Von Andrei Restschikow
Russland zählt heute zu den Top-3 der großen Volkswirtschaften mit der geringsten Staatsverschuldung pro Kopf. Gemäß diesem Parameter rangiert das Land nun an dritter Stelle hinter Indien und Indonesien. Experten erinnern daran, dass Russland von der UdSSR eine astronomische Staatsverschuldung erbte, deren Abbau eine der Errungenschaften der ersten beiden Amtszeiten von Wladimir Putin war. Nach 2014 musste das Land seine Finanzstrategie ändern, was auch zu fruchtbaren Ergebnissen führte.
Unter den großen Volkswirtschaften der Welt steht Russland an dritter Stelle, wenn es um die niedrigste Staatsverschuldung geht. Diese Daten stammen von den G20-Ländern. In der ersten Jahreshälfte entfielen auf jeden russischen Bürger nur 2.076 US-Dollar an Staatsschulden. Auf dem ersten Platz liegt Indien (1.316 US-Dollar pro Kopf) und auf dem zweiten Platz Indonesien (1.747 US-Dollar pro Kopf).
Der Durchschnittswert in der G20 beträgt mehr als 23.000 US-Dollar, und in einigen der führenden Volkswirtschaften der Welt übersteigt er 100.000 US-Dollar pro Kopf. In den Vereinigten Staaten ist dieser Indikator mehr als 50-mal höher als in Russland und beträgt 104.500 US-Dollar. Und unter den Ländern der Welt findet sich die höchste Zahl in Singapur: 149.300 US-Dollar pro Person.
Nicht mehr als 5.000 US-Dollar beträgt die Staatsverschuldung pro Kopf in der Türkei (2.800), China (3.000) und Südafrika (4.500). In Brasilien, Mexiko, Saudi-Arabien und Argentinien schwankt dieser Wert zwischen 5.000 und 10.000 US-Dollar. Eine hohe Staatsverschuldung pro Kopf ist auch in Japan (70.400 US-Dollar), Frankreich (40.300 US-Dollar), Großbritannien (51.600 US-Dollar) und Italien (51.900 US-Dollar) zu beobachten.
Nach Angaben der russischen Zentralbank sank die Auslandsverschuldung des Landes zum 1. Juli seit Jahresbeginn um 3,4 Prozent (oder 10,7 Milliarden US-Dollar) auf 306,1 Milliarden US-Dollar. Dies ist eines der niedrigsten Ergebnisse seit 1993 (der Rekord wurde im April erreicht, als dieser Wert auf 304 Milliarden US-Dollar sank) und – gemessen an der Pro-Kopf-Verschuldung – seit 2005. Im Jahr 2020 beispielsweise stieg die Staatsverschuldung um fast 40 Prozent auf 18,99 Billionen Rubel, was 17,8 Prozent des BIP entsprach. Der Höchststand der Auslandsverschuldung pro Kopf in Russland lag im Jahr 2013 bei 5.072 US-Dollar.
Die Weltbank geht davon aus, dass die Staatsverschuldung für ein Land dann problematisch wird, wenn sie 77 Prozent des BIP erreicht. Aus diesem Grund wird der Umfang der russischen Staatsverschuldung auf einem sicheren Niveau gehalten und bleibt einer der niedrigsten in der Welt.
"Russland hat die Auslandsverschuldung der UdSSR geerbt, die in der Zeit vor Michail Gorbatschow gering war und nach ihm astronomisch hoch wurde. Michail Sergejewitsch hat eine Menge Geld in Schulden angehäuft. Vielen ehemaligen Warschauer-Pakt-Ländern wurden diese Schulden einfach erlassen. Auch Russland wurde ein Teil der Schulden abgeschrieben, aber kein besonders großer", erinnert der Wirtschaftswissenschaftler Alexander Rasuwajew, Mitglied des Aufsichtsrates der Gilde der Finanzanalysten und Risikomanager.
Die Tatsache, dass Russland heute unter den großen Volkswirtschaften der Welt an dritter Stelle steht, was die niedrigste Staatsverschuldung angeht, sei ein Verdienst von Präsident Wladimir Putin und Ex-Finanzminister Alexei Kudrin, betont der Experte. Ihm zufolge hätte eine hohe Auslandsverschuldung aufgrund des Sanktionsdrucks zu mehr Problemen geführt.
