Beim UN-Gipfel am 10. und 11. Dezember 2018 im marokkanischen Marrakesch soll der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ (GCM) unterzeichnet werden. Erst spät gelangte die Thematik um Inhalt und Sinn des Abkommens in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Länder wie Österreich, Ungarn, Bulgarien, aber auch die Schweiz, die USA, Kanada, Japan und Israel kündigten derweil bereits an, das Abkommen nicht zu unterzeichnen. Dieser Schritt wird begründet mit der Furcht vor einem Verlust "staatlicher Souveränität" in der Einwanderungspolitik und einem Verschwimmen der Unterschiede zwischen legaler und illegaler Migration.
Im entsprechenden Dokument wird zwar festgehalten, dass der Pakt rechtlich nicht bindend sei, dennoch treibt etwa Österreich die Sorge um, das der Pakt durch die Hintertür, etwa des Völkergewohnheitsrechts, doch einen rechtlich bindenden Status erlangen könnte.
Die deutschen Regierungsparteien betonten derweil ein ums andere Mal, dass diese Befürchtung unbegründet sei:
Nein. Der Pakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag. Er ist rechtlich unverbindlich. Seine politischen Vorgaben erfüllt Deutschland grundsätzlich bereits. Sie stehen im Einklang mit den Zielen, die die CDU im Koalitionsvertrag durchgesetzt hat", heißt es etwa auf den Internetseiten der CDU.
Das Thema treibt erneut nicht nur einen Keil zwischen die EU-Mitgliedsstaaten, sondern auch in die jeweiligen Bevölkerungen. Die Fronten scheinen verhärtet. Nun richtet sich der Blick von Gegnern und Sympathisanten des Pakts auch auf Russland. Dies vor allem auch in Anbetracht der Annahme, dass der Kreml vermeintlich Interesse an einer weiteren Spaltung der EU-Staaten hätte und daher bewusst unter anderem Ängste vor Migranten schüre. Innerhalb der Russischen Föderation erregt der Migrationspakt jedoch bei weitem nicht die Aufmerksamkeit, die ihm etwa hierzulande zuteil wird.
Dies mag darin begründet liegen, dass Russland nicht zu den klassischen Zielländern für Migranten, etwa aus dem Nahen Osten, zählt. Daher hält sich auch die öffentliche und politische Debatte in überschaubaren Grenzen. Dennoch partizipierte die Russische Föderation aktiv an der Ausgestaltung des Migrationspakts, dessen Tragweite und Implikationen für die internationale Ordnung der russischen Regierung durchaus bewusst sind.
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Es ist festzuhalten, dass Moskau das Migrationsabkommen grundsätzlich begrüßt. Dies geht bereits aus den Worten des russischen Repräsentanten bei International Dialogue on Migration, Alexej Akdschigitow, vom März 2018 hervor.
Tatsächlich kann der Global Compact zu einem expliziten Ausdruck erfolgreicher gemeinsamer Anstrengungen im Bereich der Migrationssteuerung werden. Die Russische Föderation ist aktiv in den Verhandlungsprozess eingebunden", erklärte Akdschigitow.
Trotz eines demnach "massiven" Anstiegs der Anzahl an migrantischen Gastarbeitern, aber auch Flüchtlingen in Russland, biete die Migration für Russland auch Positives.
Migranten, die in Russland arbeiten, tragen in hohem Maße zu vielen Bereichen unserer Wirtschaft bei und beeinflussen die Entwicklung der Infrastruktur positiv", fügte der russische Repräsentant hinzu.
Aus den folgenden Worten spricht jedoch auch Sorge über die konkrete Ausgestaltung des Migrationspakts:
Die Reaktion auf aktuelle Migrationsherausforderungen erfordert in erster Linie die Prävention und friedliche Beilegung von Konflikten, die der Hauptgrund für Zwangsvertreibungen sind.
Diesen Standpunkt vertrat am vergangenen Donnerstag auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums Marija Sacharowa. Auch sie unterstreicht die grundsätzliche Relevanz des globalen Migrationspakts "auf dem Weg, hin zu einer langfristigen, umfassenden und internationalen Zusammenarbeit, um die Migrationsströme zu regulieren und die Koordinierung zwischen den Staaten in Bezug auf Migranten und die Mobilität der Menschen zu stärken".
Russland begrüßt die Verabschiedung des Globalen Migrationsvertrags", konkretisiert Sacharowa den russischen Standpunkt.
Doch laut der Diplomatin gebe "es nach wie vor einige Fragen, die beunruhigend" seien und die demnach ausgeräumt werden sollten, um dem Anspruch des Migrationspakts auch die notwendige Substanz und Glaubwürdigkeit zu verleihen. So beanstandet die russische Regierung die Klausel, in der von einer "gemeinsamen Verantwortung" der Unterzeichnerstaaten die Rede ist. Insbesondere die Formulierung einer "geteilten Verantwortung" mit der man sich "den Herausforderungen und Chancen der Migration in all ihren Dimensionen" zu stellen habe, erregte die Aufmerksamkeit Moskaus (Präambel Punkt 11./14.).
Dies halte man, so Sacharowa, "für einen Versuch, die Verantwortung teilweise auf andere abzuschieben, weil die aktuelle schwierige Migrationssituation großenteils aus der verantwortungslosen Einmischung in innere Angelegenheiten der Nahost- und Nordafrika-Länder resultiert".
In diesem Zusammenhang sollten die Länder, die sich an dieser Einmischung intensiv beteiligten, die größte Verantwortung übernehmen, unter anderem für die Folgen der Migration", erläutert die Diplomatin.
Die offensichtlich umstrittene Thematik der Verantwortung innerhalb des Abkommens werten einige Beobachter als einen der möglichen Gründe, warum etwa Washington die Unterschrift unter dem Migrationspakt verweigert.
Nicht überzeugt ist die russische Regierung auch von der Würdigung der Themen Klimawandel und Naturkatastrophen im Migrationspakt. Bislang gebe es zumindest keine "zuverlässigen" wissenschaftlichen Daten, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Migrationsbewegungen und den Folgen des Klimawandels und der wichtigen Rolle von Umweltfaktoren herstellen würden.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums greift schließlich auch die Sorge um den Verlust oder eine Einschränkung der souveränen Entscheidungshoheit Russlands zu Fragen der Migration auf.
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Die Pressesprecherin erklärt, man gehe davon aus, dass es sich bei dem globalen Migrationsabkommen nicht um ein "juristisch verpflichtendes Dokument", sondern vielmehr um eine "politische Deklaration" handele, an der sich die Unterzeichnerstaaten unter Wahrung ihrer "nationalen Prioritäten" orientieren könnten.
Anders als die offensichtlich zunehmende Zahl der Staaten, die das Dokument in seiner Gänze ablehnen, strebe die Russische Föderation einen differenzierten Ansatz an. So erläutert Sacharowa, dass die russische Regierung bei der Verabschiedung des Globalen Migrationspakts auftreten und parallel, unter Berücksichtigung der erläuterten Kritikpunkte, eine "entsprechend zu interpretierende Erklärung" beifügen werde.