Von Dmitri Skworzow
Die Realität widerlegte erneut die pessimistischen Prognosen westlicher Wirtschaftswissenschaftler über die Perspektiven der russischen Wirtschaft. Der Geschäftsaktivitätsindex (PMI) des verarbeitenden Sektors in Russland stieg im Mai auf 54,4 Punkte gegenüber 54,3 Punkten im April.
Dies "deutet auf eine deutliche Aufwärtsentwicklung im russischen Produktionssektor hin", so S&P Global. Die Agentur stützt sich auf die Resultate einer Umfrage unter den Einkaufsmanagern russischer Unternehmen (es handelt sich genau genommen um den sogenannten PMI-Index, der monatlich für alle führenden Volkswirtschaften erstellt wird).
Im März erreichte das russische Produktionsgewerbe das schnellste Wachstum seit fast 18 Jahren. Wie die Ergebnisse der S&P-Umfrage zeigen, kam es gleichzeitig zum ersten Mal seit Oktober 2023 zu einem deutlichen Anstieg der Exportaufträge. Das heißt, Russland vermehrt nicht nur seine Energie- und Lebensmittellieferungen ins Ausland, sondern auch seine Industrieexporte.
Diese Daten werden auch von der Statistikbehörde Rosstat bestätigt. Entsprechend der Ende Mai veröffentlichten Statistik stieg die russische Industrieproduktion von Januar bis April 2024 um 5,2 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum 2023.
Obwohl internationale Experten die Widerstandsfähigkeit der russischen Wirtschaft in Anbetracht der Sanktionen anerkannten, prognostizierten sie einen industriellen Abschwung in Russland. "Die russische Wirtschaft wird mittelfristig durch den Weggang transnationaler Unternehmen, den Verlust von Humankapital und die Abkopplung von den globalen Finanzmärkten geschwächt", sagte die Sprecherin des Internationalen Währungsfonds, Julie Kozak, im August 2023. "Deshalb erwarten wir, dass die Industrieproduktion in Russland mittelfristig um sieben Prozent unter der Vorkriegsprognose liegen wird."
Aber schon 2023 wuchs die russische Wirtschaft um 3,6 Prozent. Dieses Wachstum wurde zu einem großen Teil von der Industrie getragen. Im letzten Quartal 2023 stieg die Kapazitätsauslastung auf 81 Prozent (nach westlichen Maßstäben ist das ein sehr hoher Wert).
Das Wirtschaftswachstum in Russland setzte sich im Jahr 2024 fort. Im ersten Quartal 2024 stieg das russische Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum ersten Quartal 2023 um 5,4 Prozent. Die Industrie wächst ebenfalls.
"Trotz unfreundlicher Maßnahmen entwickelt sich die Inlandsindustrie dynamisch", betont der russische Ministerpräsident Michail Mischustin. "Vor allem dank der Verarbeitungsindustrie verzeichnen wir im April ein Wachstum von mehr als acht Prozent. Seit einigen Monaten ist der Maschinenbau dabei der Haupttreiber, hier stieg die Produktion im selben Monat um 30 Prozent. Spricht man von Segmenten, so hat zum Beispiel die Herstellung von Computer- und Elektronikgeräten bereits um 44 Prozent zugenommen."
Und dies sind nur die Daten bezüglich der größten Segmente der Wirtschaftsstatistik. Die Bemühungen um Importersatz und Stärkung der technologischen Souveränität führten zum Entstehen neuer Industrien in Russland – beispielsweise die Produktion von Ausrüstungskomponenten, Verbrauchsmaterialien für die eingesetzten importierten Geräte und so weiter. Alle diese Branchen tragen zum Gesamtwachstum bei.
Besonders aussagekräftig ist die Situation in den am stärksten industrialisierten Regionen, wie der Hauptstadt. "Noch nie zuvor ist in Moskau das Volumen der verarbeitenden Industrieproduktion um 18 Prozent pro Jahr gewachsen, und das betrifft nicht nur die Rüstungsindustrie, sondern alles: Pharmazeutika, Maschinenbau, praktisch alle Schlüsselsektoren", sagt der Hauptstadtbürgermeister Sergei Sobjanin. Und ihm zufolge "verzeichnet das ganze Land ein ziemlich starkes Wachstum".
Westliche Analytiker (und einige liberale russische Wirtschaftswissenschaftler) interpretierten diese Daten als einen kurzfristigen Anstieg, der durch die Zunahme von Verteidigungsaufträgen verursacht wurde und Zweifel an den Aussichten für das Industriewachstum aufkommen ließ.