"Die Situation hat sich bereits während Putins erster Amtszeit geändert. Wir haben das Problem der Auslandsverschuldung gelöst, indem wir die sowjetischen Schulden abbezahlt haben. Das haben wir geschafft, indem wir durch die Einführung hoher Steuern auf die Ölindustrie die natürlichen Renten in die Staatskasse zurückfließen ließen.
Mit den eigenen Mitteln zu leben, ist genau Stolypins Wirtschaftspolitik. Es ist falsch, auf Kredit zu leben. Richtig ist es, zu sparen und keine Schulden zu haben",
so der Gesprächspartner weiter.
Nach 2014 setzte Russland eine neue Strategie für die Unternehmensverschuldung ein. Es wurden gezielt Reserven gebildet und die Schuldendisziplin wurde beibehalten.
"Die Staatsverschuldung umfasst nicht nur die Staats-, sondern auch die Privatverschuldung. Während Russland in den ersten beiden Amtszeiten von Wladimir Putin die Auslandsschulden des Staates loswurde, begann Russland nach 2014, als der Westen die ersten Sanktionen verhängte, die Unternehmensschulden abzubauen, wobei sich die inländische Kreditvergabe zu entwickeln begann, auch unter staatlicher Kontrolle", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Wassili Koltaschow.
Ihm zufolge implizierte das frühere System, dass russische Banken und Unternehmen Kredite im Ausland aufnehmen, während Russland sein Geld in den westlichen "Geldbüchsen" lagert.
"Die Mechanismen der internen Kreditvergabe haben zu funktionieren begonnen, wenn auch nicht so, wie es sich viele gewünscht haben. Gleichzeitig hat die Regierung begonnen, die Unternehmen zur Tilgung ihrer Auslandsschulden zu drängen. Im Allgemeinen haben die russischen Unternehmen die günstige preisliche Konjunktur genutzt, um Investitionen auf Gewinnbasis zu tätigen, anstatt sich Geld aus dem Westen zu leihen. So entstand eine gesunde Schuldenstruktur, die unserer Wirtschaft gute Wachstums- und Entwicklungsaussichten verspricht", meint Koltaschow.
Rasuwajew betont,
dass Russland nun problemlos die spezielle Militäroperation durchführen kann, "ohne sich Sorgen um die Bewältigung seiner Auslandsverschuldung zu machen".
"Sollten die Wirtschaftssanktionen auch nur teilweise aufgehoben werden, wird es einen Investitionszustrom geben und die Kapitalisierung der russischen Unternehmen wird wachsen. Außerdem kann man mit Investitionen aus den Ländern des Persischen Golfs rechnen. Nach den Prognosen westlicher Experten könnte man von einem Investitionsvolumen von 11 bis 14 Milliarden US-Dollar pro Jahr sprechen. Diese Zahlen entsprechen der Realität, denn für das islamische Bankwesen ist das Verhältnis der Auslandsverschuldung zum BIP ein Schlüsselfaktor, sodass man davon ausgehen kann, dass dieses Geld tatsächlich in das Land fließen wird", prognostiziert der Finanzanalyst.
Der Experte betont, dass in den USA, wo die Staatsverschuldung kürzlich mit 35 Billionen US-Dollar einen neuen Rekord erzielte, ernsthafte Risiken für eine Finanzkrise bestehen. "Ich schließe nicht aus, dass in naher Zukunft eine große Finanzkrise in Amerika ausbricht", warnt Rasuwajew.
Koltaschow fügt hinzu, dass die gigantische Haushaltsineffizienz in den USA direkt mit der Unternehmensverschuldung zusammenhängt. "In Russland ist es nicht Aufgabe des Staatshaushalts, Unternehmen bei der Tilgung von Auslandsschulden zu helfen. Im Allgemeinen sind die Unternehmen profitabel. Daher löst der russische Staatshaushalt die Aufgaben der infrastrukturellen Entwicklung, der Verbesserung der sozialen Entwicklung und gibt Geld für militärische Bedürfnisse aus. Die Stimulierung des Unternehmenssektors erfolgt nur in indirekter Form", meint der Wirtschaftswissenschaftler.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 3. August 2024 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
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