Die schwere dreistufige Trägerrakete Angara-A5 ist um 12:00 Uhr Moskauer Zeit vom Kosmodrom Wostotschny in der russischen Amur-Region gestartet. Russlands staatliche Raumfahrtbehörde Roskosmos übertrug auch diesen dritten Startversuch in einem TV-Livestream.
Nachdem die Rakete knapp zwölf Minuten nach dem Start ihre erdnahe Parkbahn (LEO) erreichte, trennte sich ihre Oberstufe 14S48 Orion plangemäß von der dritten Stufe der Rakete. Im Rahmen dieses ersten Testflugs muss Orion nun eine Test-Nutzlast auf die beabsichtigte Umlaufbahn (also zunächst eine geostationäre Transferbahn GTO oder in einen geosynchronen Orbit GSO) bringen.
Der Start der schweren Rakete gelang auf den dritten Versuch. Die bisherigen Startversuche, die für den 9. April und dann den 10. April mittags geplant waren, wurden kurz vor der Triebwerkszündung automatisch vom Startalgorithmus aus technischen Gründen abgebrochen. Der Leiter von Roskosmos Juri Borissow informierte darüber, dass bei diesen Startabbrüchen noch keine unumkehrbaren Prozesse eingeleitet waren, die das Entleeren der Treibstofftanks und einen Rücktransport der Rakete erfordert hätten. Er fügte hinzu, dass derartige Abbrüche bei der Startvorbereitung und ein Verschieben von Raketenstarts aus technischen Gründen für die Entwickler zum Alltag gehören und dass die gegenwärtige Testphase im neuen Kosmodrom Wostotschny ja gerade auf das Überprüfen aller Routinen und die Beseitigung von solchen Mängeln abzielt.
Der Wissenschaftsjournalist Michail Kotow erklärte der Nachrichtenagentur RBC, dass die Starts der Angara-A5 als "Testflüge der Trägerrakete" der Zukunft bezeichnet werden können und dass in diesem Zusammenhang Startabbrüche zur Norm gehören und Unfällen vorzuziehen seien, bei denen die Rakete in der Regel zerstört werden könnte.
Die Angara-Typenserie ist die erste Familie von Trägerraketen, die in Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion entwickelt wurden. Die Familie besteht aus der leichten Trägerrakete Angara-1.2 sowie der schweren Angara-A5. Letztere soll kurzfristig die Proton-M-Rakete vollständig ersetzen, der sie auch hinsichtlich der Nutzlast mit 37 Tonnen gegenüber nur 22 Tonnen bei Proton-M überlegen ist.
Eines der wichtigsten Merkmale der Angara-Raketenfamilie ist darüber hinaus die Verwendung des bei Sojus-Raketen bewährten kerosinähnlichen Treibstoffs RP-1 und der Verzicht der bei den Schwerlastraketen vom Typ Proton verwendeten toxischen und hochgefährlichen, weil hypergolen Oxydator-Treibstoff-Kombination auf Grundlage von Distickstofftetroxid und Dimethylhydrazin UDMH. Dies steigert erheblich die Umweltverträglichkeit des Raketenkomplexes sowie die Umweltsicherheit der Region, in der sich das Kosmodrom befindet.
Die Angara-A5 wurde damit zum vierten Mal in der Geschichte gestartet, und zwar zum ersten Mal vom Kosmodrom Wostotschny. Zuvor war die Angara-A5 am 23. Dezember 2014, 14. Dezember 2020 und 27. Dezember 2021 drei Testflüge vom Kosmodrom Plessezk im Gebiet Archangelsk gestartet worden. Dieser Start vom Kosmodrom Wostotschny leitet damit auch die erforderlichen Tests der speziell dafür errichteten Startanlage dieses neuen Kosmodroms in der Amur-Region ein. Der Bau der erforderlichen Infrastruktur für die Starts von Angara-Raketen war in Wostotschny im Jahr 2018 begonnen worden. Die endgültige Indienststellung dieses Angara-Raketenkomplexes sichert Russland einen unabhängigen Zugang zum Weltraum vom eigenen Territorium.
In weiterer Zukunft sollen von Wostotschny modifizierte Raketen Angara-A5M starten, die auch Module sowie bemannte Raumschiffe für die geplante neue russische Raumstation in den erdnahen Orbit bringen sollen.
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