Moskau macht der Kiewer Führung den regelmäßigen Beschuss des in Energodar gelegenen Kernkraftwerks Saporoschje zum Vorwurf. Kiew samt seinen westlichen Lehensherren erwidert diese Vorwürfe meist spiegelgerecht und setzt gern noch einen drauf: Man beschuldigt Russlands Militär, auf dem Kraftwerksgelände schwere Waffen disloziert zu haben. So missbrauche die russische Armee die aufgrund ihrer Natur hochgradig heikle Anlage als "Schutzschild" für derartige Waffensysteme.
Rafael Grossi, der Leiter der Internationalen Atomenergieorganisation, hat diese Behauptungen im Nachgang an die Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen am 15. April 2024 gegenüber Journalisten erschöpfend dementiert:
"Dort sind keine schweren Waffen."
Experten der IAEA haben bei ihren Inspektionen vor Ort sehr wohl russische Sicherheitstruppen und sogar einige gepanzerte Fahrzeuge vorgefunden – doch ausdrücklich eben keine Kampfpanzer, keine Rohr- oder Raketenartillerie oder andere Waffensysteme, deren Dislozierung an Nuklearanlagen verboten ist.
Wer das Kernkraftwerk nun beschieße, könne die IAEA indes nicht feststellen, erklärte Grossi. Hierzu fehle ihr das Mandat ebenso wie unbestreitbares Indizienmaterial.
Unmittelbar angegriffen wurde das Kernkraftwerk Saporoschje zuletzt am 07. April 2024. Zum ersten Mal seit November 2022 und somit nach einer mehr als einjährigen Pause. IAEA-Inspektoren stellten einen Einschlag in der Schutzkuppel des sechsten Reaktorblocks fest, so Grossi bei seinem Vortrag im UN-Sicherheitsrat. Der IAEA-Leiter betonte ferner:
"Während der Schaden am Bauwerk ein oberflächlicher ist, setzt dieser Angriff einen sehr gefährlichen Präzedenzfall erfolgreichen Beschusses der Reaktorschutzkuppel.
Diese wahnwitzigen Angriffe müssen unverzüglich aufhören."
Wassili Nebensja, Russlands Ständiger Vertreter im UN-Sicherheitsrat, hat auf die schieren Massen an Kampfdrohnen des ukrainischen Militärs hingewiesen, die Russlands Luftabwehr und die Truppen der elektronischen Kampfführung abzuwehren haben. Es handele sich um bis zu 100 Stück pro Woche.
Alexei Lichatschow, der Leiter des russischen staatlichen Nuklearanlagenbau- und Betreiberkonzerns Rosatom, zeigte sich im Ersten Russischen Fernsehen besorgt:
"Allein schon die Einschläge, die es in den letzten Tagen gegeben hat, rufen Besorgnis hervor. Besonders aktiv ging es am 07. April her."
Für etwaige Ernstfälle wie Schäden an den Zuleitungen für die externe Stromversorgung des Kraftwerks, zumal mit Brennstoff beladene AKW aller gängigen Bauarten auch im abgeschalteten Zustand immer Strom benötigen, habe man vorgesorgt, so Lichatschow:
"Kühlwasservorräte, Reserve-Dieselgeneratoren und die nötigen Volumen an Treibstoff dafür – das alles ist in Überschuss vorhanden."
Die Angriffe des ukrainischen Militärs auf die Umgebung des Kernkraftwerks Saporoschje eskalierten am 05. April 2024: Kamikazedrohnen steuerten eine Werkskantine an, den Fluss-Frachthafen sowie das Schulungszentrum mit dem weltweit einzigen vollständigen Atomreaktorhallen-Simulator. Am 07. April erfolgte schließlich ein Angriff unmittelbar auf einen Reaktor.
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