Wie gestaltet sich der Alltag von Bewohnern der Volksrepublik Lugansk?

Bewohner berichten über die im Krieg erlittenen Schrecken in der Volksrepublik Lugansk, der ersten ehemals ukrainischen Region, die vollständig unter die Kontrolle Russlands kam.

Von Angelina Latypowa

Die Volksrepublik Lugansk (LVR) war die erste ehemalige Region der Ukraine, die 2022 vollständig unter die Kontrolle Russlands kam. Vor einem Jahr – am 3. Juli 2022 – gab der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu bekannt, dass die russischen Streitkräfte zusammen mit den Einheiten der Volksmiliz der LVR die vollständige Kontrolle über die Stadt Lissitschansk und mehrere nahegelegene Siedlungen erlangt hätten, darunter Belogorowka und Nowodruschesk, Malorjasanzewo und Belaja Gora. Allerdings blieb nicht das gesamte Gebiet dauerhaft unter russischer Kontrolle. Im vergangenen Herbst eroberten die ukrainischen Streitkräfte mehrere Siedlungen an der Grenze zur Region Charkow zurück. Das größte davon ist das Dorf Makejewka mit etwa 1.000 Einwohnern.

Trotz der anhaltenden Kämpfe sind die Menschen in der LVR seitdem damit beschäftigt, ihre Städte und Gemeinden wieder aufzubauen. Wie das Oberhaupt der LVR Leonid Pasetschnik kürzlich sagte, haben die Ereignisse an der Front "im Großen und Ganzen keine besonderen Auswirkungen auf den Wiederaufbau der Region".

Angelina Latypowa ist für RT durch die Region gereist und hat mit den Menschen dort gesprochen, um mehr über das heutige Leben in der Volksrepublik Lugansk zu erfahren.

 Lugansk

Meine Reise durch den Donbass begann in Lugansk – der Stadt, in der vor neun Jahren die Zeit stehen blieb. Anders als in Donezk geht es jetzt hier friedlich zu. Für die Einwohner von Lugansk ist das Schlimmste überstanden. Lediglich aus der Ferne ertönt gelegentlich dumpfes Grollen von Artillerie.

Die Einheimischen erinnern sich noch mit Schaudern an die Blockade der Stadt, die im Sommer 2014 begann. Viele berichteten von einem "umherfahrenden Mörser", der sich während der Ausgangssperre durch die Stadt bewegte und die Anwohner "in Angst und Schrecken versetzte". Wie sich später herausstellte, war der Mörser auf ein Müllauto montiert worden.

Während der Luftangriffe durch die ukrainische Luftwaffe auf Lugansk im Jahr 2014 versteckten sich viele Einwohner in der Schule Nr. 7. Doch nach einem Artillerieangriff der Streitkräfte der Ukraine (AFU) auf die Schule fing das Gebäude Feuer. Zu diesem Zeitpunkt stand Lugansk unter einer Blockade, und es gab kein Wasser in der Stadt, sodass Brände nicht gelöscht werden konnten. Diese Schule war seit 1927 in Betrieb. Infolge dieses Angriffs starben fünf Menschen, darunter ein Kind.

 Altschewsk

Altschewsk ist eine Stadt im südwestlichen Teil der LVR mit etwas mehr als 100.000 Einwohnern. Wie Lugansk war auch diese Stadt seit 2014 nicht mehr unter der Kontrolle von Kiew. Xenia, eine Freiwillige aus Moskau, die in dieser Stadt geboren und aufgewachsen ist, führte mich herum.

Vergangenes Jahr ist Xenias Sohn Rostislaw bei Kämpfen nahe Popasnaja gefallen. Er war Bürger der LVR und wurde wie seine Mutter in diesem Ort geboren. Als die Mobilmachung angekündigt wurde, meldete er sich freiwillig, um seine Kameraden zu unterstützen, die hier bereits seit 2014 kämpften. Am 12. März wurde Xenia mitgeteilt, dass Rostislaw gefallen sei. Zuerst hielt sie es für einen Missverständnis und machte sich in den örtlichen Krankenhäusern auf die Suche nach ihrem Sohn. Schließlich hat sich die schreckliche Nachricht jedoch bewahrheitet.

Nach der Tragödie trat Xenia der "Nahrung des Lebens" bei und half den Bewohnern der Siedlung Trjochisbenka, die ebenfalls in der LVR liegt. Sie sei schockiert gewesen über die unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Einheimischen nach dem Rückzug der ukrainischen Armee zurückgelassen wurden.

