Russlands Überhorizont-Radarstationen (OTH-Radar) des Typs "Podsolnuch" (dt.: Sonnenblume) befinden sich – neben Fernost Russlands und am Kaspischen Meer – nunmehr auch an der Ostsee im Einsatz. Dies gab Kirill Makarow bekannt, Leiter des NPK NIIDAR (Wissenschafts- und Forschungsinstitut für Langstrecken-Funkkommunikation) in Moskau, wo diese Systeme entwickelt wurden. Makarow erklärte in einem Interview mit RIA Nowosti:
Wir bauen Oberflächenwellenradare zur Früherkennung von Schiffen und Flugobjekten. Das sind Radarstationen vom Typ 'Sonnenblume'. Sie sind bereits in Betrieb und überschauen drei Richtungen – von Russisch Fernost, vom Kaspischen Meer auswärts und ins Baltikum hinein. Darüber hinaus erkunden wir neue Wege wie ... verwandte Technologien mit elektromagnetischer Strahlung im Terahertz-Frequenzbereich.
Dieses Radarprinzip ist in der Lage, Luft- und Oberflächenziele außerhalb des üblichen Radarhorizonts (also der maximalen Entfernung für normale Radare) zu erkennen und zu verfolgen. Der Clou: Selbst wenn die Zielobjekte passive Tarntechnologien einsetzen, werden sie mit annähernd derselben Reichweite geortet wie gewöhnlich Flugobjekte auch. Diese Reichweite beträgt laut der NIIDAR-Webseite – bei der Exportversion – bis zu 500 Kilometer für Fluggeräte in einer Flughöhe von mindestens drei Metern und bis zu 400 Kilometer für Seeziele – je nach Größe. Die Systeme können bis zu 200 Oberflächen- und 100 Luftziele gleichzeitig verfolgen und Luftraum und Gewässer in einem Azimut-Winkel von 120° überwachen. Die Leistungsdaten der Versionen für das eigene Militär unterliegen der Geheimhaltung.
Im Jahr 2013 wurde die erste "Podsolnuch"-Radarstation von der Kaspischen Flottille in Dienst gestellt und hat seit dem Jahr 2014 an einer Reihe von militärischen Übungen teilgenommen. Im August 2018 wurde im Rahmen einer Übung der Flottille eine neue Taktik namens "Die Wand" getestet, die es ermöglicht, den Bereich der Zielerfassung noch zu erweitern. Der Pressedienstleiter des Südlichen Militärbezirks Wadim Astafjew erklärte:
Eine spezielle Methode für den Formationenaufbau von Schiffen und Flugzeugen der Aufklärungs- und Kampffliegerei, verbunden mit den Fähigkeiten der küstengebundenen Ortungsmittel – des Überhorizont-Oberflächenwellenradars "Sonnenblume-E" – und der Flugabwehrraketensysteme "Buk-M3", ermöglicht es, die Ortungsreichweite für tieffliegende Ziele deutlich zu erhöhen.
Wie Experten feststellen, geben diese und andere neue Radarsysteme Russland einen Vorteil bei der Früherkennung möglicher Angriffe.
So plant – laut Makarow – das Forschungsinstitut bis Ende des Jahres auch die Übergabe des ersten Exemplars der Überhorizont-Radaranlage des Typs "Container" an die russischen Streitkräfte:
Diese Radarstation nutzt das Phänomen der Reflexion von Radiowellen im Dekameter-Frequenzbereich durch die Ionosphäre (Anm.: in Russland trägt dieses Phänomen den Namen Kabanow-Effekt). Doch dieses Radar hat einen sogenannten "blinden Fleck" von 900 Kilometer Breite. Daher wurde beschlossen, die Radarstation im Landesinneren aufzubauen, um so mit der Station aus sicherer Entfernung den Luftraum der Nachbarländer überwachen zu können.
Außerdem laufen Arbeiten an Systemen, die in der Lage sein werden, Flugdrohnen aus Kunststoff oder Holz zu erkennen, so Makarow weiter:
Jedes Material bietet eine effektive Streuoberfläche – selbst wenn es aus Holz ist, selbst wenn es aus Kunststoff besteht. Was wir entwickeln, wird es uns ermöglichen, auch solche Drohnen zu erkennen.
Unüberwindbares Luftverteidigungssystem
Diese Entwicklungen ermöglichen, ein effektives und zusammenhängendes Luft- und Weltraumverteidigungssystem aufzubauen, erklärte Igor Korottschenko, Chefredakteur der Zeitschrift Nazionalnaja Oborona (dt.: Nationale Verteidigung):
Alle diese Entwicklungen zielen darauf ab, in Russland ein zuverlässiges Luft- und Weltraumverteidigungssystem zu erschaffen. Natürlich liefern Radare die Primärinformationen. Daher bieten neue Entwicklungen in der Radartechnologie Russland eine Reihe von entscheidenden Vorteilen bei der Früherkennung möglicher Raketen- und Drohnenangriffe und der Zielerfassung für Flugabwehrsysteme zwecks Bekämpfung solcher Angriffe.
Laut Korottschenko setzt die Flugabwehr am russischen Militärflugplatz Hmeimim in Syrien Radaranlagen ein, die nach ebendiesen Prinzipien funktionieren. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Einrichtung wiederholt von Terrormilizen angegriffen wurde, die hierfür selbstgebaute Flugdrohnen verwendeten. So schossen die russischen Flugabwehrsysteme allein in den letzten zwei Jahren dort eine riesige Anzahl 118 unbemannter Fluggeräte ab, gab Generalmajor Igor Konaschenkow, offizieller Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums, im September bekannt:
Terroristen versuchten wiederholt, das Flugabwehrsystem des Militärflugplatzes Hmeimim zu durchbrechen. Apropos Zahlen: In zwei Jahren wurden 118 unbemannte Fluggeräte terroristischer Gruppierungen zerstört, darunter 58 Drohnen allein seit dem 1. Januar dieses Jahres.
Korottschenko betonte, dass einige der russischen Luftabwehrsysteme auch zur Zielerfassung für andere Abwehrsysteme dienen können, um solche Ziele sofort zu erkennen und mit anderen, dafür am besten geeigneten Mitteln zu zerstören. Der Analytiker stellte fest:
Deshalb sind wir heute sowohl bei Radar- als auch Flugabwehrraketensystemen führend. Und die neuen Daten bestätigen, dass diese Arbeit systematisch, konsequent und zielgerichtet erfolgt.
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