Von Tom Dannert
Vor knapp einer Woche war es den russischen Streitkräften endlich gelungen, die Donezker Vorstadt Awdejewka nach langen Kämpfen von der ukrainischen Armee zu befreien. Inzwischen haben die Russen den Gegner zehn Kilometer weit zurückgedrängt.
Das ist ein außerordentlicher Erfolg, schließlich wird Awdejewka eine strategische Bedeutung im Ukraine-Krieg beigemessen. Für Kiew spielte diese Kleinstadt hinsichtlich der gesamten Verteidigung im Donbass eine zentrale Rolle. Deshalb hatten die Ukrainer dieses Gebiet bereits vor dem russischen Einmarsch 2022 in einen stark militarisierten Bezirk verwandelt, mit zahlreichen unterirdischen Verbindungen, geschützten Artilleriestellungen sowie in Wohnanlagen integrierten Verteidigungsbefestigungen.
Dies machte Awdejewka für viele Jahre zu einer uneinnehmbaren Festung, und eine russische Offensive an diesem Frontabschnitt nahezu unmöglich. Insofern stellte die Einnahme dieses strategischen Punktes für den weiteren Vormarsch Russlands schon seit den ersten Tagen der "Militärischen Sonderoperation" eines der Hauptziele dar.
Mehr Sicherheit für Donezk und Umgebung
Nach dem Fall von Awdejewka sind die Russen nun in der Lage, die Frontlinie weiter Richtung Westen zu verschieben und der Zivilbevölkerung in der Region damit mehr Sicherheit zu geben. Immerhin haben die aus Awdejewka geführten ukrainischen Angriffe mit FPV-Drohnen sowie die zahlreichen Artillerieschläge auf Donezk und die umliegenden Ortschaften jetzt ein Ende.
Vor allem mit Angriffen aus Haubitzen geht die ukrainische Führung bereits seit März 2014 und bis heute mit Terror gegen die Menschen im Donbass vor, die nach dem blutigen Machtwechsel in Kiew 2014 nicht mehr Teil der "Post-Maidan-Ukraine" sein wollten und sich für eine gemeinsame Zukunft mit Russland entschieden. Die Opfer dieser Angriffe gehen in die Tausende, die meisten davon Frauen, Kinder und Alte.
Eine ausreichende Sicherheit für die Bevölkerung wird aber erst dann gewährleistet werden können, wenn die ukrainische Artillerie sich noch viel weiter zurückzieht und an Donezk nicht mehr heranreichen kann. Angesichts der Tatsache, dass die Ukrainer unter anderem die französische Haubitze vom Typ "Caesar" mit einer Schussreichweite von etwa 40 Kilometern verwenden, müsste Russland seinen bisherigen Vorstoß also noch deutlich ausweiten.
Dafür könnten seine Truppen zum Beispiel in Richtung der etwa 110 Kilometer weiter nördlich gelegenen städtischen Agglomeration Slawjansk-Kramatorsk vorrücken. Diese zwei Städte bilden die letzte massiv ausgebaute Verteidigungslinie der Ukrainer in der Donezker Volksrepublik und gelten zudem als das Einfallstor nach Charkow. Gleichzeitig könnten die Russen im Süden zunächst zu der strategisch wichtigen Ortschaft Kurachowo vorstoßen, mit dem Ziel, anschließend die ebenfalls außerordentlich stark befestigte Stadt Ugledar einzunehmen. Dieses Unterfangen konnten die ukrainischen Einheiten in Awdejewka bis zuletzt vereiteln.
Wiederherstellung des logistischen Knotenpunktes
Darüber hinaus hat Awdejewka eine immense Bedeutung für die Logistik im Raum Donezk. Für das ukrainische Militär fungierte die Stadt als ein wichtiger Transport-Knotenpunkt, der für die Versorgung des gesamten Frontabschnitts essenziell war. Nun könnte sie für die russischen Truppen als Logistikzentrum dienen und die Frontabschnitte im Norden und Süden der Donezker Volksrepublik transporttechnisch endlich besser miteinander verbinden.
Dafür sollte Russland zunächst die Bahnverbindung zwischen Donezk und dem nahegelegenen Vorort Jasinowataja wiederherstellen, der bereits seit Sowjetzeiten als der Hauptknotenpunkt des Donbass gilt. Dieser Abschnitt wurde im Zuge der Kampfhandlungen zwischen Kiew und den Donezker Volksmilizen 2014 blockiert und seitdem praktisch nicht mehr verwendet. Zudem könnte Donezk durch eine andere Linie mit dem wichtigen Knotenpunkt Debalzewo verbinden, um dadurch auch die Versorgung der russischen Armee aus dem Hinterland zu erleichtern.
Darüber hinaus gibt es jetzt die Möglichkeit, die Ringautobahn um Donezk wiederherzustellen, die ebenfalls seit fast zehn Jahren außer Betrieb war. Diese Schnellstraße wurde extra für die Fußball-Europameisterschaft 2012 gebaut und könnte sowohl die für das Militär notwendige Logistik verbessern als auch künftig die Straßen rund um die regionale Hauptstadt entlasten.
Noch bleiben diese Bahn- und Straßenverbindungen in Reichweite der ukrainischen Artillerie und könnten daher nur bedingt genutzt werden. Sobald aber die Frontline weiter von Donezk weggerückt ist, werden sich die Transportkapazitäten im Donbass merklich erhöhen.
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