von Ulrich Heyden, Moskau
Um 20:00 MEZ waren am Sonntag 26 Prozent der Stimmen für die Präsidentschaftswahlen in Russland ausgezählt und man konnte schon früh von einem eindeutigen Trend sprechen. Wladimir Putin kam zu diesem Zeitpunkt auf 73,3 Prozent der Stimmen und es war klar, dass er als Sieger aus der Wahl hervorgehen würde. Am Ende waren es 76,7. Bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2012 bekam Putin 63 Prozent der Stimmen. Der Amtsinhaber konnte also deutlich zulegen.
Ein erstes vorläufiges Ergebnis, das auf Auszählung aller Stimmen in Russland beruht, konnte die Zentrale Wahlkommission erst um 24 Uhr MEZ bekanntgeben. Das hing damit zusammen, dass die Wahllokale im Westen Russlands um Stunden später schlossen als im Osten des Landes. Im westrussischen Kaliningrad hatten die Wahllokale am Sonntag bis um 19 Uhr mitteleuropäischer (20 Uhr örtlicher) Zeit geöffnet.
Pawel Grudinin, der parteilose Chef der am Südrand von Moskau gelegenen Lenin-Sowchose, kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 11,8 Prozent. Im Jahr 2012 hatten für KPRF-Chef Sjuganow noch 17 Prozent gestimmt. Wladimir Schirinowski kam auf 5,66 Prozent, 2012 waren es sechs Prozent. Auf Platz vier liegt Xenia Sobtschak mit 1,7 Prozent. Sie überflügelt damit den Alt-Liberalen Gregori Jawlinski, der nur 1,0 Prozent der Stimmen bekam. Der liberal-konservative Boris Titow mit 0,76 Prozent, der radikale Kommunist Maxim Suraikin mit 0,68 und der sozial-konservative Sergej Baburin mit 0,65 Prozent rundeten das Feld ab.
Im Osten Russlands sind KPRF- und Schirinowski-Anhänger stärker
Da im Osten Russlands, der zuerst mit dem Auszählen fertig ist, traditionell mehr Stimmen für den KPRF-Kandidaten (bestes Resultat: 27,25 Prozent in Jakutien) und den Nationalisten Schirinowski (bestes Resultat: 10,26 Prozent in der Republik Komi) abgegeben werden, hat sich der jeweilige Stimmenanteil für die liberalen Kandidaten Xenija Sobtschak und Grigori Jawlinski wie auch der von Boris Titow gegen Ende hin noch etwas erhöht. In Moskau kam Sobtschak über 4 Prozent der Stimmen, Jawlinski auf mehr als 3, Titow kam in den beiden größten Städten über 1,5 Prozent und in Inguschetien auf 1,84.
Die Wahlbeteiligung lag bei rund 68 Prozent, 2012 hatte sie bei 65 Prozent gelegen. Mit etwa 15 Prozent spürbar niedriger war sie nur in einzelnen Gebieten wie den großen Städten Moskau und Sankt Petersburg, wo offenbar der Boykottaufruf des Bloggers Alexej Nawalny eine zusätzliche Wirkung hatte, und in Regionen wie Twersk, Karelien oder Archangelsk. Auch dort lag sie jedoch über 50 Prozent.
Die Präsidentschaftswahlen wurden zu einem vollen Erfolg für Wladimir Putin, sowohl was sein persönliches Stimmenergebnis als auch was die Wahlbeteiligung betrifft. Seine besten Resultate mit mehr als 90 Prozent erzielte er auf der Krim, in Dagestan, in Tschetschenien und im südostrussischen Tuwa. Das Wahlergebnis wird den Präsidenten Russlands auch deshalb stärken, weil es wenig ernstzunehmende Meldungen über Wahlfälschungen gab.
Nach den Duma-Wahlen 2011, als es Wahlfälschungen noch in größerem Maße gegeben hatte, entstand eine Protestbewegung in Moskau und Sankt Petersburg, die wiederum zu Reformen im Wahlrecht führte. So ordnete der damalige Präsident Dmitri Medwedew an, dass in allen russischen Wahllokalen Kameras angebracht werden, über welche die Stimmabgabe und die Stimmauszählung per Internet von interessierten Internet-Usern live mitverfolgt werden können. Fälschungen sind unter diesen Bedingungen mit einem hohen Risiko verbunden und können schnell festgestellt werden.
So wurden in der südlich von Moskau gelegenen Stadt Ljuberzi der Leiter eines Wahllokals entlassen und die Wahlurne versiegelt, weil am Sonntagmorgen um neun Uhr eine Frau einen Packen Wahlzettel in eine Wahlurne werfen konnte, was die Moskauer Wahlkommission per Video-Beobachtung aufdecken konnte.
Die Wahlbeobachter-Organisation "Golos" stellten 859 Verstöße während der Abstimmung am Sonntag fest. Der Großteil der Verstöße (222) betrifft die Ausstattung der Wahllokale, 170 Verstöße betreffen die Rechte der Beobachter, der Mitglieder der Wahlkommissionen und der Journalisten.