"Die Ukrainer zerstörten absichtlich die Infrastruktur, sodass die Menschen und die Gebiete, die wir einnahmen, in einem schrecklichen Zustand waren. Die Leute hatten nichts, was sie zum normalen Leben brauchten, sie kamen weinend auf mich zu und sagten: 'Wir haben nichts mehr.' Ich konnte nicht gleichgültig bleiben, und so begann ich zu helfen."

Zusammen mit ihren Freunden begann Xenia, humanitäre Hilfe für die Menschen in Trjochisbenka, Mariupol und für andere von den Kämpfen betroffene Orte zu organisieren. Zunächst verteilten sie Hilfsgüter nur an Zivilisten, später begannen sie aber auch, russische Soldaten zu unterstützen. Xenia kümmert sich auch um Kriegsveteranen im Donbass. Wir begleiteten sie zu einem Besuch bei Nikolai Soldatenko, einem Veteran, der sich 2014 freiwillig zur Verteidigung des Donbass gemeldet hatte. Es ist drei Jahre her, seit Nikolay nicht mehr laufen kann. Am Tag des Grenzschutzes "schenkten" die Ukrainer seiner Einheit einen Artillerieangriff bei dem er von einem Granatsplitter am Rückgrat getroffen wurde. Lange Zeit war er völlig bewegungsunfähig. Ärzte aus Lugansk sagten ihm, er werde nie wieder laufen können. Aber dank Spezialisten aus Moskau lernt er jetzt wieder das Gehen, vorerst noch mit einer Gehhilfe.

Nikolai stammt aus Jenakijewo in der Volksrepublik Donezk, arbeitete aber zu Beginn der Kämpfe im Jahr 2014 in einem Kombinat in Altschewsk.

"Am 6. April wurde das Gebäude des Sicherheitsdienstes der Ukraine in Lugansk gestürmt. Und ab da ging es bergab. Auch wenn es schon zuvor zu Zusammenstößen und Kämpfen in Slawjansk gekommen war, hofften alle, dass es nicht zu einem ausgeprägten Krieg kommen würde. Russische Sprache, ukrainische Sprache – ich war nie gegen die ukrainische Sprache. Aber als sie anfingen, über Bandera zu reden und uns zu sagen 'Mit euch stimmt etwas nicht', wurde allmählich alles klar. Und als sie Lugansk, Staniza Luganskaja und Kondraschowka angriffen, hatte ich keinen Zweifel mehr."

Viele Verwandte und Freunde von Nikolai schlossen sich der örtlichen Miliz an, und er folgte ihrem Beispiel. Er sagte, dass es sich bei den meisten Kämpfern um junge Männer ohne jegliche militärische Erfahrung gehandelt habe. Menschen wie Nikolai wurden von den ukrainischen Behörden als "Terroristen" und "Separatisten" bezeichnet. Nikolai selbst sagte, dass er für seine Kinder gekämpft habe.

"Ich habe gekämpft, weil ich nicht wollte, dass meinen Kindern jener Unsinn beigebracht wird, den man jetzt den Kindern in der Ukraine beibringt. Ich wollte, dass sie wissen, dass meine Großväter Berlin erobert haben und sich nicht in den Wäldern Transkarpatien verschanzt hatten, um gegen die Rote Armee zu kämpfen. Dagegen habe ich mich gewehrt."

Nach dem ersten Minsker Abkommen änderte sich an der Lage in der Region nicht viel – die ukrainische Armee hielt sich größtenteils nicht an den Waffenstillstand. Minsk 2 hat auch nicht viel gebracht. Nikolai sagte, die LVR habe zu dem Zeitpunkt schon lange auf den Beistand durch Russland gewartet. Aufgrund der Vorbereitungen der ukrainischen Armee wusste man in Moskau, dass die Streitkräfte der Miliz allein damit nicht zurechtkommen würden.

"Jetzt haben die Menschen nicht nur Hoffnung, sie sind auch zuversichtlich, dass wir nicht im Stich gelassen werden. Der Stellenwert der Kämpfe hat sich geändert, und unser Stellenwert hat sich geändert – wir sind jetzt ein Teil von Russland, wir werden nicht länger als 'selbsternannt' bezeichnet, wir wurden anerkannt, wir wurden akzeptiert."

Sewerodonezk

Anders als Lugansk und Altschewsk stand Sewerodonezk von 2014 bis 2022 unter ukrainischer Kontrolle und diente sogar als Verwaltungszentrum. Nach vier Monaten erbitterter Kämpfe wurde Sewerodonezk Ende Juni 2022 vollständig befreit.

Wir sprachen mit einem Mann, der Eimer mit Wasser durch einen der am stärksten zerstörten Innenhöfe der Stadt trug. Wie sich herausstellte, wohnte er in der einzigen nicht zerstörten Wohnung in diesem Gebäudeteil. Da es immer noch kein fließendes Wasser gibt, muss es der Mann mühsam in Eimern nach Hause tragen. Außerdem stellte er die Stromversorgung seiner Wohnung wieder her und baute einen Holzofen zum Heizen. Seine Familie erhält jeden Monat humanitäre Hilfe aus Russland.

