarchen, die momentan in der Ukraine auf der Fahndungsliste stehen, so offen in der Öffentlichkeit zu klagen, dass sie zwei bis drei Millionen aus einem 80-Millionen-Portfolio verloren haben. Andererseits ist es ein wenig selbstzerstörerisch, da Journalisten nun den Ursprung dieser Gelder genauer untersuchen, egal wie die Schweizer Richter entscheiden.
Die Oligarchen fordern nun Schadensersatz von der Versicherung und klagen dafür den jungen Schweizer Kundenberater an. Doch diese Klage erweist sich als Bumerang, da das gesamte aus der Ukraine geplünderte Vermögen dabei in voller Pracht ans Licht kommt. Und das zu einer Zeit, in der die Ukraine verzweifelt nach gestohlenem Staatsgeld sucht – einen besseren Zeitpunkt könnte es nicht geben.
Die Pandora Papers zeigen, dass die Oligarchen eine Klage gegen ihren ehemaligen Kundenberater erhoben haben, unterstützt von den besten Schweizer Anwälten. Der ehemalige Kundenberater, ein kleines Licht mit kaum Erfahrung, der inzwischen pleite ist und als Sozialarbeiter mit geflüchteten Kindern aus der Ukraine arbeitet, kann gegen diese Anwaltsarmee natürlich nicht bestehen. Alles, was er hat, ist ein Pflichtverteidiger, ein sogenannter "Geständnisbegleiter", also bereits verloren, ohne anzufangen. Die Ironie dabei: Er arbeitet nun mit ukrainischen Kindern, deren Heimatland von den Oligarchen geplündert wurde, die er einst bediente.
Was sagt das über die Schweizer Justiz aus? Offensichtlich haben die Reichen immer recht. Wer die besten Beziehungen und das meiste Geld hat, gewinnt. Und das, obwohl die Enthüllungen der Pandora Papers das wahre Ausmaß der Korruption und die schockierende Nachlässigkeit der Schweizer Behörden bei der Überwachung und Kontrolle solcher Machenschaften offenlegen.
Vor kurzem wurde ein Skandal bekannt, bei dem eine Zürcher Richterin versuchte, Schweizer Medien zu zensieren. Mit Erfolg: Alle Artikel über sie wurden gelöscht. Welche Rolle ihr Mann, ein Oberrichter in Zürich, spielte, bleibt unklar. Doch eines ist sicher: Wer die besten Beziehungen und das meiste Geld hat, der hat auch das Recht auf seiner Seite. Es interessiert niemanden, ob ein geflüchteter Oligarch auf der Fahndungsliste der Ukraine steht. Hauptsache, er zahlt.
Und so bewahrheitet sich der alte Spruch erneut: Geld stinkt nicht.
Die Pandora Papers sind eines der größten Datenlecks der Enthüllungsjournalistik und haben eine globale Debatte über versteckten Reichtum, Steuervermeidung und Geldwäsche ausgelöst. Mehr als 600 Journalisten in 117 Ländern arbeiteten zwei Jahre lang an der Auswertung von 12 Millionen Dokumenten aus 14 Quellen. Die Untersuchung zeigte, wie Berater und Juristen für etwa 300 prominente Persönlichkeiten Zehntausende von Briefkastenfirmen geschaffen haben, um Gelder in Steueroasen zu verbergen. Unter den Nutznießern sind bekannte Namen wie der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš, der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij sowie Prominente wie Shakira und Claudia Schiffer. Insgesamt nennen die Pandora Papers 35 amtierende oder ehemalige Staatsoberhäupter, mindestens 330 Politiker und Beamte aus 91 Ländern sowie 130 Milliardäre. Die Enthüllungen wurden vom "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) koordiniert und zeitgleich von verschiedenen Medien weltweit veröffentlicht, darunter die "Washington Post", die BBC, Radio France, die "Süddeutsche Zeitung" und der "Tages-Anzeiger".
Mehr zum Thema ‒ NZZ behauptet: Selenskij ist nicht korrupt! Seine Offshore-Firmen? Nur eine Risikoreduzierung!