Gute Stimmung vor Moskauer Wahllokalen
Wahlen sind in Russland traditionell auch Anlass für Feiern und Musik. So war es auch vor der Schule Nr. 2.101 an der Großen Filowski-Straße im Westen Moskaus, wo sich die Wahllokale Nr. 2.881 und 2.880 befinden. Vor dem vierstöckigen Schulgebäude ging es am Sonntag lebhaft zu. Ein junger Trainer spielte mit Kindern Fußball, drei junge Angestellte der örtlichen Bibliothek verteilten Anstecker und Luftballons mit dem Aufdruck "März 2018. Ich habe den Präsidenten gewählt". In einem Zelt wurden Wurst und Konserven zu vergünstigten Preise verkauft. Kartoffeln kosteten nicht 30 Rubel wie im Geschäft, sondern nur 20 Rubel. Eine Musikgruppe sang in gold-weißen Kostümen russische Volksmusik und tanzte dazu. Zwei Polizisten patrouillierten vor der Schule und achteten auf die Ordnung.
Einige Familien waren vor der Schule 2.101 im Westen Moskaus fast geschlossen angerückt. Eine junge Mutter, die mit ihrer kleinen Tochter und der Großmutter vor dem Wahllokal stand, sagte: "Wir haben Putin gewählt. Wir sind für seinen Kurs. Und wir hoffen, dass er seine Versprechen einhält." Was die wichtigsten Aufgaben für den Präsidenten seien, wollte ich wissen, die sozialen Fragen oder die Sicherheit? "Natürlich die Sicherheit, denn wir sind eine Familie und wir haben Kinder."
Auf die Frage, ob die angespannte internationale Situation die Bereitschaft der Menschen zum Wählen erhöht, meinte die junge Mutter: "Nein, zur Wahl zu gehen, das ist unsere zivile Verantwortung und Ausdruck unserer Gefühle und Wünsche. Amerika hat damit nichts zu tun."
Wahl-Debatten im Fernsehen "wie im Zirkus"
Einer der jungen Leute, die vor dem Wahllokal Anstecker verteilten, meinte, Putin werde die Wahl sicher gewinnen, denn die anderen Kandidaten hätten sich bei den Fernseh-Debatten völlig blamiert, indem sie versucht hätten, sich gegenseitig zu überschreien. Das seien keine Debatten, sondern das sei "ein Zirkus" gewesen. In Russland müsse aber dringend der soziale Graben beseitigt werden, der sich zwischen wenigen ganz Reichen und dem Rest des Volkes auftut. Sonst werde Russland sich nicht entwickeln können.
In beiden Wahllokalen in der Moskauer Schule Nr. 2.101 mussten sich die Wähler mit ihrem Pass registrieren und bekamen dann einen Wahlzettel, den sie nach dem Ausfüllen in einen Scanner schieben mussten. Der Wahlzettel war auf der Rückseite mit einem Sicherheitssiegel versehen. Die großen Displays der beiden Scanner im Wahllokal 2.881 zeigten um 15:30 Uhr in großen Ziffern an, dass 700 Wahlzettel eingescant, also 700 Wähler ihre Stimme abgegeben hatten. Nach Aussage eines Mitgliedes der örtlichen Wahlkommission waren am Sonntagmittag in dem Wahllokal 2.881 insgesamt 1.940 Wahlberechtigte registriert. Zu den Wahlberechtigten gehörten auch 150 Menschen, die nicht im Wahlbezirk wohnen, aber vor der Wahl beantragt hatten, eben im Wahllokal 2.881 abstimmen zu dürfen. Die neue Methode soll es allen Menschen, die auf Reisen sind oder zurzeit anderswo wohnen, ermöglichen, ungehindert an den Wahlen teilzunehmen.
Die Scanner sind nicht mit der Wahlzentrale verbunden, erklärte mir ein Mitglied der örtlichen Wahlkommission. "Die Daten werden auf einer Flashcard gespeichert. Um 20 Uhr [wenn das Wahllokal schließt, U.H.] schaltet sich der Scanner automatisch ab. Und dann druckt der Drucker das Ergebnis aus."
Das Protokoll des Wahllokals werde dann mit einem Sicherheitssiegel versehen und an die Zentrale Wahlkommission gesandt. Der Wahlausschuss des Wahllokals 2.881 war mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Organisationen besetzt. Auch ein Mitglied der oppositionellen Partei Jabloko befand sich darunter.
Außerdem gibt es im Wahllokal vier Beobachter, die aus den Teams des KPRF-Kandidaten Pawel Grudinin, der Kandidatin Xenija Sobtschak, von Wladimir Putin sowie von der Bürgerkammer entsandt wurden. Das Wahllokal wird mit Kameras überwacht, die an der Decke des Raumes angebracht sind.
In der Ukraine blockierten Rechtsradikale die russischen Wahllokale
Die Menschen in der Ukraine, die einen russischen Pass haben, konnten ihr Recht auf Teilnahme an der russischen Präsidentschaftswahl nicht ausüben. In Kiew wurde die russische Botschaft von Ultranationalisten und Faschisten blockiert. In Odessa gab es eine Bombenwarnung für den Bezirk, in dem das russische Konsulat liegt. Wie die Nachrichtenagentur TASS meldete, riet das ukrainische Außenministerium den in der Ukraine lebenden Russen, zur Wahl nach Russland zu fahren.