Laut Rechtsanwalt Alexei Parschin, der die Chatschaturjan-Schwestern vertritt, wird ihr verstorbener Vater posthum wegen Folter, sexuellen Missbrauchs und Zwang zu sexuellen Handlungen strafrechtlich verfolgt. "Wir haben gerade die Anordnung über die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Michail Chatschaturjan gelesen", sagte Parschin am Dienstag der Nachrichtenagentur TASS. "Meine Mandantinnen sind offiziell als Opfer anerkannt."
Trotz der Umstufung auf Opfer bleiben die Anklagen gegen die drei jungen Frauen bestehen.
Die Schwestern Krestina, Angelina und Marija, damals noch im Teenageralter, wurden im Sommer 2018 festgenommen, nachdem die Leiche ihres Vaters mit mehreren Stichwunden an Hals und Brust gefunden worden war. Das Trio gab zu, den 57-Jährigen im Schlaf getötet zu haben, weil er sie misshandelt und als Sklaven gehalten hatte.
Der Vorfall löste in Russland einen öffentlichen Aufschrei aus. Landesweit kam es zu Solidaritätsaktionen mit den jungen Frauen sowie Forderungen, sie freizulassen. Die Anwälte der Mädchen bestehen darauf, dass das Gericht deren Handlungen als Notwehr einstufen soll.
"Wenn das Strafverfahren gegen Michail Chatschaturjan vor Gericht kommt und das Gericht ihn für schuldig erklärt, alle Verbrechen gegen die Mädchen begangen zu haben, erhalten wir einen weiteren unwiderlegbaren Beweis dafür, dass die Schwestern aus Notwehr gehandelt haben", sagte Alexei Liptser, ein weiterer Anwalt.
Ende 2019 kündigte der Untersuchungsausschuss Anklage wegen vorsätzlichen Mordes an, obwohl festgestellt wurde, dass die Schwestern missbraucht wurden. Dass der Mann sie seit 2014 systematisch schlug, erniedrigte, mit körperlicher Gewalt bedrohte und sie zu sexuellen Handlungen zwang, wurde ebenfalls bestätigt. Einige Monate später forderte der Generalstaatsanwalt die Ermittler auf, die Anklagen fallen zu lassen, doch der Befehl wurde ignoriert.
Die jüngste der Schwestern, Marija, wurde zum Zeitpunkt des Mordes für nicht zurechnungsfähig erklärt und musste sich einer medizinischen Behandlung unterziehen. Die beiden anderen Frauen stehen derzeit unter Hausarrest. Laut dem Anwalt Jaroslaw Pakulin wird das Gerichtsverfahren gegen die drei erst dann beginnen, wenn das Gerichtsverfahren gegen deren Vater beendet ist. Daher sei es unwahrscheinlich, dass die Anklagen bald fallen gelassen werden.
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