Am Anfang der Sendung kamen der "Neustart" in den russisch-amerikanischen Beziehungen und der berüchtigte "Reset"-Knopf ins Gespräch, den die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton im März 2009 Sergei Lawrow überreicht hatte. Bekanntlich hatte das russische Wort für den "Neustart" einen Fehler enthalten, der den "Neustart" in eine "Überlastung" verwandelt hatte. Der Moderator und Politologe Wjatscheslaw Nikonow fragte den russischen Chefdiplomaten, ob das tatsächlich ein Fehler gewesen war oder ob das State Department schon damals die jetzige Krise quasi vorausgeahnt hatte. Der Minister zeigte sich sicher, dass dies ein Versehen der zuständigen Personen gewesen war. Letzten Endes sei das englische Wort korrekt gewesen. Barack Obamas Administration habe aufrichtig gewünscht, ihre Beziehungen zu Moskau zu verbessern.
Erste Kontakte mit Hillary Clinton seien konkret und inhaltsreich gewesen. Sergei Lawrow wies auch darauf hin, dass die damalige Tagesordnung mit dem Nahen Osten im Mittelpunkt der heutigen sehr geähnelt habe. Zu einer der Errungenschaften jener Periode zählte der Minister den New-START-Vertrag zur Verringerung strategischer Atomwaffen.
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Der erste ‚Ausrutscher‘ der Administration Barack Obamas passierte nach einem Fall, den ich nicht einmal auf die Tagesordnung der großen Politik gesetzt hätte. Das ist der Fall Edward Snowden", sagte der russische Diplomat.
Als sich Russland geweigert hatte, den Whistleblower - dem Sergei Lawrow zufolge in seiner Heimat die Todesstrafe gedroht habe - an die USA auszuliefern, hatte der damalige US-Präsident Barack Obama den für das Jahr 2012 geplanten Besuch in Moskau abgesagt und sich lediglich mit der Teilnahme am G20-Gipfel in Sankt Petersburg begnügt.
Ich glaube, die Vorsätze waren aufrichtig, aber sie hätten es nötig gemacht, mit uns auf Augenhöhe zu sprechen und zusammenzuarbeiten. Und nachdem die Amerikaner verinnerlicht hatten, dass sie mit uns nicht auf Augenhöhe sprechen möchten und uns stattdessen ihre Wünsche und Abmachungen aufzwingen wollen, begannen all diese Probleme, die sich allmählich auftürmten", meinte Sergei Lawrow.
Spannungen nehmen zu
Der US-Politologe Dimitri Simes fragte den Minister, ob die jetzige Krise in dem bilateralen Verhältnis in einer realen Konfrontation münden könne. Sergei Lawrow bestätigte, dass die Spannungen tatsächlich zunähmen. Zum Beispiel hätten die Vereinigten Staaten eine Erweiterung der NATO und die Stationierung der militärischen Infrastruktur an Russlands Grenzen initiiert.
Solche Handlungen erhöhen stufenweise das Risiko einer militärischen Konfrontation, was für die Russische Föderation völlig inakzeptabel ist. Unsere US-Partner sind davor mehrmals gewarnt worden. Gleichzeitig gibt es in dem Beispiel Syrien einen Mechanismus zur Vereitelung unerwünschter Zwischenfälle. Unsere Militärs sind stets im Kontakt", sagte der russische Chefdiplomat.
Washington ändert Spielregeln
Der russische Chefdiplomat stellte in der Talk-Show fest, dass das Völkerrecht und die internationalen Regeln immer öfter verletzt würden. Ein Beispiel dafür sei der Atomdeal mit dem Iran: Die entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrates sei verletzt worden, weil Washington einseitig die Regeln geändert habe.
Wenn es um wichtige internationale politische und wirtschaftliche Probleme geht, wird die Diplomatie von den USA sehr spezifisch gedeutet und umgesetzt. Sie äußern ihren Standpunkt generell als Forderung und führen im Großen und Ganzen keinen diplomatischen Dialog mit den Andersdenkenden. Wer mit ihnen nicht einverstanden ist, wird mit Sanktionen bestraft. Wer nicht nach ihren Anweisungen handeln will, dem wird der Markt durch erhöhte Zollgebühren und andere Maßnahmen gesperrt", erklärte Sergei Lawrow weiter.
