Mordanschläge gegen russische Spitzengeneräle: Langes Spiel der NATO zur Zermürbung Russlands

Die Mordanschläge auf russische Spitzenkräfte zielen nicht nur auf eine psychologische Wirkung ab. Auch sind sie keine "Strafmaßnahmen". Das Ziel ist vor allem eine Schwächung der Effektivität des Systems.

Von Platon Gontscharow

Am Montag tötete eine Autobombe Generalmajor Fanil Sawrawow. Dieser Mord reiht sich in eine ganz spezielle Mordserie ein: Innerhalb eines Jahres töteten ukrainische Spezialdienste drei hochrangige russische Generäle. Die Opfer der Anschläge haben viel gemeinsam. Zum Zeitpunkt des Todes waren sie Mitte-Ende fünfzig, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Sie waren ausgewiesene Fachleute auf ihrem Gebiet, die sich ihren Posten durch Fleiß und Kompetenz erarbeitet hatten, und sie standen nicht unter Korruptionsverdacht.

Sawrawow war Absolvent zweier Militärakademien und seit 2016 Leiter der Abteilung für operative Ausbildung der Streitkräfte der Russischen Föderation. Danach leitete er die Ausbildung im Generalstab. Er nahm an der Syrien-Kampagne teil. Sonst ist nicht viel über ihn bekannt. Mehr Informationen finden sich dagegen über den im April getöteten Generalleutnant Jaroslaw Moskalik. 

Er war viele Jahre stellvertretender Chef der Hauptoperationsverwaltung des Generalstabs der Streitkräfte der Russischen Föderation. Er bekam eine Auszeichnung als Verdienter Militärspezialist der Russischen Föderation. Der Militärstratege vertrat den Generalstab in der Untergruppe für Sicherheit der Arbeitsgruppe Russlands bei der Kontaktgruppe zur Beilegung der Lage im Südosten der Ukraine, ein diplomatisches Format, das parallel zum Minsker Prozess seit 2014 existierte. Zudem war er Militärdiplomat im syrischen Friedensprozess. 

Im Dezember letzten Jahres tötete eine an einem Roller befestigte Bombe den Befehlshaber der ABC-Streitkräfte, Igor Kirillow. Der Militär hatte einen Doktortitel in Militärwissenschaften und wurde im Jahr 2021 als Held der Russischen Föderation ausgezeichnet. Auch leitete er die Akademie für ABC-Schutz. 

Zu diesem Terror gegen derart hochrangige Militärs in speziellen Fachgebieten passen die Morde an leitenden Spezialisten der Rüstungsindustrie. Genauso ging Israel gegen iranische Wissenschaftler vor. Während der Militärkampagne gegen Iran im Juni 2025 waren dutzende Spezialisten, oft mitsamt ihrer Familien, mit Präzisionsschlägen ermordet worden. Die Taten tragen die gleiche Handschrift westlicher Geheimdienste, denn der israelische Geheimdienst Mossad ist untrennbar mit dem globalen US-Dienst CIA verbunden.

Darauf weist der russische Militärexperte Juri Barantschik in seinem Beitrag auf Telegram hin. Die Interpretationen des Terrors gegen die russischen Militärführer als psychologischer Krieg oder Versuch die Armee zu "enthaupten", seien zutreffend, aber zu oberflächlich. Viel eher handele es sich um einen systematischen Angriff auf enge professionelle Knotenpunkte der Militärmaschine.

"In dieser Logik ist nicht der Rang wichtig, sondern die Spezialisierung." 

Die Ukraine habe die Anschläge auf Menschen verübt, deren Wert nicht in der Befehlsgewalt über Truppen liegt, sondern in ihrem spezifischen Wissen, argumentiert Barantschik.

"Es handelt sich um Führungskräfte aus Bereichen, die an der Schnittstelle zwischen Armee, Wissenschaft, Industrie und Politik angesiedelt sind. Sie können nicht durch einen Befehl ersetzt werden, da sie keine Position, sondern Kompetenz innehaben."

Ein hochrangiger Spezialist mit eng eingegrenztem Fachgebiet sei das Ergebnis langjähriger Erfahrung. Er wisse nicht nur, "was zu tun ist", sondern auch, "warum auf diese Weise und nicht anders". Er sei in ein Netzwerk informeller Verbindungen eingebunden: zwischen Behörden, Forschungsinstituten, Industrieunternehmen und internationalen Akteuren. Dieses Netzwerk werde mit seinem Tod lose oder könne sogar ganz verloren gehen. 

