Ab diesem Donnerstag können wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger Russlands in einer Abstimmung für oder gegen Änderungen im Grundgesetz des Landes votieren. Der letzte Tag der Stimmabgabe ist der 1. Juli. Präsident Wladimir Putin hat diesen Tag für arbeitsfrei erklärt.
Laut den von der Zentralen Wahlkommission Russlands vorgegebenen sanitären Richtlinien soll die höchste Durchlasskapazität der Wahllokale acht Menschen pro Stunde betragen. Alle Mitarbeiter der Wahllokale werden regelmäßig auf das Coronavirus getestet. An den Orten der Abstimmung gilt die Mundschutz- und Handschuhpflicht. Die Wähler erhalten einen Einwegkugelschreiber, mit dem sie den Stimmzettel ausfüllen können. Russische Bürger können auch im Ausland abstimmen. In 144 Ländern der Welt haben insgesamt 251 Wahllokale geöffnet.
Zu Hause dürfen unter anderem Behinderte oder diejenigen Menschen abstimmen, die ihre kranken Verwandten nicht alleine lassen können. Zu diesem Zweck haben sie bis zum 21. Juni einen entsprechenden Antrag stellen müssen.
Per Internet können lediglich Bewohner der russischen Hauptstadt Moskau und des Gebiets Nischni Nowgorod abstimmen. Um von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, haben sie sich bis zum 21. Juni um 14 Uhr (Ortszeit) digital anmelden müssen. Die elektronische Abstimmung endet am 30. Juni um 20 Uhr.
Im Vorfeld des Votings wurde das System der Online-Stimmabgabe getestet. Die Probeabstimmung fand am 18. und 19. Juni statt. Wahlberechtigte Einwohner Moskaus konnten per Internet auf die Frage antworten, was für die russische Hauptstadt wichtiger sei: mehr Grünanlagen oder mehr Parkplätze. Dabei wurden weder erfolgreiche Hackerangriffe noch technische Fehler gemeldet. Um möglichst viele Sicherheitslücken im Online-Wahlsystem zu entdecken, hatte man für die Zeit des Tests eine mit zwei Millionen Rubel (knapp 26.000 Euro) dotierte Prämie für erfolgreiche Cyberattacken ausgeschrieben.
Zur Abstimmung steht die Frage: "Stimmen Sie den Änderungen in der Verfassung der Russischen Föderation zu?" Die vorgeschlagenen Novellen lassen sich in mehrere Großbereiche wie Russlands Souveränität, Staatssystem, Sozialschutz, Familienrecht, Medizin, Umweltschutz, Bildung sowie Sprache und Kultur gruppieren. Zum ersten Mal sollen im aktualisierten Grundgesetz digitale Technologien, der Datenschutz und das Streben Russlands zum wissenschaftlich-technologischen Fortschritt erwähnt werden.
Nach dem Inkrafttreten der Verfassungsänderungen wird der amtierende Staatschef das Recht erhalten, im Jahr 2024 erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren, was er nach der geltenden Verfassung nicht mehr darf. Die Opposition wirft Wladimir Putin vor, mit den Verfassungsänderungen seine Macht deutlich ausbauen und bis zum Jahr 2036 im Amt bleiben zu wollen. Der Präsident hat darauf entgegnet, dass der Staatschef laut einigen Novellen einige seiner Befugnisse sogar abgebe. Ob er in vier Jahren erneut kandidieren werde, wisse er noch nicht.
Im vergangenen Jahr wurden in Russland erneut Vorschläge hörbar, dem Land eine neue Verfassung zu geben. Das Thema wurde in politischen Kreisen und in Medien breit diskutiert. In seiner Ansprache an die Föderale Versammlung am 15. Januar 2020 sagte Wladimir Putin, dass eine neue Verfassung seiner Meinung nach nicht erforderlich sei, weil das Potenzial des Grundgesetzes aus dem Jahr 1993 bei Weitem nicht erschöpft sei. Gleichzeitig bot er einige Novellen an und schlug vor, eine allrussische Abstimmung über die Änderungen durchzuführen. Anschließend wurde ein 75-köpfiges Gremium gebildet, das weitere Änderungsvorschläge einbrachte und erörterte.
Am 11. März wurde die endgültige Liste der Novellen von den beiden Kammern des russischen Parlaments als Gesetz verabschiedet. Am 14. März unterzeichnete Wladimir Putin ein Gesetz, laut dem die Verfassungsänderungen erst nach einer allrussischen Abstimmung in Kraft treten sollten. Am 16. März urteilte das Verfassungsgericht des Landes, dass alle verabschiedeten Novellen mit dem geltenden Grundgesetz vereinbar seien.
Eigentlich hätte die landesweite Abstimmung schon am 22. April stattfinden sollen. Infolge der COVID-19-Pandemie musste das Voting jedoch aufgeschoben werden. Die Corona-Krise beeinflusste außerdem den Verlauf des Votings. Es wurde unter anderem beschlossen, die Stimmabgabe sechs Tage vor dem Haupttermin am 1. Juli anlaufen zu lassen. Die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Russlands, Ella Pamfilowa, begründete diese zeitliche Ausdehnung des Votings mit der Sorge um die öffentliche Gesundheit: So ließen sich mögliche Kontakte mit Infizierten maximal reduzieren. Das Risiko einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus werde minimal sein, sodass der Urnengang sicherer als ein Supermarktbesuch sein werde, versicherte Ella Pamfilowa.
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