Terrorbekämpfung in Syrien
In Bezug auf die Syrien-Krise machte der US-Politologe Dimitri Simes Russlands Außenminister darauf aufmerksam, dass die USA einen baldigen Sieg Russlands voraussähen, den sie aber nicht zulassen möchten. Denn Washington gehe davon aus, dass dieser Erfolg auch einen Sieg des Iran darstellen werde, was für die USA und ihre Verbündeten in der Region inakzeptabel sei. Ob sich die Standpunkte Moskaus und Washingtons überhaupt vereinbaren lassen?
Sergei Lawrow erwiderte, dass sich die Standpunkte im Prinzip leicht vereinbaren ließen. Der Minister wies auf die UN-Resolution 2254 hin, die unter anderem von den Vereinigten Staaten und den Golf-Staaten im Jahre 2015 erarbeitet worden war. Dieses Dokument lege eindeutig fest, dass die Syrien-Krise durch die Eliminierung der Terrorgefahr, den Wiederaufbau des Landes und die Willensbekundung des syrischen Volkes gelöst werden solle. Die Resolution enthalte auch den Punkt, wonach es im Land eine neue Landesverfassung und allgemeine Wahlen geben solle.
Als wir Baschar Assad zu Hilfe kamen – wenn Sie sich daran erinnern, war das im September 2015 – stand der IS beinahe vor den Toren von Damaskus. Die syrische Regierung drohte zu stürzen. Keines der Länder, die jetzt ihre Stimme in Bezug auf die Rettung von Menschenleben, die Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität aller Staaten erheben, hat einen Finger krumm gemacht, um eine Eroberung von Damaskus durch die Terroristen zu verhindern, das in dem Fall zur Hauptstadt eines Kalifats geworden wäre", betonte der russische Diplomat.
Sergei Lawrow wies darauf hin, dass nur die Präsenz Russlands und des Iran in Syrien legitim sei. Andere Akteure würden dort illegal agieren und somit die territoriale Integrität Syriens verletzen.
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Dass US-Präsident Donald Trump uns in einem Tweet warnt und auffordert, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern und auf die Zivilbevölkerung Rücksicht zu nehmen, ist völlig richtig und stimmt absolut. Als wir mit unseren Luftstreitkräften die Probleme von Aleppo, Homs und Ost-Ghuta lösten, haben wir immer humanitäre Korridore geschaffen und uns darum bemüht, mit der gesprächsbereiten Opposition einen lokalen Waffenstillstand zu schließen. Sie fielen unter die Amnestie der syrischen Regierung, legten ihre Waffen nieder und integrierten sich ins friedliche Leben in Syrien", erklärte der Minister.
Die US-angeführte Koalition habe im irakischen Mossul und im syrischen Rakka ganz anders agiert, indem sie diese Städte einfach dem Erdboden gleich gemacht habe. Russland habe genug "Pyrrhussiege" der USA und der NATO im Irak und in Libyen gesehen.
Berlin und Paris haben keinen Einfluss auf Präsident Poroschenko
Der russische Politologe Wjatscheslaw Nikonow wies bezüglich der Ukraine darauf hin, dass der Minsker Friedensprozess ins Stocken geraten sei, während sich die Situation immer mehr zuspitze. Sergei Lawrow betonte erneut, dass das Minsker Abkommen das einzige wirksame Format sei.
Wir verzichten nicht auf das sogenannte Normandie-Format, aber es wäre heute einfach unangebracht und frevelhaft, ein Treffen einzuberufen, insbesondere nachdem weder Berlin noch Paris den jüngsten politischen Mord im Donbass verurteilt haben – und überhaupt unter den Umständen, wenn weder Berlin noch Paris den ukrainischen Präsidenten Poroschenko beeinflussen können, der seine Verpflichtungen schon seit mehreren Jahren vernachlässigt. Die Einzigen, die die ukrainische Seite beeinflussen können, sind die USA", erklärte Sergei Lawrow.
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Russlands Außenminister brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass sich das russisch-amerikanische Verhältnis verbessern werde. Dabei hob Sergei Lawrow die Rolle der Zivilgesellschaft hervor, denn viele gesellschaftliche Organisationen aus beiden Ländern kämen gut miteinander aus – wie auch die Raumfahrer auf der Internationalen Raumstation.
Daher denke ich, dass sich das reale Leben durchsetzen, alles Nebensächliche beiseite gelassen und nur das grundsätzliche Interesse unserer Völker übrigbleiben wird, die zweifellos beide von einer gegenseitigen Zusammenarbeit und Partnerschaft nur profitieren werden", resümierte der russische Außenminister.