Von Maria Marikjan
"Ich will Frieden"
"Ich werde seit fast zwei Monaten behandelt. In einem Monat ist die Rehabilitation. Noch hinke ich, kann aber schon zumindest ohne Gehstock laufen. Ich hoffe, mit der Zeit wieder richtig laufen zu lernen", empfängt uns der Kämpfer mit dem Funknamen Sky vor seinem Patientenzimmer.
Im Oktober wurde er verwundet – eine Minenexplosion verletzte sein rechtes Bein. Die Kameraden aus seiner Gruppe überlebten durch ein Wunder. Ihnen gelang es, selbstständig an einen sicheren Ort zu kommen und auf eine Evakuierung zu warten.
Im Bataillon ist Sky seit Herbst – nach eineinhalb Jahren Kriegsgefangenschaft.
Zum ukrainischen Militär war er im Jahr 2020 gekommen. Damals hatte er bei Mangusch gelebt, im von Kiew kontrollierten Teil der Volksrepublik Donezk.
"Ich habe mich bei den Grenztruppen verpflichtet. Ich gestehe ehrlich: nur wegen des Geldes. Wegen COVID-19 gab es Probleme mit der Arbeit. Meine Frau wurde schwanger, wir brauchten Stabilität."
Im Februar 2022 wurde seine Einheit in die Nähe von Mariupol versetzt. Nach wenigen Wochen erlitt er eine Splitterwunde und eine Prellung.
"Das Kommando kümmerte sich einen Dreck um uns. Ich und mein Kamerad, der ebenfalls verwundet war, ließen alles liegen und gingen so zu Fuß nach Mariupol. Unterwegs wurden wir von einem Krankenwagen eingesammelt – sie brachten uns in ein Krankenhaus und behandelten uns. Als ein Korridor geöffnet wurde, ging ich zu mir nach Hause, nach Mangusch. Dort leben meine Verwandten, der Rest lebt in Donezk und 'auf dem Festland'. Ich versteckte mich nicht und meldete mich sofort bei der Kommandantur. Nach einiger Zeit wurde ich festgenommen, um zu prüfen, ob ich nicht an Verbrechen gegen das Volk des Donbass teilnahm", erzählt Sky.
Sky hätte ein Ende der Ermittlung abwarten können. Doch als er erfuhr, dass ein Bataillon aus ehemaligen ukrainischen Kämpfern aufgestellt wird, meldete er sich unter den Ersten.
"Ich schwor meinen Eid dem Volk, nicht der Regierung der Ukraine. Deswegen beschloss ich, die Zivilisten zu schützen. In Donezk warten meine Mutter und Frau mit Kind auf mich. Alles, was ich will, ist, dass sie unter einem friedlichen Himmel leben", sagt er.
"Rissen uns zusammen"
Skys Zimmernachbar mit dem Funknamen Stradivari hat eine ähnliche Geschichte. Er stammt aus Rubeschnoje in der Volksrepublik Lugansk und diente als Fernmeldemann in der ukrainischen 54. Brigade.
"Ich wollte beim Katastrophenschutzministerium der Ukraine arbeiten. Doch ohne Militärdienst wurde man dort nicht aufgenommen. Ich hatte keinen Grundwehrdienst geleistet, also verpflichtete ich mich beim ukrainischen Militär."
Doch am 24. Februar 2022 verließ er seine Stellung. "Der Grund war das Kommando. Sobald sie Lunte rochen, packten sie ihre Koffer und verstreuten sich in alle Himmelsrichtungen."
Zuerst versteckte er sich. Bei der ersten Gelegenheit zog er in die LVR um. Ukrainische Blockposten konnte er ungehindert passieren, doch an einem russischen Posten wurde er festgenommen. Man schlug ihm vor, ihn in die Gefangenentauschlisten aufzunehmen, doch er weigerte sich: Er wollte nicht zurückkehren. Später trat er dem Bataillon bei.
Stradivari hatte zunächst bei einer Evakuierungsgruppe gearbeitet, später nahm er an Stürmen teil. Im Dezember erlitt er eine Kugelwunde am Bein. Zwei Tage lang konnte er wegen des ununterbrochenen Beschusses nicht evakuiert werden.
"Als man uns mit Drohnen zu bombardieren begann, rissen wir uns zusammen und gingen zu Fuß. Wir stützen einander und erreichten trotz allem die Evakuierungsstelle."
