"Wir eröffnen eine große Ausstellung, die dem Sieg im Großen Vaterländischen Krieg gewidmet ist. Dieses Jahr haben wir ein ungewöhnliches Thema gewählt und eröffnen früher als die meisten unserer Kollegen", sagt Elisaweta Lichatschowa, Direktorin des Puschkin-Museums der Schönen Künste. Hinter diesen Worten verbirgt sich allerdings viel mehr. Denn Moskaus wichtigstes Museum wird das zeigen, was jahrzehntelang vor den Augen der Besucher verborgen war – Trophäenkunst, die im Jahr 1945 aus Nazideutschland in die Russische Sowjetrepublik gebracht wurde.
Das Thema Trophäenkunst – und die Frage der Reparationen, welche die Schäden, die die Nazi-Truppen in den russischen Museen und Sammlungen angerichtet haben, zumindest teilweise kompensieren könnten – ist jahrzehntelang verschämt totgeschwiegen worden. Zu Zeiten der Sowjetunion war es nicht üblich, von Deutschland eine Entschädigung für die Verluste an russischer Kunst zu fordern oder diese überhaupt zu thematisieren. Und sie waren enorm: Hunderte von zerstörten Museen, vertriebene oder teilweise vernichtete Kunstsammlungen, aus der UdSSR verschleppte und spurlos verschwundene Kunstgegenstände und Kunstarchive. Mehr noch: Was die sogenannten sowjetischen "Trophäenbrigaden" aus Nazi-Deutschland mitbrachten, wurde später nach und nach wieder an Deutschland zurückgegeben. Allerdings wurden alle Kunstobjekte vorab auf Kosten der Sowjetunion sorgfältig restauriert. So geschehen zum Beispiel mit der Sammlung der Dresdner Galerie – und mit vielen anderen Objekten.
Daher ist die Position der legendären ehemaligen Direktorin des Puschkin-Museums Irina Antonowa – die einst die aus Deutschland mitgebrachten Objekte zur Verwahrung entgegennahm – im Prinzip verständlich: "nichts zurückgeben", sondern die Trophäensammlungen als Wiedergutmachung für das anerkennen, was die Nazi-Truppen in Russland zerstört haben. Doch die sowjetische Führung entschied anders – und die aus Deutschland übernommenen Trophäenobjekte wurden nie legitimiert. Deshalb traute sich kaum jemand, sie auszustellen. Doch die jetzige Direktorin, Elisaweta Lichatschowa, hat den nötigen Mut für einen solchen Schritt.
Im Puschkin-Museum will man also die Kunst als "eines der Hauptopfer jedes Krieges" betrachten, schreibt die Nachrichtenagentur TASS über die bevorstehende Ausstellung. Laut Museumsdirektorin Elisaweta Lichatschowa wird sich der erste Teil der Ausstellung auf Kunstwerke konzentrieren, die den Bombenangriff auf den Berliner Bunker Friedrichshain am 17. Mai des Jahres 1945 überlebt haben. "Derzeit stehen einige der Werke aus dem Bunker in den Museumsräumen. Wir erzählen diese Geschichte schon seit langem, aber jetzt wollen wir sie in konzentrierter Form erzählen", betont sie. Der zweite Teil der Ausstellung befasst sich mit der Geschichte der kulturellen Verluste in der ehemaligen UdSSR und deren Interpretation durch zeitgenössische Künstler. Und da geht es vor allem um mittelalterliche Fresken aus Nowgorod, die nach dem Krieg vollständig zerstört waren.
"Eine Ausstellung, die dem Krieg gewidmet ist, ist eher eine Ausstellung darüber, dass es für die Kunst keinen Krieg gibt, so wie es auch keinen Tod gibt. [...] solange es Menschen gibt, für die das alles wichtig ist", fasst die Museumsdirektorin zusammen.
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