Der Tod eines solchen Spezialisten habe Folgen, die nicht sichtbar, aber deshalb nicht weniger bedeutend seien. Die informelle Koordination, die einst für schnelle und effektive Lösungen gesorgt habe, sterbe mit ihm. Egal wie gut ausgebildet der Nachfolger im Amt sein möge, eine Lücke zwischen den Entscheidungen und deren Umsetzung entstehe zwangsläufig, Bürokratisierung und Zurückhaltung bei den Entscheidungen, Verlangsamung und Verschlechterung der Reaktionsfähigkeit der Verwaltung nähmen zu. Dies sei kein Zusammenbruch des Systems, sondern dessen langsame "Verrohung".

"Betrachtet man die Anschläge in ihrer Gesamtheit, so zeichnet sich eine klare Logik ab. Die Ziele werden nach drei Kriterien ausgewählt: hoher institutioneller Status, eng eingegrenzte Spezialisierung und Arbeit in technologisch oder politisch sensiblen Bereichen. Es handelt sich nicht um chaotischen Terror und symbolische Aktionen um der Schlagzeilen willen, sondern um Angriffe auf die Qualität der Verwaltung."

Eine solche Strategie habe keine sofortige Wirkung an der Front. Ihre Heimtücke liege im Angriff auf die intellektuelle Dichte des Systems. Die Folge: Es gebe mehr Entscheidungen, aber sie seien vorsichtiger; es gebe mehr Abstimmungen, aber weniger Initiativen, mehr formelle Steuerbarkeit, aber weniger tatsächliche Effizienz.

Die Sorgfalt bei der Auswahl der Anschlagsopfer ist für Barantschik ein sicheres Zeichen, dass der ukrainische Militärgeheimdienst, der ganz unverhohlen zu Mitteln des individuellen Terrors greift, nicht allein agiert, sondern in der Obhut der westlichen Dienste und der NATO. Denn hier sei die Ausrichtung auf ein langwieriges Spiel zu erkennen. 

"Solche Kampagnen sind typisch für Phasen langwieriger Konflikte, in denen nicht auf ein schnelles militärisches Ergebnis gesetzt wird, sondern auf die schrittweise Zermürbung des Gegners. Wenn es nicht möglich ist, die Situation schnell mit Gewalt zu wenden, bleibt nur der Versuch, den Krieg für den Gegner schwieriger zu machen – organisatorisch, psychologisch, institutionell."

Neben den Anschlägen auf hochrangige Militärs und Militäringenieure übt die Ukraine auch Terror gegen sonstige Berufsgruppen aus. Das sind Spitzenkräfte in der Verwaltung der neuen russischen Gebiete, Abgeordnete, ehemalige Exil-Politiker der Ukraine, die über Expertise im ukrainischen Politbetrieb verfügen, Intellektuelle, Schriftsteller und Militärblogger.

Der bekannteste Fall ist die Ermordung der Politphilosophin Daria Dugina mit einer Autobombe im Jahr 2023. Die Täterin, eine ukrainische Agentin, wurde nicht gefasst. Es wird vermutet, dass der Anschlag ihrem Vater Alexander Dugin galt. Er gilt als Vordenker des russischen Nationalkonservatismus und international sehr gut vernetzt. Sein Tod könnte die intellektuelle Spitze des Antiglobalismus in der Tat schwächen.

Dabei fällt die moralische Rechtfertigung dieser Morde in der westlichen Presse auf. Die Medienmacher unter den Opfern werden in der Regel als Propagandisten bezeichnet. Oder es wird gegebenenfalls darauf hingewiesen, dass sie unter westlichen Sanktionen standen. Damit wird angedeutet, dass Sanktionen faktisch eine Art Freibrief für die Beseitigung einer Person bedeuten. Das verdeutlicht noch einmal: Der Westen sieht Russland als existenziellen Feind, der mit allen Mitteln beseitigt werden muss. 

Mehr zum Thema - Warum lässt CIA ihre Beteiligung an ukrainischen Terrormorden ans Licht kommen?