Die populäre russische Ska-Punk-Band "Leningrad" hat am Donnerstag ein neues Musikvideo veröffentlicht, das sich mit der Welle der Russophobie in Europa auseinandersetzt und binnen weniger Stunden auf Youtube und in den sozialen Netzwerken auf den ersten Plätzen trendete.
Bei "Leningrad" und dessen Gründer und Frontmann Sergei Schnurow weiß man nie, was Satire, was Sarkasmus und was Ernst ist. Im Fall des Liedes "Kein Zutritt" bedient sich Schnurow jedoch eines Stilmittels, das deutlich zeigt, wie ernst seine Ansprache an die Europäer dem Kultmusiker ist.
Den größten Teil des Textes stellt ein angeblicher Bericht eines russischen Emigranten aus Berlin dar. Das wird in dem Video dadurch verdeutlicht, dass Schnurow sich ein Smartphone vor das Gesicht hält, auf dessen Bildschirm man nur den Mund des Sängers sieht. Das zeigt auch eine gewisse Distanz zu den berichteten Zuständen, wie auch das leicht ironische Auftreten der weiblichen Sängerin "Soja" (Xenia Rudenko) andeuten könnte, dass der erhobene Vorwurf des sukzessiven Genozids nicht ernst zu nehmen ist.
Doch am Schluss des Clips entfernt Schnurow das Smartphone und verringert die Distanz, indem er sich der Kamera nähert. Dies dürften somit seine eigenen, durchaus ernst gemeinten Sätze sein:
"Europäer, schweige nicht, sag, wie es ist: Der Russe ist für dich der neue Jude, du würdest uns gern im Ofen verbrennen."
In dem Bericht des Freundes aus Berlin, der laut Liedtext seit zehn Jahren dort lebt, wird von aktuellen Diskriminierungserlebnissen berichtet: Angedrohte Kündigungen, Schilder in Arztpraxen mit dem Text "Russen und Hunden ist der Zutritt verboten". Dabei würde es keine Rolle spielen, ob man Anhänger des "Putin-Regimes" ist oder in Opposition zu ihm stehen würde. Ein Russe in Berlin, lautet eine Liedzeile, fühle sich wie "ein Jude im Jahr 1940".
Die Band "Leningrad" wurde 1997 gegründet und wurde schnell bekannt mit unkonventionellen Texten, die auch einen freien Umgang mit der russischen Gossensprache beinhalten. Musikalisch dominiert die Richtung des Ska-Punks mit Elementen aus Rock, russischer Folklore, russischen Gaunerchansons und Hip-Hop bis hin zu Metal aus, welche in eingängigen und harmonisch wie rhythmisch einfachen Ska eingebaut werden. Mittelpunkt der Band und Autor der meisten Liedtexte ist Sergei Schnurow (Künstlername Schnur), neben ihm tritt in wechselnder Besetzung stets eine weibliche Stimme auf, derzeit die aus Krasnodar stammende Xenia Rudenko (Künstlername Soja).
Sergei Schnurow startete 2020 eine politische Karriere, wobei er oppositionellen liberalen Kräften zuneigt. Auf die ihm durch die "Partei des Wachstums" angebotene Kandidatur bei den letzten Parlamentswahlen verzichtete Schnurow allerdings. Daneben tritt er auch journalistisch auf.
Mehr zum Thema - Russenfeindliche Ressentiments nehmen im Westen zu – auch in Deutschland