"Unabhängigkeit von westlicher Technologie": Fortschritte bei Entwicklung von Flugzeugtriebwerk PD-8

Das russische Unternehmen "United Engine Corporation" hat die Prüfstandstests des ersten Prototyps des PD-8-Flugzeugantriebs abgeschlossen. Entwickelt wird das PD-8 für das Passagierflugzeug SSJ-100 und das Amphibienflugzeug Be-200. Mit der Entwicklung eines neuen Triebwerks soll die technologische Unabhängigkeit der russischen Zivilluftfahrt vom Ausland gestärkt werden.

von Alexei Sakwassin und Maxim Lobanow

In Russland wurden erfolgreich Prüfstandstests des ersten Prototyps des Flugzeugantriebs PD-8 durchgeführt. Dies berichtet der Pressedienst der United Engine Corporation (UEC gehört zur Dachorganisation Rostec). Im Ergebnis bestätigten russische Fachleute die Richtigkeit der auf das Produkt angewandten Konstruktionslösungen. Demnächst wird das Triebwerk im Rahmen eines fliegenden Labors getestet. Den Experten zufolge wird die Entwicklung eines neuen Triebwerks die technologische Unabhängigkeit der russischen Zivilluftfahrt vom Ausland stärken.

"Die Funktionsfähigkeit des Triebwerks und seiner Systeme, die wichtigsten in der technischen Spezifikation festgelegten Parameter und die Richtigkeit der Konstruktionslösungen wurden bestätigt. Im Verlauf mehrstufiger Tests haben die UEC-Spezialisten die automatischen Kontrollsysteme optimiert und den Anlauf des Triebwerks mit einer Leistungsabgabe auf "Low Gas" [Anm.: minimaler Betriebsmodus] stabilisiert", heißt es auf der UEC-Webseite.

UEC-Generalkonstrukteur Juri Schmotin kommentierte den Abschluss der Prüfstandsversuche mit den Worten, dass sie die Messung von Parametern zur Beurteilung des Temperaturzustands, der Festigkeit und der Vibrationsbeständigkeit von Teilen und Einheiten des PD-8 im Betriebszustand ermöglichten.

"Eine Überprüfung der Luft-, Öl- und Kraftstoffsysteme (des PD-8) wurde durchgeführt. Der Zustand von Teilen und Baugruppen des PD-8-Prototyp-Triebwerks wurde im Verlauf der Tests mittels 500 spezieller Sensoren ermittelt. Die dabei gewonnenen Daten sind weiterer Analyse unterworfen, um die Betriebsfähigkeit der wichtigsten Baugruppen und Systeme zu beurteilen", wird Schmotin vom Pressedienst der UEC zitiert.

Wladimir Artjakow, der stellvertretende Generaldirektor von Rostec, bezeichnete den Abschluss des Prüfstandsprogramms als die wichtigste Etappe auf dem Weg zur Realisierung des neuesten inländischen Flugzeugtriebwerks. Ihm zufolge werden demnächst auch Baugruppen des PD-8 getestet.

"Außerdem sind die Erprobung des Triebwerks als Teil der IL-76LL (fliegendes Labor) und eine große Anzahl von ingenieurtechnischen Berechnungen geplant. Das alles ist Bestandteil des Maßnahmenpakets zur Bestätigung, dass der Prototyp alle Anforderungen für die Zertifizierung des PD-8-Triebwerks erfüllt", wird Artjakow auf den Webseiten von UEC und Rostec zitiert.

Wladimir Popow, stellvertretender Chefredakteur des Magazins Aviapanorama, erklärte in einem Gespräch mit RT, dass das PD-8 derzeit ein Standardtestverfahren durchlaufe, was in naher Zukunft die erfolgreiche Zertifizierung der neuesten Flugzeugkomponente ermöglichen werde.

"Prüfstandsversuche helfen, die Richtigkeit des von den Konstrukteuren gewählten Erzeugniskonzepts zu überprüfen. Als Nächstes werden immer die einzelnen Baugruppen getestet, und danach beginnt die Testphase in einem fliegenden Labor wie der IL-76. In der Regel muss anschließend immer noch etwas verfeinert werden, und erst danach absolviert das PD-8 eine bestimmte Anzahl von Flügen auf dem zukünftigen Flugzeugträger zur Zertifizierung", unterstrich Popow.

