Am 15. Juli hat Russland die seit 2020 geltenden Corona-Beschränkungen vollständig aufgehoben. Nun können russische Bürger ohne jegliche Corona-Auflagen aus dem Land ausreisen. Auch die meisten europäischen Länder verlangen derzeit weder einen Impfnachweis noch Corona-Tests. Allerdings stehen nun viele Russen, die in die EU einreisen wollen, vor einer neuen Hürde: ungewöhnlich langen Warteschlangen in den Visazentren. Wie die Zeitung RBK am Montag berichtete, lägen die Gründe dafür bei den Folgen des Ukraine-Kriegs.
Einerseits ist dies auf den Personalmangel zurückzuführen, da aufgrund des Kriegs viele europäische Länder russische Diplomaten massenhaft ausgewiesen hatten und Russland darauf spiegelgleich reagierte. In den Botschaften befinde sich derzeit eine äußerst begrenzte Anzahl von Mitarbeitern, heißt es in dem Zeitungsbericht. So prüfe die spanische Botschaft nur 500 bis 600 Anträge pro Tag in ganz Russland, die griechische Botschaft lediglich 150 Anträge. Am Montag erschien auf der Webseite des griechischen Visazentrums sogar eine entsprechende Meldung, wonach das Generalkonsulat "einen vorübergehenden Personalmangel bei der Bearbeitung von Visumanträgen" erlebe. In diesem Zusammenhang könne es "bei der Bearbeitung des Visumantrags und der Rückgabe des Reisepasses zu unvorhergesehenen Verzögerungen kommen".
In den Visazentren Frankreichs, Spaniens und Griechenlands gibt es demnach keine freien Termine mehr für den Monat Juli. Auch die Termine für August werden schnell vergeben. Eine weitere Folge des Ukraine-Kriegs ist, dass russische Bürger nicht mehr in allen Ländern des Schengen-Abkommens Visa beantragen dürfen. So stellen Länder wie Tschechien, Lettland, Estland und Litauen gar keine Touristenvisa für Russen aus. Aus diesem Grund ist der Andrang in den geöffneten Visazentren höher als sonst. Ein weiteres Nachbarland, Finnland, hat erst vor Kurzem mit der Annahme von Visaanträgen begonnen, aber auch dort bildeten sich rasch lange Warteschlangen.
Ein weiterer Grund ist die Urlaubshochsaison – eine zusätzliche Belastung, die dieses Jahr besonders akut ist. Während Touristen früher die Möglichkeit hatten, gegen eine zusätzliche Gebühr ihre Unterlagen über einen VIP-Dienst einzureichen, funktioniert diese Option jetzt auch nicht mehr. Reisebüros warnen, dass dies bei der Reiseplanung berücksichtigt werden sollte, da derzeit keine einzige Botschaft wie gewohnt arbeite.
Vor der COVID-19-Pandemie zählte Russland nach Angaben der Europäischen Kommission zu den Top-Ländern, deren Bürger ein Visum für die Schengen-Staaten beantragt haben. Im Jahr 2019 stellten russische Bürger rund vier Millionen Anträge, was rund einem Viertel weltweit entsprach.
Wie die russische Agentur Interfax mit Verweis auf Experten berichtete, versuchen viele Touristen angesichts der Schwierigkeiten, andere Lösungen zu finden, und fallen dabei in die Arme von Internet-Betrügern. Vor allem im sozialen Netzwerk Telegram gäbe es viele Angebote mit angeblich "freien" Terminen in unterschiedlichen Visazentren. Den Kunden wird für etwas Kleingeld versprochen, dass die Wartezeit nicht länger als zwei Wochen dauere. Dies entspreche jedoch nicht der Wahrheit. Vertreter der Reisebranche bitten alle Reisewilligen, nicht auf solche Maschen hereinzufallen und ihre Dokumente nur über offizielle Wege einzureichen.
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