Doch diejenigen, die die Geschäfte in der Praxis führen – Geschäftsführer und führende Manager von Unternehmen (anhand deren Umfrage wird der Geschäftsaktivitätsindex erstellt) – sind optimistischer. Diese Stimmung spiegelt sich in dem oben erwähnten Index der Geschäftsaktivität (PMI) wider.
Was sind aber die Faktoren für den Optimismus und warum wächst die russische Industrie so schnell? Es gibt eine Kombination mehrerer Schlüsselfaktoren, die das Industrie- und Wirtschaftswachstum im Allgemeinen stimulieren. Selbstverständlich spielt der Anstieg der staatlichen Ausgaben für den Kauf von Industrieprodukten, einschließlich militärischer Produkte, eine wichtige Rolle. Darüber hinaus steigt das Investitionsvolumen für den Bau neuer und den Ausbau bestehender Produktionsanlagen deutlich an. Hinzu kommen die steigenden Exporte von Nicht-Rohstoffen und das Ausgabenwachstum der privaten Haushalte (in Verbindung mit dem Wachstum des Spargutvorhabens, wodurch der langfristige Charakter der Nachfrage gewährleistet wird).
Die Bevölkerung stützt also die Nachfrage nach inländischen Industrieprodukten.
"Auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg (SPIEF) wurde darüber diskutiert, wie der Binnenmarkt mit Gütern gefüllt werden kann. Wir können es auf Kosten der Importe tun, aber dann bereichern wir die Importeure. Das wollen wir nicht. Die Entwicklung der Inlandsindustrie und die Produktion von Konsumgütern entsprechen dem Bevölkerungswunsch", so Alexei Subez, Direktor des Instituts für Sozialwirtschaftsforschung an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, gegenüber der Zeitung Wsgljad.
Die Exporte (einschließlich der Ausfuhren von Nicht-Rohstoffen) tragen ihrerseits zu einer positiven Handelsbilanz bei. Russland verfügt über beträchtliche Finanzmittel, um im Ausland sowohl die Komponenten zu kaufen, die noch nicht durch Importe ersetzt wurden, als auch Produktionsmittel: Werkzeugmaschinen und Ausrüstung für neue Inlandfabriken. Allein im Zeitraum von Januar bis April stieg der Handelsbilanzüberschuss um 18,8 Prozent auf 50,5 Milliarden US-Dollar.
Der Handelsbilanzausgleich beruht weitgehend auf einer Wiederbelebung der Nicht-Rohstoffexporte. Dadurch verringert sich die Abhängigkeit Russlands von den weltweiten Kohlenwasserstoffpreisen.
Durch die Exportdiversifizierung wird zudem der außenwirtschaftliche Einfluss Russlands gestärkt. Der Export technisch anspruchsvoller Produkte (und Konsumgüter machen nur einen geringen Anteil an Russlands Exporten aus) stärkt die Beziehungen zu den Importländern, in die unsere Spezialisten – Maschineneinrichter, Konstrukteure, Facharbeiter – entsandt werden. Auch die Mitarbeiter, die unsere Anlagen später bedienen werden, werden bei uns geschult. Der Export ist also nicht nur ein Mittel, um Fremdwährungen zu verdienen, sondern wird auch zu einem Instrument der sanften Macht.
Die Kernkraftindustrie ist ein gutes Beispiel dafür. Russland baut nicht nur Reaktoren, sondern bildet auch Fachkräfte aus und schafft oft neue Industrien in der Wirtschaft des Kundenlandes und unterstützt das Entstehen von hoch qualifiziertem wissenschaftlichem und technischem Personal in diesem Land.
Die Tendenzen zur Exportausweitung bei den Nicht-Rohstoffen beginnen sich gerade erst zu entwickeln. Das inländische Unternehmertum rechnet daher damit, dass die günstige Konjunkturlage anhalten wird.
Aber nicht nur die Inlandsunternehmen sind zuversichtlich, dass das Wirtschaftswachstum in Russland andauern wird, auch die ausländischen Unternehmer, die noch auf dem russischen Markt tätig sind, vertreten die gleiche Ansicht. Tatsächlich ist es so, dass viele von ihnen Russland nicht verlassen haben. Dies geht aus einem aktuellen Bericht des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsforschung hervor. In dem Bericht heißt es, dass "nur 9,5 Prozent der ausländischen Unternehmen Russland gänzlich verlassen haben". Viele Unternehmen, die angekündigt hatten, sich von ihren russischen Aktiva zu trennen, teilten mittlerweile die Änderung ihrer Entscheidung mit. Einige Unternehmen sprechen zwar immer noch von einem künftigen Rückzug, bauen aber in Wirklichkeit ihre Aktivitäten in Russland heimlich weiter aus. Auch im Bereich der Industrieproduktion.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 17. Juni 2024 zuerst in der Zeitung Wsgljad erschienen.
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