Stradivari steht eine lange Erholung bevor. Dennoch plant er, zum Dienst zurückzukehren.
"Schwor den Eid zweimal"
Ein Kämpfer mit dem Funknamen Kub (Würfel) war noch nicht an der Front. Im Bataillon dient er seit Kurzem und ist noch in der Ausbildung.
Dabei verfügt er über Kampferfahrung. Im Jahr 2019 hatte er in der 44. Artilleriebrigade der ukrainischen Streitkräfte gedient und war als Ladeschütze einer Msta-Haubitze bei Gorlowka stationiert gewesen.
"Ich meldete mich nur, um Geld zu verdienen. Man versicherte mir, dass es keine Einsätze im Kampfgebiet geben wird. Doch es kam anders. Ich konnte mich weder versetzen noch ausmustern lassen. Schließlich ging ich einfach weg. Ich wurde vor Gericht gestellt. Sie schlugen mir vor, in den Dienst zurückzukehren, um der Strafe zu entgehen, doch ich weigerte mich. Man verurteilte mich zu einem Jahr auf Bewährung. Ich hatte gar nicht den Wunsch, zur Armee zurückzukehren. Dort blühten Drogensucht und Alkoholismus."
Kub kehrte nach Hause zurück, in eine kleine Siedlung bei Mariupol. Später zog er in die Stadt um, um seine Mutter zu pflegen.
Sein Haus wurde mehrmals getroffen. Ihre Wohnung überstand als einzige im ganzen Hausflur einen Brand. Nachdem er die aktive Phase der Kämpfe abgewartet hatte, zog Kub mit seiner Mutter nach Mangusch. Dort meldete er sich bei der Kommandantur und trat nach einer Überprüfung dem Bataillon bei.
"Niemand erniedrigt uns, weil wir vorher im ukrainischen Militär waren. Man beleidigt uns nicht und behandelt uns wie Gleichgestellte. Manchmal gibt es Vorwürfe, dass wir einen Eid zweimal schworen. Doch ich schwor meinen Eid dem Volk, damals wie heute", betont der Kämpfer.
"Jeder kennt seinen Platz"
Die Kämpfer des Bogdan-Chmelnizki-Bataillons dienen im operativen taktischen Kampfverband Kaskad.
"Wir haben Schützen, MG-Schützen, Granatwerferschützen und planen, auch noch Drohnenoperatoren auszubilden. Alle sind zielbewusst, mache wurden für ihre Tapferkeit ausgezeichnet. Am schwierigsten war das erste Gefecht, doch nun fühlen sich alle sicher. Jeder kennt seinen Platz an den Stellungen", erklärt der Bataillonskommandeur mit dem Funknamen Irbis.
Auch Irbis stammt aus ehemaligen Kriegsgefangenen. Im Jahr 2015 war er in der Ukraine mobilisiert worden. Bis 2019 hatte er als Berufssoldat erst in einem Panzerregiment gedient, dann in einer Panzerkompanie der 25. Luftlandebrigade. Er nahm an Einsätzen bei Artjomowsk und Tschassow Jar teil.
"Ich wurde zu Bereitschaftsdienst geschickt, um im Notfall zur Verstärkung auszurücken. Doch meine Rotationen verliefen ruhig, zu Kämpfen kam es nicht", erklärt er.
Nach seiner Rückkehr nach Mariupol begann er, am Asow-Stahlwerk als Lokführer zu arbeiten. Als in der Stadt die Kämpfe begannen, errichteten ukrainische Militärs Gefechtsstellungen in ihrem Haus. Irbis zog mit seinen Angehörigen in einen anderen Stadtbezirk. Er versorgte Verletzte und fuhr unter Beschuss Verwundete aus der Stadt.
"Ich fühlte keine Schuld, dass ich unter jener Flagge diente. Während der Filtration erklärte ich sofort, dass ich kämpfen will. Nach Überprüfungen trat ich diesen Posten an. Mit unseren Aktionen wollen wir beweisen: Wir kämpfen gegen das Regime, nicht gegen das Volk", betont der Kommandeur.
Auf dem Schlachtfeld agieren die ehemaligen Angehörigen des ukrainischen Militärs geschickt. So schoss einer der Kämpfer bei einem Sturm zwei Drohnen ab und hielt eine Zeit lang allein die Stellung. Während einige an der Front im Einsatz sind, sind andere noch in der Ausbildung. Den Wunsch, im Bataillon zu dienen, äußern immer mehr Menschen.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
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