Experte: Niedrige Arbeitslosigkeit in Russland hemmt Entwicklung der Unternehmen

Die sich auf einem Rekordtief befindende Arbeitslosenquote in Russland ist zu einem der größten Probleme und Herausforderungen für Unternehmer geworden. Nach Ansicht von Experten wird dadurch das Wachstum und die Weiterentwicklung von Unternehmen erheblich erschwert.

Nach Angaben der russischen Statistikbehörde Rosstat ist die Arbeitslosenquote in Russland im November des Jahres 2024 auf einen Rekordwert von 2,3 Prozent gesunken. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag dieser Indikator noch bei 3,7 Prozent. Bereits im vergangenen Jahr stellten Experten fest: Die Arbeitslosenquote in Russland erreicht seit Beginn der Kämpfe in der Ukraine und der Verhängung westlicher Sanktionen regelmäßig neue historische Tiefststände. Die Erwerbslosigkeit ist auf einem Rekordtief, weil die Nachfrage nach Arbeitskräften im Allgemeinen das Angebot übersteigt, so die Experten. Der Personalmangel sei ein zentrales Problem für die russische Industrie, warnen sie. Die Unternehmen haben trotz hoher Beschäftigungszahlen mit einem Mangel an Fachkräften in den Hightech-Branchen, in der Logistik und im Dienstleistungssektor zu kämpfen. Gleichzeitig steigen die Arbeitskosten: Schätzungen zufolge sind die Gehälter in Russland im vergangenen Jahr um 15 bis 18 Prozent gestiegen. Die rekordverdächtig niedrige Arbeitslosenquote behindert das Wachstum und die Vergrößerung von Unternehmen erheblich. Wladimir Moschenkow, Wirtschaftsexperte und Gründer von Mozhenkov Progress Consulting, erklärte in einem Gespräch mit dem Portal Gaseta.ru.

"Der Arbeitsmarkt im Land ist buchstäblich leergefegt. Heute ist es ein Markt für Arbeitnehmer, nicht für Arbeitgeber. Die Unternehmen spüren akut den Mangel an qualifiziertem Personal, was sie daran hindert, sich zu entwickeln und zu expandieren."

Der Experte stellt überdies fest, dass die Situation durch eine hohe Personalfluktuation noch verschärft wird. Die Unternehmen seien gezwungen, ihre Ressourcen für die ständige Suche nach neuen Mitarbeitern und deren Schulung aufzuwenden, was die Effizienz verringere und die Betriebskosten erhöhe. Moschenkow zufolge wird diese Situation auch im Jahr 2025 anhalten und das Wirtschaftswachstum bremsen:

"In den kommenden Jahren werden sich die Unternehmen an diese Gegebenheiten anpassen müssen: Sie müssen in die Automatisierung, die Umschulung ihrer Mitarbeiter und neue Beschäftigungsformen investieren. Das ist kein einfacher, aber notwendiger Weg."

Der Rückgang der Zahl der Erwerbslosen auf ein Rekordniveau ist ein alarmierendes Signal, denn eigentlich sollte die Wirtschaft eine bestimmte Arbeitslosenquote haben, die jedenfalls nicht bei null lege, so Dmitri Kulikow, Direktor der Gruppe für Länder- und Regionalratings bei dem Unternehmen AKRA, in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsportal RBK. Er weist vor allem auf Folgendes hin:

"Eine niedrige, aber von null abweichende Arbeitslosigkeit bedeutet, dass die Menschen einige Zeit mit der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz und besseren Bedingungen verbringen, und die Unternehmen wiederum stellen die am besten geeigneten und nicht die allerersten Kandidaten ein, die sie finden."

Laut Kulikow wäre es im Zuge der aktiven Strukturanpassung der Wirtschaft logischerweise zu erwarten, dass die Beschäftigungslosigkeit, die darauf basiert, dass die Unternehmen den für sie am besten geeigneten Kandidaten suchen, vorübergehend zunimmt. Die Statistiken zeigen jedoch, dass der umgekehrte Prozess stattfindet. Der Experte betont:

"So haben wahrscheinlich nicht alle Unternehmen die Möglichkeit, sich einen Mitarbeiter auszusuchen; die Lohnkonkurrenz wird wichtiger. Dadurch steigt das Gesamtniveau der Löhne und Gehälter, was sich positiv auf die Nominaleinkommen auswirkt, aber auch die Inflation anheizen kann, sodass die Auswirkungen auf die Realeinkommen nicht unbedingt überzeugend sind."

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