Russland ist zum fünftbeliebtesten Land der Welt für ausländische Studenten geworden. Diese Aussage machte der Leiter der Regierungsagentur für internationale humanitäre Zusammenarbeit, Jewgeni Primakow, im Gespräch mit der TASS. Wie aus dem Nationalen Bericht an die Föderalversammlung über die Umsetzung der staatlichen Politik im Bereich der Bildung hervorgeht, studierten im Wintersemester 2023–2024 rund 356.000 internationale Studenten an russischen Hochschulen. Im Herbst 2018 zählte das Ministerium 290.000 ausländischen Studenten, was einem Anstieg um 23 Prozent in fünf Jahren entspricht.
Laut dem Dekret von Präsident Wladimir Putin "Über die nationalen Entwicklungsziele der Russischen Föderation" sollte die Zahl der ausländischen Studenten bis 2030 auf 500.000 steigen. Um diese Zahl zu erhöhen, müsse man laut dem Bildungsminister Waleri Falkow nach neuen Lösungen suchen. Er hatte kürzlich vorgeschlagen, statt oder parallel zu der derzeitigen Quote von Plätzen, die für Studenten aus dem Ausland reserviert sind, eine Stipendienfinanzierung für ausländische Interessenten einzuführen.
Im Studienjahr 2023–2024 betrug die bereitgestellte Quote rund 30.000 Plätze, so Falkow. Seiner Meinung nach deckt diese Quote aber lediglich das Recht eines ausländischen Staatsbürgers auf kostenlose Ausbildung an der Universität ab, während ein Stipendium auch Transportkosten, Unterkunft im Wohnheim, Krankenversicherung und ein Taschengeld für gute akademische Leistungen umfassen würde.
Die Erhöhung der Anzahl ausländischer Studenten sei sowohl für den Staat als auch für die Universitäten wichtig, argumentiert Darja Miljajewa, Leiterin der Abteilung für internationale Zusammenarbeit an der Moskauer Pädagogischen Universität. Ihrer Ansicht nach sei der Anstieg der internationalen Studenten ein wichtiger Hebel des Einflusses im Ausland:
"In unserer beruflichen Tätigkeit treffen wir oft auf Absolventen russischer Hochschulen, die eine herzliche Haltung gegenüber Russland bewahren und bereit sind, bei der Etablierung einer Zusammenarbeit mit ihrem Heimatland mitzuhelfen."
Für Hochschulen sei die Gewinnung ausländischer Studenten einer der Leistungsindikatoren, so Miljajewa. Sie erinnerte daran, dass das Ministerium für Bildung und Wissenschaft von den Universitäten erwarte, dass der Anteil ausländischer Studenten jährlich mindestens 10 Prozent der Gesamtzahl ausmache.
Traditionell kommen Studenten aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und China nach Russland, so Jewgeni Terentjew, Direktor des Bildungsinstituts der Nationalen Forschungsuniversität "Höhere Schule für Wirtschaft". Dies sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass die meisten Verträge russischer Hochschulen mit Organisationen aus China, Kasachstan, Usbekistan, Weißrussland und Kirgisistan abgeschlossen würden. Terentjew zufolge seien Inder eher an einer medizinischen Ausbildung interessiert, während Syrer und Iraker eher eine technische Richtung bevorzugten.
Lateinamerika könnte ebenfalls ein neuer potenzieller Markt sein, aber hier gebe es mehrere Schwierigkeiten – große Entfernungen und Sprachbarrieren, schloss er.
Russland sei aus unterschiedlichen Gründen ein attraktives Zielland für die internationale Mobilität von Studenten, so die Zeitung Wedomosti. Zu den Standortvorteilen gehören die hohe Qualität der Hochschulausbildung, der Wegfall von Studiengebühren und die guten Karrierechancen für Absolventen auf dem nationalen Arbeitsmarkt. Der Abschluss einer russischen Hochschule ermögliche es einem Absolventen, in Russland eine Beschäftigung als hoch qualifizierter Spezialist zu finden, anstatt einfach als Migrant mit fehlender Eignung und ohne formale Bildung zu gelten. Absolventen aus afrikanischen und asiatischen Ländern hätten bei ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Landsleuten.
Russische Hochschulen belegen Spitzenplätze im Ranking der besten Universitäten der Welt. Zum Beispiel sei die Lomonossow-Universität Moskau (MGU) in den Top 100 der besten Universitäten der Welt in den Bereichen Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Technologie sowie Geisteswissenschaften und Kunst vertreten, berichtet TASS.
In Russland haben sich historisch bedeutsame wissenschaftliche Schulen in verschiedenen Bereichen herausgebildet. Dies erzeugt eine hohe Nachfrage, insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung. Russische Hochschulen bieten über 4.000 grundlegende Bildungsprogramme für ausländische Studenten an. Es sei praktisch möglich, jeden Beruf zu erlernen – vom Aerodynamikspezialisten bis hin zum Bioinformatiker.
Dabei gehören medizinische Fachrichtungen zu den beliebtesten und gefragtesten unter Ausländern. Der hohe Lehrstandard, der von russischen Hochschulen erreicht werde, sei weltweit bekannt, berichtet RACUS, eine Gruppe staatlicher russischer Universitäten. Das Prestige des medizinischen Bildungssystems werde weniger durch pompöse Titel, als vielmehr durch durchdachte Lehrprogramme bestätigt, die eng mit Theorie und Praxis verbunden seien. Russische Absolventen bestehen erfolgreich Prüfungen in anderen Ländern der Welt und können ihre erstklassige Qualifikation problemlos nachweisen.
Zum Beispiel belegen Absolventen russischer Universitäten in Indien den ersten Platz bei der Anzahl der erfolgreich bestandenen FMGE-Prüfungen (Foreign Medical Graduate Examination) zur Bestätigung ihrer Qualifikation. Sie leisten einen Beitrag zur Entwicklung der weltweiten Medizin, bauen erfolgreiche Kliniken auf der ganzen Welt und machen bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen. Darüber hinaus seien die Bildungskosten in Russland relativ niedrig: Ein Studienjahr im Jahr 2023 kostet durchschnittlich 1.800 Euro. Zum Vergleich: Die Grundausbildung in den Vereinigten Staaten kostet durchschnittlich 28.000 Euro, so das Online-Magazin Journal.Tinkoff.
Nach Angaben von RACUS seien die fünf Länder mit den meisten internationalen Studenten im Jahr 2021 die Vereinigten Staaten, England, Deutschland, Frankreich und Russland gewesen. Der Unterschied zwischen ihnen war dabei äußerst gering: Deutschland und Frankreich lagen nur 5.000 Studenten vor Russland. Angesichts der Tatsache, dass Russland im Jahr 2024 immer noch auf Platz fünf liegt, haben sich seine Zukunftsaussichten nicht verschlechtert. Laut Falkow sei dieser Prozess durch die politische Situation, einschließlich der Sonderoperation russischer Truppen in der Ukraine, nicht beeinflusst worden.
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