Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat am Freitag vier Radiosendern – Sputnik, Goworit Moskwa, Komsomolskaja Prawda und Echo Moskwy – ein Interview gegeben. Während des Gesprächs beantwortete er Fragen zur internationalen Agenda, zu den Beziehungen mit der Ukraine sowie zu den Verhandlungen Russlands mit den USA und der NATO. Zu den von Moskau geforderten gegenseitigen Sicherheitsgarantien sagte Sergei Lawrow, Russland wolle keinen Krieg. Es werde anderen Ländern aber nicht erlauben, seine Rechte zu verletzen:
"Wenn es von Russland abhängt, dann wird es keinen Krieg geben. Wir wollen keine Kriege. Aber wir lassen auch nicht zu, dass auf unseren Interessen grob herumgetrampelt wird, dass unsere Interessen ignoriert werden."
Seinen Ausführungen zufolge benutzen die USA den ukrainischen Präsidenten Selenskij, um die Lage zu eskalieren. Das Hauptziel Washingtons dabei sei aber nicht das Schicksal der ehemaligen Sowjetrepublik, sondern der Aufbau von Spannungen rund um Russland.
Lawrow fügte hinzu, er betrachte die Verhandlungen mit den USA und der NATO über die geforderten Sicherheitsgarantien als noch nicht abgeschlossen. "Wie Sie wissen, haben die US-Amerikaner und die NATO-Mitglieder unsere äußerst einfachen Vorschläge, die im Vertragsentwurf mit Washington und im Abkommen mit der NATO unterbreitet wurden, mehr als einen Monat lang studiert, und erst vorgestern haben wir Antworten darauf erhalten", erklärte Lawrow.
Der Minister verglich die beiden Dokumente und resümierte dazu, das Schreiben der NATO sei stark von Ideologie geprägt: "Die Antwort der NATO ist so ideologisch, sie zeugt so sehr von der Exklusivität der NATO, ihrer besonderen Mission, ihrem besonderen Zweck, dass ich mich für jene Leute, die diese Texte verfasst haben, ein bisschen geschämt habe." Im Vergleich dazu sei das offizielle Dokument der USA "fast ein Musterbeispiel diplomatischen Anstands", so Lawrow.
Das US-Schreiben enthalte seiner Meinung nach ähnliche Ideen wie die zuvor noch öffentlich ignorierte russische Initiative zur Deeskalation und zu vertrauensbildenden Maßnahmen. "All das wurde in den letzten zwei oder drei Jahren abgelehnt. Jetzt schlagen sie vor, all dies zu diskutieren. Das heißt, der konstruktive Inhalt dieser Vorschläge ist tatsächlich von jüngsten russischen Initiativen entlehnt. Das ist wenigstens etwas. Doch das Wichtigste für uns ist, sich mit den konzeptionellen Grundlagen auseinanderzusetzen, auf denen die europäische Sicherheit aufgebaut ist", resümierte der Minister. Sollte es nicht gelingen, sich mit dem Westen zu einigen, werde man Maßnahmen auf russischer Seite als Antwort ergreifen. Der Politiker erinnerte an die Worte Präsident Putins, dass die Reaktion "sehr unterschiedlich" ausfallen könne.
Die Drohungen der US-Regierung, wonach sie den russischen Botschafter Anatoli Antonow aus Washington, D.C. ausweisen könnten, bezeichnete der russische Chefdiplomat als Pöbelei. Das US-Außenministerium hatte zuvor mitgeteilt, dass Antonow gezwungen werden könne, die USA zu verlassen, falls Moskau dem Sicherheitspersonal des US-Botschafters John Sullivan keine Visa ausstellt.
Auf die Frage zu weiteren US-Sanktionen gegen Russland, einschließlich persönlicher Sanktionen gegen die russische Führungsspitze, sagte der Minister, dass ein neuerliches Sanktionspaket der USA einem Abbruch der Beziehungen gleichkäme. Dies verstehe man durchaus auch in Washington. Als Roman Babajan, der Chefredakteur des Radiosenders Goworit Moskwa, zaghaft warnte, dass die US-Sanktionen doch "sogar" Lawrow betreffen könnten, scherzte der Diplomat:
"Was heißt 'sogar'? Bin ich es denn nicht wert?"
In diesem Zusammenhang erinnerte Lawrow daran, dass die Verschlechterung der Beziehungen der diplomatischen Vertretungen vor einigen Jahren auf Initiative der USA begonnen hatte. "Dies ist eine weitere Spirale der Krise, die von Barack Obama ausgelöst wurde, der damit seine wahre Natur zeigte. Drei Wochen bevor er das Weiße Haus verließ, hatte er beschlossen, Trump zu ärgern, die Tür zuzuschlagen und uns fünf Objekte des diplomatischen Eigentums wegzunehmen. Er hat Dutzende von Diplomaten ausgewiesen, die mit ihren Familien gezwungen waren, ihre Sachen in drei Tagen zu packen. Damit fing alles an", erklärte der Minister. Die beiden Seiten versuchten jetzt aber, die Lage zu entspannen. Seinen Äußerungen zufolge sei für die nächsten Wochen ein weiteres Treffen geplant.
Als der Außenminister gebeten wurde zu kommentieren, mit welchen US-Kollegen sich denn die Zusammenarbeit eigentlich angenehmer gestaltet, wehrte Lawrow ab, er wolle und werde "keine persönlichen Einschätzungen vornehmen".
In Bezug auf den Druck gegen RT DE in Deutschland versprach der Minister, die Situation in einem Telefongespräch mit der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock noch einmal besprechen zu wollen. Moskau werde jedoch reagieren, falls sich die Lage rund um diesen Sender nicht zum Besseren ändern wird. Konkrete Schritte dazu nannte er aber nicht.
Zum Fall Nawalny habe der Westen noch immer nicht auf Russlands diverse Anfragen reagiert: "Wir haben immer noch keine Antwort darauf erhalten, wer Alexei Nawalny mit dem Flugzeug abgeholt hat, warum das Flugzeug, in dem er aus Omsk abgeholt wurde, am Vortag seines Unwohlseins gebucht wurde. Warum gibt es keine Antworten zu konkreten Fragen, die im Bundestag gestellt wurden?" Nach seinen Angaben habe sich Deutschland zunächst geweigert, alle Antworten offenzulegen, da es sich angeblich um Geheiminformationen gehandelt habe. Dann hieß es aber plötzlich, Nawalny selbst hätte dem angeblich nicht zugestimmt.
Auf die Frage, warum Russland die Unabhängigkeit der Republiken Donbass und Lugansk noch nicht anerkennt, antwortete Lawrow, in den Minsker Vereinbarungen sei schließlich die Einheit und territoriale Integrität der Ukraine verankert. Die Einhaltung genau dieser Vereinbarungen durch alle Konfliktparteien könne eine Lösung der Konflikte in der Ostukraine ermöglichen.
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