Alexander Dugin befindet sich in einer merkwürdigen Position, da er im Ausland besser als in Russland bekannt ist. Und zwar nicht etwa deshalb, weil er ein Prophet ist, der im eigenen Land nichts gilt, sondern weil ihn die westlichen Medien für ihre eigene Propaganda durch das Erschaffen von Erzählungen instrumentalisieren.
Dugin wurde wegen seines angeblich großen Einflusses auf das Weltbild des russischen Präsidenten und der regierenden Elite in der deutsch- und englischsprachigen Presse mittlerweile als "Der Vordenker Putins" und sogar "Putins Rasputin" bezeichnet. Die US-Zeitschrift Foreign Policy nahm ihn im Jahr 2014 in ihre Liste der "globalen Denker" auf – als "Vordenker von Russlands expansionistischer Ideologie".
In der Realität hat Dugin dagegen keinen Einfluss im Kreml. Er ist nicht einmal eine Figur im Mainstream von Moskau. Verehrt wird er nur von ultranationalistischen Aktivisten, die sogar die Außenpolitik des Präsidenten mehrheitlich für zu moderat halten.
Damit wurde Dugin zu einem Kuriosum: im Westen bekannt, zu Hause eine Randfigur. Nach der Ermordung seiner Tochter Darja Dugina wurden Meinungen geäußert, wonach ihn gerade sein Bekanntheitsgrad im Westen zu einem Ziel ukrainischer Agenten gemacht hätte.
Der antiwestliche Schriftsteller und Philosoph selbst soll nach seinem Besuch am Ort des Attentats gegen seine Tochter noch am Samstag in ein Krankenhaus eingewiesen worden sein. Dies meldete der russische Politologe Sergei Markow über Telegram.
Die 29-jährige Darja Dugina, die selbst als Journalistin und Kolumnistin tätig war, wurde auf dem Rückweg von einem konservativen, familiären Festival in der Nähe von Moskau ermordet. Dort war sie zuvor mit ihrem Vater anwesend. Wie Andrei Krasnow, ein Bekannter der Verstorbenen, der Nachrichtenagentur TASS berichtete, gehörte der Geländewagen, den Dugina bei der Explosion fuhr, eigentlich ihrem Vater.
Unbestätigten Berichten zufolge plante Dugin, die Veranstaltung in ebendiesem Auto zusammen mit seiner Tochter zu verlassen, entschied sich aber im letzten Moment, in einem anderen Auto mitzufahren.
Vom konservativen Unruhestifter zu "Putins Hirn"
Dugin hatte als konservativer Schriftsteller in den 1990er Jahren Bekanntheit erlangt, als der Zusammenbruch der Sowjetunion in Russland ein ideologisches Vakuum mit einer verheerenden Wirtschaftskrise hinterließ.
Mit seiner hitzigen Rhetorik und einer entschieden antiwestlichen Position erträumte sich Dugin Russland als ein mächtiges, ständig expandierendes kontinentales Imperium, dessen Aufgabe es sei, als "Bollwerk gegen die allgegenwärtige Verbreitung des westlichen liberalen Models auf dem Planeten" zu dienen.
Moskaus Ukraine-Falke
In seinem 1997 veröffentlichten Hauptwerk "Grundlagen der Geopolitik: Die geopolitische Zukunft Russlands" sagte Dugin sogar einen Krieg in der Ukraine voraus: "Die Souveränität der Ukraine ist ein solch negativer Faktor für die russische Geopolitik, dass sie prinzipiell sehr leicht einen bewaffneten Konflikt auslösen kann." Dugin setzte sich für eine Integration der Ukraine in den russischen Staat unter Beibehaltung einer gewissen Autonomie ein, wie es zu Sowjetzeiten ähnlich der Fall war.
Er unterstützte leidenschaftlich Moskaus Entscheidung über die Integration der Krim in die Föderation, nachdem sich die Halbinsel infolge des Kiewer Staatsstreiches 2014 auf Grundlage eines Referendums von der Ukraine abspalten wollte. Im gleichen Jahr verließ Dugin die Moskauer Staatliche Universität (MGU), wo er seit 2010 den Lehrstuhl für Soziologie der internationalen Beziehungen innehatte.
Kämpfer gegen den Westen
Gleichermaßen unterstützte Dugin nun den Militäreinsatz, den Russland gegen sein Nachbarland im Februar des laufenden Jahres begonnen hatte. Er behauptete, dass der Westen unter der Führung der USA durch die Unterstützung von Nationalisten und sonstigen antirussischen Kräften in Kiew den Konflikt seit der ukrainischen Unabhängigkeit im Jahr 1991 befeuert hatte und dies durch Waffenlieferungen an die Ukraine bis heute weiter täte:
"Von Anfang an war das Projekt einer unabhängigen Ukraine unter der Aufsicht von Angelsachsen gegen Russland gerichtet."
Der Kampf für eine Ukraine gegen Russland gerichtet sei eine "historische Konstante" der westlichen geopolitischen Strategie, schrieb Dugin in einer Kolumne für das konservative Nachrichtenportal Zargrad TV im März. Die gegenwärtigen Grenzen der Ukraine seien während der Sowjetzeiten künstlich gezogen worden:
"Die Ukraine hat überhaupt keine Geschichte der Staatlichkeit. Ihre jetzigen Gebiete sind historisch zufällig und das Ergebnis des Verwaltungsaufbaus der Bolschewiki. Als Putin während seiner Rechtfertigung für die militärische Operation in der Ukraine sagte, dass sie von Lenin erschaffen sei, hatte er vollkommen Recht."
Im April sagte Dugin der türkischen Zeitung Türkiye Gazetesi: "Die russische Armee kämpft jetzt gegen Staaten, die uns eine unipolare Welt aufzwingen. Wir können diesen Krieg nicht verlieren, sonst geht die Welt in Flammen auf."
In den Fußstapfen des Vaters
Wie ihr Vater, so unterstützte auch Darja Dugina Russlands Militäreinsatz in der Ukraine, die sie als einen "gescheiterten Staat" bezeichnete. Wenige Stunden vor ihrem Tod beschuldigte sie auf einem Podcast des Senders Solowjow Live den Westen, anderen seinen Willen aufzuzwingen. "Die spezielle Militäroperation wird der letzte Nagel im Grab des Welthegemonen sein", sagte sie.
Großbritannien hatte in diesem Monat wegen "wiederholter und öffentlicher Verbreitung von Desinformationen in Bezug auf die Ukraine" Sanktionen gegen die Person Dugina verhängt.
Der ukrainische Präsidentenberater Michail Podoljak wies inzwischen eine Beteiligung Kiews am Bombenanschlag zurück. "Ich möchte betonen, dass die Ukraine offensichtlich damit nichts zu tun hat", äußerte er am Sonntag.
Indessen machte der russische Geheimdienst FSB in seiner jüngsten Presseerklärung ukrainische Geheimdienste für den Mordanschlag an Dugina verantwortlich.
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Übersetzt aus dem Englischen