Frankreich: Drittgrößte Reederei der Welt erwägt Rückkehr auf den russischen Markt

Der logistische Megakonzern CMA CGM aus Marseille will offenbar wieder ins Russland-Geschäft einsteigen. Laut einem Medienbericht finden dazu bereits Verhandlungen mit potenziellen russischen Partnern statt. Ende Februar 2022 musste CMA CGM den russischen Markt aufgrund der EU-Sanktionen verlassen.

Der französische Reedereikonzern CMA CGM erwägt offenbar eine Wiederaufnahme seiner Aktivitäten in Russland. Nach Recherchen der französischen Onlinezeitung Mediapart sollen zwei hochrangige Vertreter des Unternehmens Mitte September zu Gesprächen nach Sankt Petersburg gereist sein. Darüber berichtete die Berliner Zeitung am Mittwoch. Ziel der Reise sei es gewesen, die Möglichkeiten für eine Rückkehr auf den russischen Markt zu prüfen. Das französische Außenministerium soll über den Besuch nicht informiert gewesen sein.

Dem Bericht zufolge handelte es sich bei den beiden Delegierten um Paul Haeri, Vizepräsident und Verantwortlicher für institutionelle Beziehungen, sowie Ludovic Renou, zuständig für den Immobilienbereich des Konzerns. Beide hätten in der Woche vom 15. bis 19. September potenzielle Geschäftspartner getroffen.

Wie viele andere westliche Unternehmen auch stellte CMA CGM nach Verhängung der antirussischen Sanktionen im Februar 2022 seine Geschäfte in Russland ein. Damals trennte sich der Konzern von Beteiligungen am Containerterminal Moby Dik und am Logistikpark Yanino bei Sankt Petersburg. Zuvor arbeitete das Unternehmen mit Global Ports Investments zusammen, einer zypriotischen Holding, die sich im Besitz des russischen Delo-Konzerns des Oligarchen Sergei Schischkarew befindet. Dieser soll laut Mediapart ein Vertrauter Putins sein. Im April 2023 verkaufte CMA CGM 50 Prozent des russischen Tochterunternehmens "Logoper" für 1 Euro an einen Top-Manager, erhielt jedoch eine Rückkaufoption.

Auf Anfrage von Mediapart bestätigte CMA CGM den Aufenthalt seiner Vertreter in Sankt Petersburg. Das Unternehmen erklärte, der Besuch habe der "Besichtigung eines seit über drei Jahren ruhenden Büros" gedient. Dabei hätten die Manager festgestellt, dass zahlreiche internationale Reedereien weiterhin im Land tätig seien. Man prüfe laut dem Unternehmen nun "im Rahmen der geltenden Sanktionen alle Optionen", die sich daraus ergäben.

Nach Informationen von Mediapart soll die Entscheidung über eine mögliche Rückkehr auf den russischen Markt jedoch bereits vor dem Russlandbesuch gefallen sein – ohne Abstimmung mit dem französischen Außenministerium.

Der mögliche Strategiewechsel erfolgt vor dem Hintergrund einer Annäherung zwischen CMA-CGM-Chef Rodolphe Saadé und US-Präsident Donald Trump. Im März hatte Saadé im Weißen Haus Investitionen in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar in den Vereinigten Staaten angekündigt. Rund ein Viertel des Konzernumsatzes entfällt nach eigenen Angaben auf das US-Geschäft.

Rodolphe Saadé, Sohn des 2018 verstorbenen Firmengründers Jacques Saadé, hatte im Mai vor einer französischen Senatskommission seine wirtschaftlichen Entscheidungen verteidigt. "Ich mache meinen Beruf und beteilige mich nicht an politischen Diskussionen", sagte er damals. Wichtig seien für ihn "zufriedene Kunden, gute Ergebnisse und motivierte Mitarbeiter".

CMA CGM ist eines der größten Unternehmen in Frankreich. Der in Marseille ansässige Konzern ist nach der Schweizer Reederei MSC und der dänischen Maersk die drittgrößte Containerreederei der Welt. Im April 2022 schätzte Forbes das Vermögen des Unternehmenschefs Saadé auf 41,4 Milliarden US-Dollar, womit er zu den reichsten in Frankreich lebenden Personen gehörte.

Seeverkehr unter Sanktionen: Starker Einbruch und neue Chancen

Der Seeverkehr, der traditionell eine wichtige Rolle im internationalen Handel Russlands spielt, wurde von den Sanktionen hart getroffen. Viele große internationale Reedereien stellten ihre Aktivitäten in russischen Häfen abrupt ein, was zu einer erheblichen Verringerung der verfügbaren Routen und zu einem Anstieg der Transportkosten geführt hat.

Russische Häfen, insbesondere an der Ostsee und am Schwarzen Meer, mussten in den ersten Jahren einen Rückgang des Frachtumschlags hinnehmen. Dies zwang Logistikunternehmen dazu, nach alternativen Routen zu suchen, darunter auch über Häfen von Ländern, die sich den Sanktionen nicht angeschlossen haben. Nun wird der russische Reederei-Markt von russischen und asiatischen Unternehmen dominiert. Branchenvertreter bewerten die Sanktionen als Chance für den innovativen Umbau der gesamten Logistik-Branche in Russland, die von den russischen Unternehmen aktiv vorangetrieben wird. 

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