Oleg Pantelejew, leitender Direktor der Agentur Aviaport, wies in einem Kommentar gegenüber RT darauf hin, dass das PD-8 noch ein umfangreiches Testprogramm vor sich habe. Dennoch, so der Experte, könne man bereits jetzt den Schluss ziehen, dass der Entwickler die richtigen technischen Lösungen in sein Produkt implementiert hat.

"Prüfstandstests haben bestätigt, dass das PD-8 die vom Entwickler erwarteten Eigenschaften liefert. Seine Konstruktion kommt dem nahe, was wir in der Serienproduktion sehen werden", fügte Pantelejew hinzu.

Import-Unabhängigkeit

Das PD-8 ist ein Doppelturbofan-Triebwerk, das für den Antrieb des modernisierten Kurzstrecken-Schmalrumpfflugzeugs SSJ-100 (SSJ-NEW) gebaut wird. Gegenwärtig arbeitet die russische Industrie daran, ausländische Systeme und Einheiten in diesem Flugzeug zu ersetzen.

Es ist ferner geplant, das PD-8 in die einzigartigen Amphibienflugzeuge Be-200 einzubauen, die vom Taganrog Beriev Aircraft Scientific and Technical Complex (TANTK) hergestellt werden.

Wir erinnern uns, der Suchoi Superjet 100 war mit dem Triebwerk SaM146 ausgestattet, hergestellt von PowerJet, einem Gemeinschaftsunternehmen von NPO Saturn (Rybinsk) und dem französischen Unternehmen Safran Aircraft Engines. Dasselbe Triebwerk war für die Be-200-Flotte vorgesehen, da die ukrainischen Behörden im Jahr 2018 ein Verbot für die Lieferung von D-436-Triebwerken nach Russland verhängten.

Infolge neuer Sanktionen durch die EU und die USA entstanden Ungewissheiten hinsichtlich der künftigen Aktivitäten von PowerJet. Dies hängt mit dem möglichen Ausstieg von Safran Aircraft Engines aus dem Projekt zusammen. Der russische Industrie- und Handelsminister Denis Manturow erklärte Ende April vor Journalisten, dass die russischen Behörden die Kontrolle über das Joint Venture übernehmen würden, wenn die Franzosen es verlassen.

Einer Interfax-Quelle zufolge, die der russischen Luftfahrtindustrie nahe steht, hat Safran Aircraft Engines die Lieferung von Teilen, die Wartung und die Reparatur der SaM146 seit der Verhängung westlicher Restriktionen vollständig eingestellt.

"Das PD-8 ist notwendig, um von westlicher Technologie unabhängig zu sein. Es ist ein komplett russischer Antrieb, ein Kind unserer Ingenieurschule. Russland sollte im Prinzip Flugzeugtriebwerke ausschließlich mit eigenen Kräften herstellen. Jegliche Abhängigkeit von Importen aus dem Westen ist absolut inakzeptabel", sagte Aviapanorama-Chefredakteur Popow.

Nach Angaben von UEC verläuft die Herstellung des PD-8 unter Verwendung "neuester russischer Materialien und fortschrittlicher Technologien, einschließlich 3D-Druck". An der Arbeit des Aggregats ist eine "umfangreiche Kooperation von Unternehmen beteiligt, wobei die Erfahrungen aus der Entwicklung des PD-14-Triebwerks aktiv genutzt werden".

Das PD-14 ist das erste zivile Flugzeugantriebssystem der neuen Generation in Russland. Entwickelt wurde es für das einheimische Mittelstreckenflugzeug MS-21 als Ersatz für das amerikanische PW1400G, mit dem dieses Flugzeug zuvor bestückt war. Es wird erwartet, dass das Triebwerk seine ausländischen Konkurrenten bei den Leistungsmerkmalen übertreffen und preislich attraktiver sein wird, sobald die Massenproduktion in großem Maßstab etabliert ist.

"Das PD-14 wurde zur technologischen Basis für die Entwicklung neuer Flugzeugtriebwerke. Das PD-8 erhielt Technologien und Materialien aus der Erarbeitung des PD-14", sagte Pantelejew.

