Ein Moskauer Bezirksgericht hat am Dienstag den Menschenrechtsaktivisten Oleg Orlow zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er leitete jahrelang die Menschenrechtsabteilung der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Bürgerrechtsorganisation Memorial. Vor zwei Jahren hatte der Oberste Gerichtshof Russlands die Zwangsauflösung von Memorial angeordnet.
Im vergangenen Herbst wurde Orlow zunächst zu einer Geldstrafe von 150.000 Rubel (rund 1.500 Euro) verurteilt, weil er wiederholt die russische Armee "diskreditiert" habe. Grund war sein Artikel mit dem Titel "Sie wollten den Faschismus. Sie haben ihn bekommen". Der Text war zuerst in der französischen Zeitschrift Mediapart und dann auf seiner Facebook-Seite erschienen.
Der 70-Jährige schrieb darin über die Merkmale, die der russische Staat seiner Meinung nach gegen Ende der Amtszeit von Wladimir Putin angenommen hat. Der Krieg in der Ukraine bedeute nicht nur Massenmord an Menschen und Zerstörung der Infrastruktur, sondern auch einen schweren Schlag für die Zukunft Russlands, kritisierte er.
Orlow und seine Anwälte legten Berufung gegen die Geldstrafe ein. Im Dezember hob ein Gericht das Urteil auf und verwies den Fall an die Staatsanwaltschaft zurück. Diese beharrte dann auf einer dreijährigen Haftstrafe. Sein Text habe die Interessen "einer gegenwärtig so wichtigen gesellschaftlichen Gruppe wie der Armee" beeinträchtigt, hieß es.
Der Menschenrechtsaktivist plädierte auf nicht schuldig. "Ich habe kein Verbrechen begangen", sagte Orlow. "Ich werde wegen eines Zeitungsartikels angeklagt, in dem ich das in Russland herrschende politische Regime als totalitär und faschistisch bezeichnet habe." Niemand habe erklärt, was Diskreditierung sei und wie sie sich von legitimer Kritik unterscheide.
Wie Korrespondenten aus dem Gerichtssaal berichteten, weigerte sich Orlow, am Gerichtsverfahren teilzunehmen. Während der Verhandlung las er den Roman "Der Prozess" von Franz Kafka. Nach der Urteilsverkündung wurde er noch im Gerichtssaal in Gewahrsam genommen. Berichten zufolge waren die US-Botschafterin in Russland, Lynne Tracy, und mehrere Diplomaten aus EU-Ländern bei der Urteilsverkündung anwesend.
Das Urteil ist das härteste seit Einführung eines Paragraphen gegen die sogenannte Diskreditierung der russischen Streitkräfte, berichten Medien. Das Justizministerium hatte Orlow zuvor als ausländischen Agenten eingestuft.
Die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, kritisierte das Urteil. Sie drückte ihre Solidarität mit Orlow "in dieser schwierigen Zeit" aus. "Er muss freigelassen werden", so Mijatovic.
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