Wie die Zeitung Iswestija erfahren hat, wird die Hälfte aller in Russland verkauften iPhones bereits im Ausland aktiviert. Große Einzelhandelsketten, die die Geräte verkaufen, haben schon damit begonnen, die Kunden darüber zu informieren. "Das Gerät ist möglicherweise freigeschaltet", warnt eine Einzelhandelskette auf den Kassenbons ihrer Kunden, wie die Iswestija erfahren hat. Ähnliche Warnungen finden sich auch auf den Webseites von Online-Shops mancher anderer Einzelhändler.
Eldar Murtasin, ein leitender Experte der Mobile Research Group, sagte in einem Gespräch mit der Zeitung:
"Immer mehr Einzelhandelsketten verkaufen freigeschaltete Geräte, von denen die große Mehrheit iPhones sind. Wurden vor einem Jahr noch 20 Prozent solcher Geräte in Russland in "'umgepackter' Form" verkauft, so sind es jetzt etwa 50 Prozent. Es ist jedoch äußerst schwierig, genaue Zahlen zu ermitteln – die Einfuhr solcher Geräte ist extrem undurchsichtig."
Betroffen sollten auch einige der Smartphones von Samsung sein, berichtet Iswestija – wobei bei den Geräten von Samsung das Problem nicht so gewichtig ist, wie bei iPhones. Das liegt vor allem daran, dass Samsung-Geräte, die für die meisten arabischen Länder sowie für Kasachstan, Armenien und Usbekistan bestimmt sind, in russischen Mobilfunknetzen problemlos angemeldet werden. "Man kann sich mit den chinesischen Händlern so einigen, dass die Geräte in Russland ankommen und bereits für die Aktivierung in den russischen Mobilfunknetzen neu programmiert sind", so eine Quelle der Zeitung.
Dabei ist der Hauptzweck der Freischaltung von Geräten das Bestreben von Wiederverkäufern und Käufern, die Logistikkette zu verschleiern, über die Smartphones vom Hersteller nach Russland gelangen, und verschiedene Arten von Sanktionen zu vermeiden, erzählt Iswestija. Denn wenn das Smartphone in einem sanktionsfreien Land aktiviert wird, legitimiert es in den Augen des Herstellers seinen Verkauf.
Eine anonyme Quelle der Zeitung aus der Branche nannte jedoch einen weiteren Grund, warum große Chargen freigeschalteter Smartphones gekauft werden können:
"Es ist oft billiger, eine Charge aktivierter Smartphones zu kaufen als nicht aktivierte. Angenommen, ein ausländischer Mobilfunkbetreiber ist vertraglich mit dem Hersteller verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von Geräten zu verkaufen, aber aus dem einen oder anderen Grund ist es nicht möglich, den Vertrag zu erfüllen. In diesem Fall können die Smartphones mit einem Preisnachlass an Wiederverkäufer abgegeben werden, und eine der Bedingungen für den Wiederverkauf kann die Aktivierung im Netz des Verkäufers sein."
Wie auch immer, die Smartphone-Freischaltung und der anschließende Weiterverkauf ist ein großes internationales Geschäft. Laut einer anonymen Quelle der Zeitung Iswestija in der Branche verfügten einige arabische Länder über Aktivierungsfabriken für Lieferungen in Länder, die unter Sanktionen stehen. "Außerdem verweigern auch chinesische Vertriebshändler ihren Partnern die Aktivierung nicht", so die anonyme Quelle der Zeitung.
Allerdings ist es fast unmöglich, alle Transaktionen und Logistikketten zu verfolgen und alle Tricks der Hersteller und Wiederverkäufer aufzudecken. Und vielleicht sind sich die Smartphone-Hersteller selbst der Tatsache bewusst, dass ihre Geräte in die unter Sanktionen stehenden Länder gelangen. Aber bisher kommt dieses Spiel allen Beteiligten entgegen – denn, wenn überhaupt jemand darunter leidet, dann sind es nur die Endverbraucher.
Sergej Polownikow, Projektleiter von dem Unternehmen Content-Review betonte: "Der Kauf von freigeschalteten Smartphones ist riskant." Ihm zufolge garantiere bei diesem System niemand, dass der Käufer kein gebrauchtes oder gar gestohlenes Gerät erhält. Und es ginge hier nicht um ein einzelnes Gerät, sondern um ganze Chargen gestohlener Smartphones, warnte der Experte. Zudem gebe es keine Garantie dafür, dass bei der Aktivierung keine Schadsoftware auf dem Gerät installiert wurde, die den Besitzer überwacht und persönliche Daten und Geld stiehlt.
Somit werden Smartphone-Hersteller, die die Sanktionen unterstützen, für die Russen zunehmend toxisch. Vielleicht ist das der Grund, warum Apple und Samsung den russischen Markt rapide verlieren – und die Verbraucher hier zunehmend Smartphones von chinesischen Anbietern wählen.
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