Umgehung von Sanktionen: Russlands Zentralbank will Kryptowährungen legalisieren

Die vom Westen verhängten Sekundärsanktionen haben Russlands Geschäfte mit anderen Ländern stark beeinflusst. Verzögerungen bei Abrechnungen mit ausländischen Handelspartnern zwingen die russischen Finanzbehörden dazu, ungewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen.

Zahlungsschwierigkeiten bei Importen wegen sekundärer Sanktionen bringen die russische Zentralbank dazu, nach Auswegen zu suchen. Nun könnten Kryptowährungen eine Alternative für grenzüberschreitende Zahlungen sein und Russland im internationalen Handel unterstützen.

Die Zentralbank der Russischen Föderation erwarte, dass die ersten experimentellen grenzüberschreitenden Zahlungen in Kryptowährungen noch dieses Jahr stattfinden werden, erklärte Elwira Nabiullina, die Chefin der russischen Zentralbank, am Dienstag auf einer Sitzung des Föderationsrates.

"Die Risiken von Sekundärsanktionen haben zugenommen", sagte sie. "Sie erschweren Zahlungen für Importe, was eine breite Palette von Waren betrifft." Nabiullina betonte, dass es den Unternehmen trotz der Sanktionen gelinge, einen Ausweg zu finden. Allerdings führten die Schwierigkeiten zu steigenden Kosten und längeren Fristen auch bei den Lieferketten. Solange die Zahlungen in US-Dollar und Euro sowie über das SWIFT-Abwicklungs- und Zahlungssystem durchgeführt würden, seien Zahlungen sanktionsgefährdet, so Nabilullia.

Die Regulierungsbehörde plane, auf Abrechnungen in Landeswährungen überzugehen. Allerdings sei eine völlige Umstellung auf die Bezahlung von Importen und Exporten in Landeswährung nicht möglich, erklärte Wladimir Tschernow, ein Analyst bei Freedom Finance Global, gegenüber der Online-Zeitung Wsgljad. Er wies darauf hin, dass nicht alle ausländischen Handelspartner bereit seien, auf gegenseitige Abrechnungen in Landeswährungen umzusteigen.

Daher sei es notwendig, nach neuen Optionen für Abrechnungen mit Handelspartnern außerhalb der westlichen Finanzinfrastruktur zu suchen, die fast die gesamte Finanzwelt vereinnahmt habe, so die Zeitung. Es sei logisch, dass die nicht-westliche Welt ein eigenes Finanzsystem schaffe. Die BRICS-Staaten bewegten sich schon in diese Richtung. Das Abwicklungs- und Zahlungssystem BRICS Bridge sehe Abrechnungen mittels digitaler Währungen der Zentralbanken vor.

Daher will die russische Zentralbank die experimentelle Verwendung von Kryptowährungen bei internationalen Transaktionen bis Jahresende einführen. Am Dienstag hat die Staatsduma ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, das grenzüberschreitende Abrechnungen und Börsentransaktionen mit digitalen Währungen ermöglicht. Das neue Gesetz soll am 1. September in Kraft treten. Die Regulierungsbehörde diskutiere noch immer mit Ministerien und Unternehmen über die Bedingungen eines solchen Experiments, schrieb Wsgljad. Dies bedeute, dass in Russland möglicherweise eigene Börsen und Devisenmärkte für Kryptowährungen entstehen könnten, so die Zeitung.

Im Rahmen des Projektes BRICS-Bridge könnten die BRICS-Länder den Einfluss westlicher Staaten auf gegenseitige Abrechnungen zwischen den Mitgliedern der Organisation vermeiden, betonte Tschernow. "Man könnte sich einfach darauf einigen, Importe und Exporte mit Kryptowährungen zu bezahlen. Aber Russland diversifiziert nun die Risiken und versucht, gleich mehrere Alternativen zum SWIFT-System für grenzüberschreitende Überweisungen zu schaffen", so der Experte.

Die Initiative der Zentralbank, mit ausländischen Partnern Abrechnungen in Kryptowährungen durchzuführen, sei ungewöhnlich. Angesichts des mangelnden Bedarfs habe sich die Praxis noch nicht durchgesetzt, bemerkte Tschernow. "Aber Russlands Zentralbank hat jetzt einfach keine andere Wahl."

Seit Kriegsbeginn in der Ukraine im Februar 2022 seien 494 Unternehmen aus 57 Ländern wegen ihrer Verbindungen mit Russland von Sekundärsanktionen der USA betroffen, teilte die Zeitung Wedomosti am Montag mit. Die Sekundärsanktionen der USA treffen Personen und Unternehmen in Drittländern sowie diese Drittländer selbst wegen ihrer Geschäfte mit Russland. Die Einschränkungen zielen auch darauf ab, "ein Signal an andere Unternehmen und Organisationen in Drittländern zu senden", sagte Iwan Timofejew, Leiter des Russischen Rates für internationale Angelegenheiten, gegenüber Wedomosti.

Der Hauptgrund für die von den USA verhängten Sekundärsanktionen sei der Handel mit bestimmen Waren sowie eine Unterstützung der Umgehung von Beschränkungen durch Unternehmen und Personen, die bereits unter Sanktionen stünden. Die meisten Fälle von Sekundärsanktionen bezögen sich auf Lieferungen von Elektronik, Industriegütern und Ausrüstungen nach Russland, die der Ausfuhrkontrolle des US-Finanzministeriums unterlägen, so der Experte.

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