Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hat am Samstagabend die von der Zeitung Bild veröffentlichte Karte kommentiert, die zeigen soll, wie der russische Präsident Wladimir Putin angeblich in die Ukraine einmarschieren will. Die Diplomatin sah darin Propaganda und vermutete sogar Antisemitismus in der Bild-Redaktion. Allem Anschein nach habe das Blatt in den deutschen Archiven gestöbert und zum Korrekturstift gegriffen, um die Karte nach dem Motto "Alles Neue ist gut vergessenes Altes" zu veröffentlichen.
Die Diplomatin wurde darauf aufmerksam, dass die Stadt Lwow auf der Karte als Lemberg gekennzeichnet sei, während das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland in seinen offiziellen Dokumenten die Stadt als Lwiw bezeichne.
"Aber auf den Karten aus dem Jahr 1942, als die Stadt besetzt war, wurde noch der österreichisch-ungarische Name Lemberg verwendet. Von den Nazis. Von welcher Karte zeichneten die deutschen Journalisten ab?"
Sacharowa zufolge könnte die Karte der Ostukraine dagegen aus dem Büro des ukrainischen Präsidenten stammen, da die Stadt Dnjepropetrowsk dort als Dnipro gekennzeichnet sei. Die Umbenennung sei nämlich erst vor fünf Jahren im Laufe der "Entkommunisierung" erfolgt. Die Bild dürfte die Karte zusammengeklebt und den angeblichen Einmarschplan bei einer Quelle in Übersee gesehen und kreativ überarbeitet haben.
Die Diplomatin kommentierte außerdem die angebliche erste Phase des Krieges, wonach das russische Militär den Süden der Ukraine erobern würde, um unter anderem die Versorgung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu sichern.
"Die deutschen Wunderjournalisten haben keine Ahnung, dass die Krim-Brücke seit ein paar Jahren die Krim-Versorgung sichert!"
Nach Angaben der Bild würden die russische Luftwaffe und ballistische Raketen parallel zur ersten Phase die militärischen Kapazitäten der Ukraine im ganzen Land schwächen. Sacharowa sah darin keinen Zusammenhang zu Russland:
"Genossen, meine lieben Genossen, was hat Russland damit zu tun? Das Regime in Kiew schwächt selbst seit mehreren Jahren erfolgreich die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine."
In der dritten Phase würden Russlands Streitkräfte laut dem Bild-Artikel bis zu einer Linie Korosten-Uman vorrücken und Kiew zu einer Kapitulation zwingen. In diesem Zusammenhang schrieb die russische Diplomatin, Uman sei eine wichtige Pilgerstätte chassidischer Juden.
"Was deutet die Bild an? Auch wenn man in Deutschland journalistische Lügen schon gewohnt ist, kann dieses Trolling die Zeitung teuer zu stehen kommen, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass man neulich unter den deutschen Journalisten einen krasser Antisemitismus aufgedeckt hat."
Zuvor hatten viele westliche Medien über eine angebliche Invasion Russlands in der Ukraine spekuliert. Die Regierung in Kiew dementierte anfangs die Meldungen über eine Aufstockung russischer Truppen an der Grenze, begann aber später, von einer möglichen Aggression aus dem Nachbarland zu sprechen. Die Regierung in Moskau wies solche Anschuldigungen bereits mehrmals zurück und nahm an, dass die NATO solche Medienberichte als Anlass nutze, um mehr eigene Kräfte an der Grenze zusammenzuziehen.
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