"Unfairer Wettbewerb": Russische IT-Entwickler wollen Beschränkungen für ausländische Unternehmen

Russische Software-Entwickler fordern die Regierung auf, westlichen IT-Unternehmen, die auf den Markt zurückkehren wollen, strenge Auflagen zu erteilen. Begründet wird dies mit dem unlauteren Wettbewerb und der Gefährdung der technologischen Souveränität des Landes.

Sollten ausländische Entwickler von Industriesoftware nach Russland zurückkehren, werden die einheimischen Unternehmen nicht mehr mit ihnen konkurrieren können. So heißt es in einem Schreiben von Renat Laschin, Exekutivdirektor der Vereinigung ARPP Domestic Soft, in der mehr als 300 Unternehmen zusammengeschlossen sind, an den Ersten Stellvertretenden Premierminister Denis Manturow. Nach Angaben der Zeitung Kommersant, die mit dem Schreiben vertraut ist, haben die Marktteilnehmer die Behörden gebeten, bei der Wiederaufnahme der Tätigkeit von Unternehmen aus dem Ausland die Interessen der russischen Entwickler zu berücksichtigen und zu schützen.

Dem Schreiben der russischen IT-Entwickler an die Regierung ging die Erklärung von Denis Manturow voraus, wonach die Rückkehr westlicher Unternehmen nach Russland akzeptabel sei und den Wettbewerb auf dem Markt verstärken werde. Renat Laschin stellt in seinem Schreiben an den stellvertretenden Ministerpräsidenten jedoch fest, dass ein solcher Wettbewerb "möglicherweise unfair ist". Er weist auch darauf hin, dass dies im "Widerspruch" zu Wladimir Putins Erklärung bei einem Treffen mit Mitgliedern der Geschäftsvereinigung "Delowaja Rossija" stünde, wonach man sich bei Entscheidungen über die Rückkehr ausländischer Marken auf die nationalen Interessen konzentrieren müsse.

Der Leiter der ARPP plädiert in seinem Schreiben dafür, die Meinung der Branche bei Entscheidungen über die Zulassung ausländischer IT-Entwickler zum Markt zu berücksichtigen, und weist auf die möglichen negativen Folgen ihrer Rückkehr hin. Er nennt vor allem die Untergrabung der technologischen Unabhängigkeit, das Risiko wiederholten Sanktionsdrucks, das Fehlen langfristiger Garantien ausländischer Anbieter, den Verlust des Vertrauens in russische Anwendungen, die Wahrscheinlichkeit von Datenlecks, die Verringerung der Investitionen in den heimischen IT-Sektor sowie weitere strukturelle Nachteile.

Nachdem westliche Unternehmen einen Boykott des russischen Verbrauchers erklärt und den Markt abrupt verlassen hatten, ohne ihren Verpflichtungen gegenüber den russischen Kunden nachzukommen, wurden enorme Mittel in die heimische IT-Industrie investiert, so die Experten. Wie Renat Laschin nun feststellt, sind die Käufe inländischer Software ab dem Jahr 2022 erheblich gestiegen, und in den meisten Kategorien liegt der Anteil russischer IT-Lösungen inzwischen bei fast 100 Prozent. In bestimmten Bereichen, beispielsweise bei technischer Software, ist der Anteil inländischer Entwicklungen jedoch nach wie vor gering ‒ er liegt bei 20 bis 30 Prozent. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass einige Unternehmen weiterhin illegale Versionen ausländischer Programme verwenden, die kostenlos erhältlich sind.

Laschin wies auch darauf hin, dass die Investitionen in die Entwicklung einheimischer Produkte erst nach mehreren Jahren aktiver Arbeit Früchte tragen werden. Auch Branchenexperten sehen das so: Fjodor Tschemaschkin, technischer Direktor des Unternehmens "Jakow & Partners", erinnerte beispielsweise daran, dass ausländische Unternehmen Dutzende von Jahren für die Implementierung und das Sammeln von Benutzerfeedback benötigten, sodass es unmöglich sei, von russischen Unternehmen sofortige Ergebnisse zu verlangen.

Wie die Zeitung Kommersant erfuhr, bezeichnete das Büro des stellvertretenden Ministerpräsidenten Manturow die Logik des Schreibens als solide und stellte fest, dass "die Argumente im Allgemeinen logisch sind und in keiner Weise im Widerspruch zu den Aussagen des Präsidenten und von Denis Manturow stehen".

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