Anschlag auf Prilepin: Die Jagd auf russische Meinungsführer geht weiter

Der ukrainische Terror richtet sich offenbar vorrangig gegen namhafte mediale Persönlichkeiten: Journalisten, Publizisten, Schriftsteller. Aber warum? Und wie kann Russland seine Vordenker schützen?

Von Irina Alksnis, RIA Nowosti

Vor etwas mehr als einem Jahr berichtete der FSB über aufgedeckte Vorbereitungen für die Ermordung der prominenten russischen Journalisten Wladimir Solowjow und Margarita Simonjan. Die Terroristen sollen darüber hinaus die mögliche Ermordung von Dmitri Kisseljow, Olga Skabejewa und anderen medialen Persönlichkeiten erörtert haben.

Damals lösten diese veröffentlichten Informationen gemischte Reaktionen aus. Russlands Gegner beschuldigten natürlich die inländischen Sicherheitsdienste, den Fall erfunden zu haben. Aber auch innerhalb des Landes gab es genügend Menschen, die auf die Nachricht mit einer gewissen Skepsis reagierten: Attentatsversuche auf Persönlichkeiten des Staates und wichtige Beamte waren verständlich, aber die Ermordung politischer Journalisten schien nicht sehr sinnvoll zu sein.

Doch am 20. August 2022 wurden diesbezüglich die letzten Zweifel ausgeräumt, als Darja Dugina bei einem Autobombenanschlag in der Nähe von Moskau getötet wurde. Vor einem Monat, nach der Ermordung des Kriegsberichterstatters Wladlen Tatarski, wurde klar, dass es sich nunmehr um eine offene Jagd auf patriotische Meinungsführer handelt. Heute (der Artikel erschien im Original am 06. Mai 2023 – Anm. der Red.) wurde das Auto von Sachar Prilepin in der Region Nischni Nowgorod in die Luft gesprengt – der Fahrer wurde getötet, der Schriftsteller selbst verletzt.

Die Frage einer Gewährleistung der Sicherheit für diejenigen, die mit ihren Worten zu dem von Russland geführten Kampf und zu unserem gemeinsamen Sieg beitragen, wird jetzt sicherlich auf der Tagesordnung stehen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dies prinzipiell möglich ist. Zumal es sich um Dutzende, wenn nicht Hunderte von Menschen handelt, die ihre Arbeit machen und ihre Meinung auf einer Vielzahl von Plattformen äußern, vom staatlichen Fernsehen bis hin zu Telegram-Kanälen. Auf jeden Fall ist dies in erster Linie eine Frage für Fachleute auf dem entsprechenden Gebiet.

In gewisser Weise lautet die noch wichtigere Frage allerdings: Zu welchem Zweck? Warum werden Journalisten, Blogger und Medienpersönlichkeiten überhaupt getötet?

Als Mittel der Einschüchterung wird es sicherlich nicht funktionieren. Selbst wenn sich einige aus Angst um ihr Leben dazu entschließen würden, ihr Betätigungsfeld zu wechseln und den öffentlichen Raum zu verlassen, wären das natürlich nur wenige. Die meisten würden ihre Arbeit ungeachtet der Risiken fortsetzen, und neue Leute würden die Plätze derer einnehmen, die gegangen sind. Terroranschläge gegen Menschen, deren wichtigste Waffen Ideen und Worte sind, bringen in der Öffentlichkeit nur noch zusätzliche Sympathien für die Ideen der Terrorisierten, und fördern den Zusammenhalt der Zivilgesellschaft.

Was also ist der Sinn dieser Anschläge?

Das Prinzip von Ockham empfiehlt, keine unnötigen Gedankengebäude zu schaffen, und hält die einfachste Erklärung für die wahrscheinlichste. In diesem Fall also, dass die russischen Medien weitaus effektiver sind als die unserer Gegner, sowohl in Kiew als auch im Westen.

Vor einigen Jahren staunten wir über die Heftigkeit, mit der der Westen RT bekämpft, obwohl es den Anschein hatte, dass russische Auslandsmedien nicht ernsthaft mit globalen Giganten wie CNN, Times, New York Times, Wall Street Journal und so weiter konkurrieren können. Einige Jahre später stellte sich jedoch heraus, dass die Befürchtungen des Westens nicht unbegründet waren: RT hat seine vermeintlich übermächtigen Konkurrenten in vielen wichtigen Regionen des Planeten – im Nahen Osten, in Lateinamerika, in Afrika – erfolgreich hinter sich gelassen, und wird früher oder später auch das westliche Publikum erreichen.

Eine der Hauptursachen der Niederlage der UdSSR im Kalten Krieg war unser krachendes Scheitern (anders kann man es nicht ausdrücken) im ideologischen und medialen Bereich. Dies hat in der russischen Gesellschaft zu einer Art Minderwertigkeitskomplex geführt, den wir bis heute in uns tragen. Er äußert sich unter anderem in dem beliebten Witz der letzten Jahre über russische Panzerfahrer, die auf dem Montmartre Kaffee trinken und dabei unsere Niederlage im Informationskrieg betrauern.

Aber hinter den Scheuklappen dieses Komplexes haben wir nicht einmal bemerkt, wie wir unseren eigenen ideologischen und medialen Rückstand gegenüber dem Westen nach und nach überwinden. Patriotische russische und ausländische pro-russische Stimmen werden lauter, selbstbewusster und überzeugender – sowohl für Russland selbst als auch für die Welt.

Was wir nicht bemerkt haben, haben unsere Gegner durchaus gesehen. Und sie haben keine Grenzen in ihren Methoden und keinen Mangel an Tätern, die selbst die abscheulichsten Terroranschläge verüben. Wirklich prominente Journalisten treffen können sie dennoch nicht, und weichen daher auf weniger geschützte Personen aus – Blogger, Kriegsberichterstatter, Aktivisten.

Diese terroristischen Aktivitäten haben keinen strategischen Sinn. Man kann einen Gedanken nicht töten. Man kann eine Idee nicht töten. Man kann ein Wort nicht töten. Aber man kann die Menschen töten, die diese Gedanken, Ideen und Worte verbreiten. Und genau das tun unsere Feinde. 

Daher ist es die Aufgabe Russlands, seiner Sicherheitsdienste, diese Menschen zu schützen. Wie bereits gesagt, ist dies eine Angelegenheit für Profis.

Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 6. Mai 2023 auf ria.ru erschienen. 

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