Ein Qualitätsmaßstab: In Russland entsteht ein Pendant zum Michelin-System

Ab sofort werden Anträge für die Teilnahme am russischen Pendant zum Bewertungssystem des Gastgewerbes "Michelin" entgegengenommen. Die Schaffung eines solchen Systems wurde schon seit langem diskutiert. Es soll Reisen in Russland komfortabler und überschaubarer machen.

Kurz vor Beginn der russischen Militärkampagne in der Ukraine wurden russische Restaurants endlich in das internationale Bewertungssystem von Michelin aufgenommen. Die Vertreter des Rankings würdigten die Kreativität und den Innovationsgeist russischer Köche und Restaurantbesitzer. Mehrere Lokale erhielten damals die begehrten Michelin-Sterne. Die Verleihung der Sterne des "Roten Führers" Michelin in Russland fand im Oktober des Jahres 2021 statt. Damals wurden 69 Restaurants in den Moskauer Michelin-Führer aufgenommen.

Doch dann hagelte es verschiedene Sanktionen, Boykotte und Blockaden – und die Zusammenarbeit russischer Gastronomen mit ihren ausländischen Kollegen kam zum Erliegen. Zumindest auf offizieller Ebene.
Noch bevor die russischen Köche mit Michelin-Sternen ausgezeichnet wurden, gab es Diskussionen über die Notwendigkeit einer nationalen Evaluierung des Niveaus der Restaurantdienstleistungen. Es gibt zwar in Russland Fachmedien und Restaurantkritiker, aber all dies bleibt bislang auf dem Niveau vereinzelter Bewertungen, die nicht in einem gemeinsamen System zusammengefasst sind.

Nun wurde in Russland der Start von Bewerbungen für eine dem Michelin-System ähnliche Zertifizierung angekündigt. Auf Initiative des Ministeriums für Tourismus werden alle Aspekte der Arbeit der Betriebe bewertet. Berücksichtigt werden die Atmosphäre, das Serviceniveau, die Innenausstattung, die Qualität der Küche, die Kunst der Speisenpräsentation und die allgemeine Gastfreundlichkeit. Darüber berichtet der FernsehsenderIswestija unter Berufung auf das Ministerium.Iswestija erzählt:

"Der Staat möchte Städten bei der Entwicklung des Gastronomietourismus helfen. Innerhalb von sechs Monaten werden professionelle Experten 700 Restaurants und Hotels bewerten. Nach Abschluss der Bewertung erhalten die Teilnehmer eine Checkliste mit einer Einschätzung ihrer Leistungen und Verbesserungsmöglichkeiten. Die besten Vertreter der Branche werden zur Preisverleihung im Februar 2026 eingeladen. Das russische Pendant zum Michelin-System wird Reisen durch das Land komfortabler machen."

Allerdings waren russische Gastronomen von Anfang an nicht begeistert von der Initiative. Einige von ihnen wiesen darauf hin, dass solche Guides nicht unter der Schirmherrschaft des Staates existieren können. Der Gastronom Stanislaw Lisitschenko bemerkte beispielsweise:

"Solche Guides und Nachschlagewerke müssen zu hundert Prozent unabhängig sein, sie dürfen von niemandem gesponsert werden und nicht unter der Schirmherrschaft staatlicher oder anderer Strukturen erstellt werden. Das kann beispielsweise eine unabhängige gemeinnützige Organisation sein, die sozusagen aus Liebe zur Kunst arbeitet."

Er erklärte auch, dass er nicht ganz verstehe, welches Projekt die Verantwortlichen in Russland genau umsetzen wollen – "es scheint, als wollten sie einen einheitlichen Qualitätsstandard schaffen." Das ist natürlich auch nicht schlecht, hat aber nichts mit Guides wie Michelin zu tun, so der Gastronom weiter. Denn dort werden Restaurants von unabhängigen Experten bewertet, und niemand kennt die Bewertungskriterien – es ist eine Art Geheimnis, bei dem der Konsument den Experten einfach glauben muss. Und er glaubt ihnen – einfach weil diese Guides ihre Kompetenz über Jahrzehnte hinweg bestätigt haben. Allerdings schränkte Lisitschenko sofort ein:

"Alle Maßstäbe in der Gastwirtschaft sind ein Motor und Ansporn für die Verbesserung von Service und Qualität. Deshalb gab es, gibt es und wird es auch weiterhin Versuche geben, Guides oder Verzeichnisse mit Bewertungen von Gastronomiebetrieben zu erstellen. Das ist eine gute Initiative, die gefördert werden sollte."

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