Der Inlandssicherheitsdienst der Russischen Föderation (FSB) veröffentlicht in den letzten Jahren immer wieder bisher unbekannte Dokumente aus seinen Archiven, die Kriegsverbrechen der Wehrmacht, der SS und der örtlichen Helfershelfer des Hitlerfaschismus während des Zweiten Weltkriegs festgehalten haben.
Die Veröffentlichungen gehören zum Projekt "Das verjährt nicht", das darauf abzielt, die historische Erinnerung an die Tragödie des Holocaust und des Genozids an den slawischen Völkern der Sowjetunion zu bewahren. Zu diesem Projekt gehören auch Gerichtsprozesse in 20 Regionen der Russischen Föderation, die deutsche Kriegsverbrechen und die Tragödie der Zivilbevölkerung der UdSSR aufarbeiten. In ihrem Ergebnis haben bereits mehrere Gerichte die Naziverbrechen juristisch als Völkermord qualifiziert.
In dieser Woche gab es eine weitere Veröffentlichung von Archivfunden aus dem Zentralarchiv des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands zu diesem Thema. Dieses Mal betreffen sie die Tätigkeit des 315. Polizeibataillons des 2. Polizeiregiments, das auf dem Gebiet der besetzten Ukraine an den als Völkermord qualifizierten Verbrechen des Hitlerfaschismus gegen das sowjetische Volk beteiligt war.
Eines der Dokumente ist die Vernehmung von Walter Schwarze, Polizeioffizier des 315. Bataillons und Mitglied der NSDAP seit 1932, vom 3. November 1945. Schwarze sagte unter anderem Folgendes aus:
"Am nordöstlichen Rand der Stadt Rowno stiegen wir aus den Kraftfahrzeugen aus. Ich sah mehrere hohe SS-Offiziere. Aus ihren Gesprächen mit unseren Offizieren wurde mir klar, dass wir gekommen waren, um Juden zu erschießen. Nach dem Aussteigen aus den Fahrzeugen gingen wir zu der mit einer Hecke eingezäunten Weide, auf der Weide selbst befanden sich etwa 4.000 bis 5.000 Juden. Es waren etwa 4.000 bis 5.000 Juden: Männer, Frauen und Kinder verschiedenen Alters. (...) Auf die Weide wurden immer wieder, regelmäßig, aus der Stadt neue Gruppen von Juden gebracht. (...) Die Hinrichtung dauerte zweieinhalb Tage. Sie begann im Morgengrauen und endete bei Einbruch der Nacht. Insgesamt wurden 20.000 Menschen erschossen. Wie viele Frauen und Kinder unter ihnen waren, ist mir nicht bekannt."
In seiner Zeugenaussage gibt Schwarze zu, dass er am 27. und 28. November 1941, als Teil einer Gruppe von elf Männern des SD (Sicherheitsdienst des Reichsführers) und von 25 Männern der ukrainischen Hilfspolizei an Erschießungen von Juden am
am Rande der Stadt Berditschew teilgenommen hat. Insgesamt wurden bei dieser Aktion 3.000 Menschen erschossen.
Neben Erschießungen bestand die Aufgabe der ukrainischen Hilfspolizei darin, die Leichen so zu stapeln, dass sie weniger Platz beanspruchten.
Das Militärgericht, das sich auf die Artikel 319 und 320 der Strafprozessordnung der RSFSR stützte, verurteilte Schwarze auf der Grundlage von Artikel 1 des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1943 zur Höchststrafe – der Hinrichtung durch ein Erschießungskommando.
Die Biografie von Schwarze ist im Übrigen ein Beispiel dafür, wie aus einem Arbeitersohn ein Massenmörder werden konnte. 1912 im sächsischen Crimmitschau geboren, begann er im Alter von 15 Jahren eine Bäckerlehre. Nach deren Abschluss traf ihn das Schicksal vieler Deutscher in dieser Zeit: Arbeitslosigkeit. Im Frühjahr 1932 trat der erwerbslose Jugendliche der NSDAP und später der SA bei. Zwischen 1933 und 1940 war er zuerst Arbeiter einer Ziegelei in Crimmitschau, später in einem Kabelwerk in Berlin. Im Mai 1940 meldete er sich freiwillig zur Polizei, um in besetzten Gebieten zu dienen. Nach kurzer Lehrzeit an einer Polizeischule fand er sich schon im Juli 1941 im Osten wieder: Polen, Weißrussland, Ukraine. Dort zum Kriegsverbrecher geworden, kehrte er nie mehr in die Heimat zurück.
Kann man heute behaupten, dass Deutschland etwas aus seiner Geschichte gelernt hat?
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