"Ich weiß, wer mich töten wollte. Ich weiß, wo sie leben. Ich weiß, wo sie arbeiten", schrieb der russische Oppositionspolitiker am Montag in seinem Blog. Er fügte hinzu: "Ich kenne ihre richtigen Namen. Ich kenne ihre falschen Namen. Ich habe Fotos von ihnen." Laut Nawalny folgten ihm drei der acht Männer, Alexei Alexandrow, Iwan Osipow und Wladimir Panjaew, nach Tomsk, wo er angeblich mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet wurde. Nawalny zufolge handele es sich um Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes (FSB), die offenbar eine Ausbildung in Chemie oder Medizin haben.
An der gemeinsamen Recherche nahmen das Nachrichtenmagazin Der Spiegel, die Plattformen Bellingcat und The Insider sowie der US-Nachrichtensender CNN teil. Die mutmaßlichen Beteiligten wurden nach Auswertung von Mobilfunkverbindungen, GPS- und Standortdaten von mehr als einem Dutzend FSB-Agenten sowie Analysen zahlreicher Passagierlisten russischer Linienflüge identifiziert, die auf dem Schwarzmarkt gekauft wurden. Dadurch lasse sich nachvollziehen, dass der Kremlkritiker bereits seit dem Jahr 2017 im Visier dieser Männer gestanden haben muss, nachdem er angekündigt hatte, für das Präsidentenamt zu kandidieren. Sie seien Nawalny auf mindestens 37 verschiedenen Russlandreisen gefolgt. Das Ermittlungsteam behauptet außerdem, Nawalny sei im Juli auf einer Reise nach Kaliningrad verfolgt worden, als seine Frau Julija plötzlich krank wurde. Man schließe nicht aus, dass sie damals ebenfalls Opfer eines Nervengiftanschlags wurde.
Nawalny beschrieb ausführlich einige seiner Reisen, auf denen er seiner Meinung nach verfolgt wurde. In den am Montag veröffentlichten Reiseberichten heißt es beispielsweise, dass er im März 2017 innerhalb von vier Tagen von den beiden FSB-Beamten Alexei Kriwoschtschjokow und Alexei Alexandrow in vier verschiedene russische Städte verfolgt worden sei. Abschließend resümierte Nawalny, es sei "eine unwiderlegbare Tatsache", dass seine angebliche Vergiftung "eine Regierungsoperation" gewesen sei:
"Eine ganze Abteilung des FSB unter der Leitung hochrangiger Beamter führt seit zwei Jahren eine Operation durch. Während dieser Zeit versuchten sie mehrmals, mich und meine Familienmitglieder zu töten, indem sie sich chemische Waffen von einem geheimen staatlichen Labor beschafften."
Nawalny beschuldigte den russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich, seine Vergiftung angeordnet zu haben. Ihm zufolge hätte Alexander Bortnikow, der Chef des FSB, eine solche Tat ohne die Zustimmung seines Vorgesetzten niemals umgesetzt. "Schauen Sie im Wörterbuch die Definition von 'Staatsterrorismus' nach. Das ist es. Illegaler Mord an Bürgern ohne Gerichtsverfahren oder Ermittlungen", schrieb der 44-Jährige.
Alexei Nawalny war auf einem Inlandsflug am 20. August zusammengebrochen. Kurz nach seiner Ankunft in Deutschland betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel, Nawalny sei "zweifelsfrei" mit Nowitschok vergiftet worden. Auch zwei Labore in Frankreich und Schweden erbrachten angeblich den Nachweis eines Nervenkampfstoffes aus der Nowitschok-Gruppe als Ursache der Vergiftung. Allerdings veröffentlichte keines der Labore irgendwelche Ergebnisse, die eine Verifizierung ihrer Behauptungen ermöglicht hätten. Der Kreml wies eine Verwicklung in den Fall wiederholt zurück und betonte, dass alle staatlichen Nowitschok-Bestände vernichtet worden seien. Putin betonte, er habe die russischen Staatsanwälte persönlich gebeten, Nawalnys Ausreise nach Deutschland zu erlauben. Der Fall hat die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau erheblich belastet.
Nawalny hält sich derzeit in Deutschland zu einer Reha-Maßnahme auf. Er will nach seiner Genesung wieder nach Russland zurückkehren.
Mehr zum Thema - Alexei Nawalny ruft im EU-Parlament zu Sanktionen gegen russischen Führungszirkel auf
Bundespressekonferenz: Wieso wurde Nawalny-Probe nicht in neutralem Labor in der Schweiz untersucht?