Einen ähnlichen Standpunkt vertrat auch Popow. Nach Aussage des Experten werden beide Motoren in der Serienproduktion in Bezug auf eine breite Palette von Materialien, Einheiten und elektronischen Geräten vereinheitlicht.

"Das PD-8-Triebwerk wird auf der Grundlage der im PD-14 verwendeten technischen Lösungen gebaut. Beide sind für unterschiedliche Flugzeuge konzipiert, wobei das PD-8 in Bezug auf Masse und Abmessungen bescheidener ist. Selbstverständlich ist auch der Schub unterschiedlich: Das PD-14 hat 14.000 kp [Anm.: кгс = килограмм-сил; sog. Kraftkilogramm = Kilopond, also etwa 10 Newton] und das PD-8 entsprechend 8.000 kp", so Popow.

"Anreiz für Entwicklung"

Die zeitaufwändigste Aufgabe für die hiesigen Konstrukteure war nach Angaben der Experten die Entwicklung eines Gasgenerators ("hot part") für das PD-8. Im Februar meldete die UEC die erfolgreiche Erprobung des Produkts im nach Pjotr Ionowitsch Baranow benannten Zentralinstitut für Luftfahrtmotoren (ZIAM).

Bei diesen Tests wurden Bedingungen simuliert, die für den Betrieb des Triebwerks in Höhen von bis zu 12 Kilometern typisch sind. Das thermische Entwurfsmodell des Kompressors konnte so bestätigt werden. Die Versuche mit dem Gasgenerator werden bis März 2023 fortgesetzt.

Im selben Monat wurde die rasche Fertigung von Elementen der Triebwerksanlage im Produktionskomplex Saljut bekannt. Zudem sorgte das Unternehmen für das Funktionieren des Stromgenerators für die Kabine und der Hydraulikpumpe zur Steuerung der Flügelmechanik. Bestimmte Aufgaben mussten zum ersten Mal gelöst werden.

"Im Ergebnis fertigten die Spezialisten des Unternehmens den Zentralantrieb, das Aggregatgetriebe und das Kegelradgetriebe, welche zusammen das Bauteil der fortschrittlichen Triebwerkseinheit bilden", heißt es in den Unterlagen von UEC.

Die Spezialisten von UEC-STAR haben im Januar das automatische Kontrollsystem (ACS) für das PD-8 angefertigt. Die Produktion soll im Jahr 2023 anlaufen. Das Erzeugnis wurde in Rekordzeit entwickelt – von der Unterzeichnung der technischen Spezifikation bis zur Montage des ersten Prototyps vergingen 1,5 Jahre.

"Das System der automatischen Steuerung des PD-8-Triebwerks, das den SSJ-NEW-Flugzeug antreiben soll, wird komplett aus einheimischen Materialien und elektronischen Komponenten zusammengebaut", betonte Artjakow.

Nach Einschätzung von Popow hat die russische Industrie in den letzten Jahren einen großen Vorsprung bei der Entwicklung eigener Werkstoffe, automatischer Steuerungssysteme, Gasgeneratoren und anderer Komponenten für moderne Zivilflugzeuge erlangt.

"Natürlich gab es vor 2014 bereits Entwicklungen in diesen Bereichen, doch die Sanktionen haben die Entwicklung unserer Branche sicherlich stimuliert. Die Früchte der Bemühungen unserer Konstrukteure finden sich nun im PD-8 wieder", so der Experte.

Luftverkehrsexperte Pantelejew ist sich sicher, dass der Abschluss des PD-8-Projekts es Russland ermöglichen wird, in Zukunft ein hochmodernes Antriebssystem für große Hubschrauber und ein bodengestütztes Kraftwerk zur Stromerzeugung zu entwickeln.

"Im Moment sprechen wir immer noch vom PD-8 als Importsubstitut für die SSJ-100 und Be-200. Doch der Bedarf an diesem Triebwerk ist nicht nur aus diesem Grund enorm. Auf der Basis seines Gasgenerators ist es durchaus realistisch, einen Antrieb für schwere und überschwere Hubschrauber zu entwickeln, ebenso wie ein hocheffizientes landgestütztes Industriekraftwerk", resümierte Pantelejew.

Übersetzt aus dem Russischen

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