Drei Monate lang fuhren ukrainische Panzer durch die Wohngebiete von Sewerodonezk. Der Mann berichtete, dass die AFU Wohngebäude als Schießunterstände benutzte und auch Keller und Wohnungen für militärische Zwecke. Wenn sie unbeteiligte Passanten auf der Straße sahen, hätten sie sofort auf sie geschossen, behauptete er.

"Am 24. Februar fuhren 15 ukrainische Panzer in die Stadt hinein. Sie begannen wild um sich zu schießen, damit die Leute fliehen. Jede Etage des Gebäudes brannte über 40 Minuten lang. Dann ging es zum nächsten und dann zum übernächsten und so weiter. Alles wurde niedergebrannt."

Der Mann schilderte, wie er die AFU vom Fenster seiner Wohnung im neunten Stockwerk aus beobachtete. Als sein Gebäude von einem Panzer angegriffen wurde, begann er zu beten. Anschließend schoss der Panzer auf die achte Etage, wodurch seine Wohnung verschont blieb.

Auch der Kindergarten, in dem der Mann früher arbeitete, wurde von der AFU angegriffen. Mittlerweile kümmert er sich um behinderte Kinder in anderen Städten der Volksrepublik Lugansk.

 Das Dorf Sinezki

Das Dorf Sinezki liegt zwischen Sewerodonezk und Lissitschansk. Die Brücke über den Fluss Donez bei Sinezki, die einst die beiden Städte verband, wurde während der Kämpfe zerstört. Hier trafen wir auf einen Glückspilz, einen Hund. Jemand, der in der Nähe stand berichtete uns darüber, dass ebendieser Hund lebend aus Trümmern hervorgeholt worden war.

Kurz darauf lernten wir auch die Besitzerin des Hundes kennen, eine junge Frau, die uns berichtete, dass sie mit ihrem Mann jetzt ohne Gas und Strom lebt und an einem Lagerfeuer Essen kocht. Sie kamen gerade vom Wasser holen aus dem Fluss Donez.

Als die Kämpfe begannen, zwang das ukrainische Militär die Einheimischen, ihre Häuser zu verlassen, damit sich die Soldaten der AFU darin verstecken konnten.

"Sie gingen in die Häuser der Menschen und stellten alles auf den Kopf. Es gab nichts, was nicht mitgenommen wurde. Diese Banditen kamen um sieben Uhr morgens vorbei und riefen: 'Öffnet die Tore und lasst die Hunde raus. Ihr habt bis zum Abend Zeit, um von hier zu verschwinden!' Aber wohin sollten wir denn, wer wartete auf uns? Also sind wir hiergeblieben."

Die Dorfbewohner mussten drei Monate lang in ihren Kellern leben. Einige ältere Frauen erinnerten sich, dass sie bei einer Unterbrechung des Artilleriefeuers dabei halfen, brennende Häuser zu löschen.

"Wir rannten durch das Dorf und halfen, die Brände zu löschen. Wir schleppten Wasser aus dem Donez heran und löschten die Feuer, während die Ukrainer wieder mit dem Beschuss anfingen. Hier sind alle herzlich zueinander, wir haben uns gegenseitig gerettet und uns gegenseitig geholfen."

Einmal, so behaupten Dorfbewohner, wären sie beinahe in einem Massengrab umgekommen. Nachdem sie sich drei Monate lang in einem Keller versteckt hatten, ging einer ihrer Nachbarn hinaus und wurde augenblicklich von einem Granatsplitter getötet. Es heißt, er sei in den Armen einer älteren Frau gestorben. Bei seiner Beisetzung waren zehn Dorfbewohner anwesend und während der Trauerfeier kam es zu einem Artillerieangriff.

Am 26. Juni 2022 wurde den Bewohnern von Sinezki ein neues Leben geschenkt, als Soldaten der LVR in die Stadt einmarschierten und humanitäre Hilfe brachten. Mittlerweile besucht auch ein Arzt aus Woronesch regelmäßig das Dorf.

"Wir haben hier eine 101-jährige Frau. Sie kann nicht mehr gehen. Wo sollte ich sie sonst hinbringen? Sie ist meine Schwiegermutter. Deshalb sind wir nirgendwo hingegangen. Zum Glück konnten wir noch unsere Kleidung im Fluss Donez waschen. Und jetzt bleiben wir hier und warten auf unsere Renten."

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Übersetzt aus dem Englischen

Angelina Latypowa ist eine russische unabhängige Journalistin.